Absage von LNG-Lieferungen nach Indien: Deutschland droht Schiedsverfahren
Verhärtete Fronten: Ein deutsches "Staatsunternehmen" kann seit Monaten kein LNG liefern und will sich günstig freikaufen. Die Inder bestehen dagegen auf Lieferung. Wie es zu diesem Konflikt kam.
Das Verhältnis von Deutschland und Indien ist belastet – und das ist eine Folge des Wirtschaftskrieges, der zwischen dem kollektiven Westen und Russland tobt.
Der indische Importeur Gail India hatte einst einen Liefervertrag mit Gazprom Marketing and Singapore (GMTS) abgeschlossen, der laut Bloomberg bis zum Jahr 2041 läuft. GMTS war eine Tochterfirma von Gazprom Germania, einem Unternehmen, das von der Bundesregierung unter Treuhandschaft genommen wurde und inzwischen Sefe (Securing Energy for Europe GmbH) heißt.
Pro Jahr sollte Sefe 2,5 Millionen Tonnen LNG an Gail liefern. Doch von Mai bis September wurden 17 LNG-Ladungen nicht geliefert, erklärte letzte Woche der Finanzchef von Gail, Rakesh Kumar Jain, bei einer Telefonkonferenz mit Analysten.
Für Gail hatte der Lieferstopp direkte wirtschaftliche Folgen: Kunden in der Industrie konnten nicht wie vereinbart beliefert werden, und auch die Produktion in den eigenen petrochemischen Anlagen musste wegen Mangels heruntergefahren werden. Die Produktion von Stickstoffdünger etwa war davon betroffen.
Außerdem musste sich das Unternehmen selbst teuren Ersatz beschaffen, zu einem Spotpreis von etwa 39 US-Dollar pro Million British Thermal Units (mmBtu). Zum Vergleich: Der aktuelle Spotpreis liegt laut Reuters bei etwa 25 US-Dollar pro mmBtu.
LNG-Terminals und -Tanker (11 Bilder)
Das deutsche Unternehmen versuchte, sich einfach von seinen Verpflichtungen zu befreien: Es wurde angeboten, eine Konventionalstrafe in Höhe von 20 Prozent des vertraglich vereinbarten Preises zu zahlen.
Doch das würde nur einen Bruchteil der Kosten decken, die Gail aktuell am Spotmarkt zahlen müsste. Deshalb verlangen die Inder von Sefe, das Gas anderswo zu beschaffen, um den Lieferpflichten nachzukommen.
"Wir akzeptieren die Strafe nicht, da dies ihnen (Sefe) die Möglichkeit geben würde, sich aus der vertraglichen Verpflichtung zu befreien", erklärte eine "Quelle" am Donnerstag gegenüber Reuters. "Wir wollen nicht unser Recht verlieren, die Ladungen wieder zu kaufen."
Käme Sefe seinen Verpflichtungen nach und würde die geforderte LNG-Menge am Spotmarkt kaufen, könnte letzten Endes Zusatzkosten auch auf den deutschen Steuerzahler zukommen. Die Inder beraten sich aktuell mit Anwälten, ob womöglich ein Schiedsverfahren wegen des Vertrags mit Sefe eingeleitet wird.
Ein Sprecher von Sefe erklärte, man gehe dieses Problem im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung gemeinsam mit den Indern an. Und er betonte, dass sowohl Gail als auch die Sefe-Gruppe von den Folgen der russischen Sanktionen gegen Sefe und seine Tochtergesellschaften betroffen seien.
Unterdessen verhandelt Indien offenbar auch direkt mit Russland über Ersatzlieferungen. Gail führe auch Gespräche mit Gazprom, um den direkten Kauf von LNG von dem russischen Unternehmen zu prüfen. Laut Bloomberg könnte das Thema auch besprochen worden sein, als der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar letzte Woche in Moskau war.
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