8.000 Städte gegen atomare Aufrüstung

Tausende Lokalregierungen weltweit für nukleare Abrüstung. Dahinter steht das Netzwerk Mayors for Peace. Dennoch werden die Arsenale größer.
Anlässlich des vierten Jahrestages des Inkrafttretens des Atomwaffenverbotsvertrags am 22. Januar 2025 haben Vertreter des friedenspolitischen Netzwerks Mayors for Peace weltweit zur Abschaffung von Nuklearwaffen aufgerufen.
Inzwischen gehören dem Netzwerk über 8.000 Städte und Gemeinden aus 166 Ländern an. In Deutschland sind über 800 Mitglieder dem Bündnis beigetreten. Die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover ist die "Lead and Executive City der Mayors for Peace" in Deutschland.
Die Organisation Mayors for Peace wurde 1982 durch den Bürgermeister von Hiroshima gegründet. Aus der grundsätzlichen Überlegung heraus, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister für die Sicherheit und das Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger verantwortlich sind, versucht die Organisation durch Aktionen und Kampagnen die weltweite Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern und deren Abschaffung zu erreichen.
Erinnerung an Friedensnobelpreis 2024
Am 10. Dezember 2024 erhielt die japanische Organisation Nihon Hidankyo den Friedensnobelpreis in Oslo. Nihon Hidankyo ist der Zusammenschluss der Hibakusha, der Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima.
Die Welt bewegt sich derzeit bei der nuklearen Abrüstung rückwärts. Die russische Invasion in der Ukraine hat unaussprechliches menschliches Leid verursacht und das Risiko eines Atomkriegs erhöht. Ich habe mein Leben dem Verbot von Atomwaffen gewidmet. Anstatt Wut, fühle ich Kummer und Angst, wie tief die Menschen in die Dunkelheit fallen werden. Wir müssen weitermachen. Eine Welt ohne Atomwaffen, das ist unsere Mission.
Masako Wada, ein Vertreter von Nihon Hidankyo
Die Entscheidung des Nobelkomitees, den Friedensnobelpreis an Nihon Hidankyo zu verleihen, ist ein deutliches Zeichen an die Atomwaffenstaaten, ihre Arsenale abzurüsten. Zugleich ist es auch eine Bestärkung für die internationalen NGOs und die Zivilgesellschaft, sich weiterhin weltweit für die Abschaffung der Atomwaffen einzusetzen.
Atomwaffen sind eine existentielle Gefahr
Die beiden Atombomben der USA 1945 auf Hiroshima und Nagasaki forderten unmittelbar über einhunderttausend Todesopfer. Die Bomben zerstörten beide Städte bis auf die Grundmauern.
Die nach 1945 durchgeführten über 2.000 Atomwaffentests haben lebensbedrohliche und langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und massive Umweltschäden zur Folge.
Allein die von den USA auf dem Bikini-Atoll gezündete Wasserstoffbombe hatte eine Sprengkraft von 15 Megatonnen: 1.000-mal stärker als die Hiroshimabombe. Strahlenbedingte Erkrankungen, Fehlbildungen und radioaktive Verseuchung zählen zu den gravierendsten Folgen. Viele der Überlebenden der Atomwaffentests trugen und tragen die körperlichen Behinderungen und psychischen Folgen ihr ganzes Leben mit sich.
Atomwaffen vor allem in USA und Russland
Weltweit gibt es derzeit über 12.000 Atomwaffen – ein Großteil davon in den Arsenalen der USA und Russlands. Die Anzahl der einsatzbereiten Atomwaffen ist im vergangenen Jahr sogar von rund 2.000 im Jahr 2023 auf aktuell 2.100 Stück gestiegen. Insgesamt gaben die neun Atomwaffenstaaten im letzten Jahr rund 91,4 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen aus. Weltweit werden die Atomarsenale aufgerüstet und Abkommen wurden aufgekündigt:
Der INF-Vertrag zwischen den USA und Russland ist gekündigt, obwohl er auf unbeschränkte Dauer geschlossen wurde. Gekündigt sind auch die Verträge der beiden Staaten über die Begrenzung der Raketenabwehr (ABM) und über den "offenen Himmel" (Open Skies).
Der New-Start-Vertrag über die strategischen Atom-Potenziale ist außer Kraft gesetzt, der umfassende Atomteststoppvertrag (CTBT) ist bis jetzt nicht in Kraft getreten. Rüstungskontrollverhandlungen sind ausgesetzt und finden zwischen den Atomwaffenstaaten aktuell nicht statt.
