Abschied von Deutschland: Warum deutsche Konzerne nach China flüchten

Zwei Seile, die fast reißen, dass eine in den Farben der chinesischen Fahne, das andere in den Farben der deutschen Fahne

(Bild KI-generiert)

VW, BASF und Bosch verlagern massiv Produktion nach China. Was treibt die Industrie-Giganten in die Ferne? Und wie steht es um die Entkopplung von China?

Während Deutschland mit Wirtschaftsproblemen zu kämpfen hat, verlagern immer mehr deutsche Industrieunternehmen wie VW, BASF und Bosch ihre Produktion nach China und steigern ihre Investitionen auf dem dortigen Markt. Die Folge, zumindest kurzfristig: Tausende Arbeitsplätze fallen in Deutschland weg, während gleichzeitig Milliarden in neue Werke und Beteiligungen in China fließen.

VW etwa investiert 2,5 Milliarden Euro in die Erweiterung der Elektrofahrzeugproduktion in Hefei und plant bis 2030 30 neue E-Modelle in China. BASF baut 2.600 Stellen in Deutschland ab und steckt gleichzeitig zehn Milliarden in einen neuen Chemiekomplex in Guangdong. Bosch will weltweit 5.550 Stellen streichen, davon 3.800 in Deutschland, während es die Investitionen in Chinas E-Mobilität und autonomes Fahren hochfährt.

Laut dem Online-Magazin Asia Times sind vorwiegend die hohen Energiekosten, die massive Förderung erneuerbarer Energien und die strengen Vorschriften die Treiber für Deutschlands Deindustrialisierung und den Exodus nach China. Die Energiewende mit dem Fokus auf Wind und Solar habe die Strompreise auf Rekordniveau getrieben. Nur noch mit hohen Subventionen seien sie für die Industrie zu stemmen, so der deutsche Autor und Finanzberater Diego Fassnacht.

Indikator Industriestrom

Gleichzeitig ist der Industriestromverbrauch in Deutschland binnen zwei Jahren um über 16 Prozent eingebrochen. Die Abkehr von der Kernkraft und der Wegfall von günstigem russischem Gas durch den Ukraine-Krieg verschärfen die Krise, argumentiert er. Unternehmen, die auf stabile und bezahlbare Energie angewiesen sind, sehen in Deutschland keine Zukunft mehr.

Deutschlands Regierung versuche mit Subventionen und Gesprächen gegenzusteuern. Doch Experten kritisieren, dass eine langfristige Strategie fehlt, um die strukturellen Probleme wie hohe Kosten und Regulierungen anzugehen. Ohne tiefgreifende Reformen drohe dem Industriestandort der weitere Abstieg, so die Asia Times.

Viel Geld aus der Autoindustrie

Tatsächlich erreichen deutsche Investitionen in China Rekordwerte. Im ersten Halbjahr 2024 flossen 7,3 Milliarden Euro nach China, mehr als im gesamten Vorjahr. Der Löwenanteil stammt von den Autokonzernen. Deren Anteil an den EU-Investitionen in China stieg zuletzt auf bis zu 71 Prozent.

Die Firmen folgen einer Strategie der lokalisierten Produktion. Mit Werken vor Ort bedienen sie den chinesischen Markt, ohne die Kosten und Auflagen in Deutschland tragen zu müssen. Die Investitionen sind auch eine Reaktion auf die Risiken globaler Lieferketten, wie sie in der Pandemie sichtbar wurden. Mit einer stärkeren Verankerung in China möchten sich die Unternehmen unabhängiger machen.

Einen beginnenden Trend zur Entkopplung von China sieht indes eine ifo-Studie: Demnach planen 38 Prozent der deutschen Industriefirmen, ihre Importe aus China zu reduzieren – vor zwei Jahren waren es fast 50 Prozent.

Der Anteil der von chinesischen Vorleistungen abhängigen Unternehmen sank seit 2022 von 46 auf 37 Prozent.

Die Möbelbranche und Autoindustrie fahren ihre China-Abhängigkeit am stärksten zurück. Firmen, die selbst in China produzieren, sind jedoch weniger schnell dabei als solche ohne eigene Standorte. Eine Ausnahme ist die chemische Industrie, wo die Abhängigkeit von China-Importen sogar noch gestiegen ist auf zuletzt 46 Prozent.

Besonders häufig sind Hersteller von Computer-Equipment (65 Prozent), elektrischen Ausrüstungen (60 Prozent) sowie Autohersteller (59 Prozent) auf Vorprodukte aus China angewiesen. Insgesamt werden jedoch weniger kritische Komponenten von dort bezogen.

Der Anteil der Unternehmen mit eigener Produktion in China hat sich kaum verändert. Diversifizierung und politische Unsicherheiten werden als Gründe für die Reduzierung von China-Importen genannt.

Ein abrupter Bruch mit China würde die deutsche Wirtschaft laut einer Studie des IfW Kiel kurzfristig um rund fünf Prozent einbrechen lassen. Langfristig wären es etwa 1,5 Prozent Wachstumsverlust pro Jahr. Eine Entkopplung würde also hohe Kosten verursachen.

Deutschlands Wirtschaft steht damit vor einem Dilemma. Einerseits werden Produktion und Investitionen nach China verlagert, weil die Bedingungen zu Hause immer schwieriger werden. Andererseits wächst die Erkenntnis, dass eine zu starke Abhängigkeit von China auch Risiken birgt.