Atomwaffenverbotsvertrag als Wegweiser
Die Atomwaffenstaaten werden aufgefordert, den seit Januar 2021 in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen zu unterzeichnen. Der Vertrag trat am 22.01.2021 in Kraft. Inzwischen haben ihn weltweit 73 Staaten ratifiziert. Der Vertrag untersagt allen Unterzeichnerstaaten, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu lagern und zu testen.
Auch die Weiterverbreitung von Atomtechnologie ist verboten. Die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen schließen sich damit aus. Biologische Waffen sind seit 1975, chemische Waffen seit 1997 völkerrechtlich verboten. Das gilt nun endlich auch für Atomwaffen.
Der Verbotsvertrag wird in den kommenden Jahren immer mehr an Gewicht gewinnen und weltweit Staaten zur Unterzeichnung veranlassen. Diese Entwicklung wird sich auch nicht über Einflussnahme der Atomwaffenstaaten aufhalten lassen. Vielmehr wird der Druck auf diese wachsen, endlich die im Atomwaffensperrvertrag eingegangenen Verpflichtungen einzulösen. Anfang März 2025 findet die dritte Staatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags bei den Vereinten Nationen in New York statt.
Stationierung der US-Atomwaffen in Deutschland
Aktuell lagern in Büchel ca. 20 US-Atombomben, deren Modernisierung bis 2026 abgeschlossen sein soll. Sie wären variabel mit einer Sprengkraft von 0,3 bis zu 170 KT – einer über zehnfachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe – einsetzbar und würden im Auftrag der "Nuklearen Teilhabe" der Nato von deutschen Luftwaffenpiloten ins Ziel geflogen und zur Explosion gebracht.
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Atomwaffen könnten "chirurgisch" gezielt und begrenzt eingesetzt werden. Rüstungstechnisch führt diese Entwicklung zur Miniaturisierung der Atomwaffen mit hoher Zielgenauigkeit sowie sicherheitspolitisch zu einer Herabstufung der "Nuklearen Schwelle"
Die Mayors for Peace in Deutschland fordern den Abzug aller US-Atombomben aus Deutschland und Europa. Von der neuen Bundesregierung erwarten sie Initiativen in Richtung einer weltweiten Ächtung von Atomwaffen und die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags.
Risiken der geplanten Stationierung von US-Marschflugkörpern ab 2026 in Deutschland
In einer kurzen Erklärung vereinbarten am Rande des Nato-Gipfels Anfang Juli 2024 in New York die USA und die Bundesrepublik die Stationierung von Marschflugkörpern des Typs Tomahawk, SM-6-Raketen und neuen Hyperschallwaffen. Mit über 2.000 km Reichweite könnten sie im Tiefflug in nur wenigen Minuten Zielobjekte in Russland erreichen und bekämpfen.1
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Beschlossen wurde das Rüstungsprojekt ohne ein gleichzeitiges Verhandlungsangebot an Russland – wie beim Nato-Doppelbeschluss unter Helmut Schmidt. Ein dicht besiedeltes Land wie die Bundesrepublik würde zur Zielscheibe russischer Atomraketen.
Die Reaktionszeiten verkürzen sich und die Gefahr eines Atomkriegs in Europa würde sich dramatisch erhöhen. Die Bundesregierung könnte Russland immer noch ein Angebot unterbreiten, über die geplante Stationierung und die russischen Mittelstreckenraketen in Kaliningrad, die in wenigen Minuten Berlin erreichen könnten, verhandeln zu wollen.
Mahnung an die Atomwaffenstaaten
Die Glocke von Hiroshima läutet in unseren Herzen nicht als Trauerglocke, sondern als Alarmglocke, die zu Aktionen aufruft, um das Leben auf unserem Planeten zu schützen. Zusammenarbeit ist der einzige Weg zum Frieden, zur Gesundheit und zum Wohlbefinden der Menschen. Unsere Pflicht ist es, die Welt unseren Nachfolgern in einem besseren Zustand zu übergeben.
Prof. Jewgeni Tschasow
Wir sind uns bewusst, dass das atomare Wettrüsten gestoppt werden muss, bevor die Abschaffung Wirklichkeit werden kann.
Prof. Bernard Lown
So die mahnenden Worte der beiden Gründer der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) und ehemaligen Präsidenten Prof. Bernard Lown aus Boston (USA) und Prof. Jewgeni Tschasow aus Moskau bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an die IPPNW am 10.12.1985 in Oslo.
Rolf Bader, geb. 1950, Diplom-Pädagoge, ehem. Offizier der Bundeswehr, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte:innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte:innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW)