Adidas und Habeck im Faktencheck: Von wegen Standort Deutschland
Image vs. Jobs: Wo der Sportartikelkonzern hauptsächlich produzieren lässt – und warum der Unterschied zu Nike nicht wesentlich ist.
Neben der Farbe Pink war es einer der Aufreger der Woche, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Ausrüster wechselt und die Nationalmannschaft somit bald nicht mehr für Adidas, sondern für Nike Reklame läuft.
Das Handelsblatt hat unter Berufung auf Branchenkreise berichtet, dass sich Nike das Engagement beim DFB mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr kosten lässt, nachdem Adidas bislang 50 Millionen Euro jährlich an den Verband gezahlt haben soll. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat daraufhin einen Mangel an "Standortpatriotismus" beklagt.
Adidas: Ein Stück deutscher Identität?
Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen. Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität. Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht.
Robert Habeck
Worum geht es hier genau? Um einen Namen und ein Gefühl oder um reale Arbeitsplätze in Deutschland?
Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gab seinen Senf dazu: "Adidas soll nicht mehr Nationaltrikot im Fußball sein? Stattdessen ein US-Unternehmen? Halte ich für eine Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet", schrieb Lauterbach auf der Plattform X.
DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig reagierte verärgert – und nach eigener Aussage erstaunt. "Ich habe mich schon sehr gewundert, dass Politiker kenntnisfrei und vor allem ohne Faktenlage sich populistisch so weit aus dem Fenster lehnen. Das muss ich ehrlich sagen, ist eine neue Qualität", sagte er dem Sportformat ran. Die Angebote seien "nicht ansatzweise vergleichbar" gewesen, so Rettig.
Deutsche Kult-Trikots aus Kambodscha
Vom "Standort Deutschland" ist allerdings oft im Zusammenhang mit Arbeitsplätzen die Rede. Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein Blick auf die Produktionsstandorte von Adidas: Als Hauptzulieferland für Bekleidung nennt der Konzern mit Verwaltungssitz in Herzogenaurach in seinen Geschäftsberichten für 2022 und 2023 Kambodscha.
Im Jahr 2022 haben wir 91 Prozent unserer Gesamteinkäufe an Bekleidung aus Asien bezogen (2021: 91 Prozent). Kambodscha ist hier mit 22 Prozent der Gesamtproduktion das wichtigste Zulieferland (2021: 21 Prozent), gefolgt von Vietnam mit 17 Prozent (2021: 15 Prozent) und China mit 17 Prozent (2021: 20 Prozent).
Global Operations - adidas Geschäftsbericht 2022
Adidas-Treter aus Indonesien
Als wichtigstes Zulieferland für Schuhe wurde für 2022 Indonesien genannt und 2023 Vietnam. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr nach Firmenangaben 97 Prozent der Adidas-Schuhe in Asien produziert.
Die Produktion ist dort schlicht billiger, auch wenn sich der Konzern zunehmend bemüht, nicht als Ausbeuter dazustehen und sich nach eigenen Worten "für faire Arbeitspraktiken und sichere Arbeitsbedingungen" einsetzt.
Abgesehen von den Beschäftigten der Zulieferbetriebe hat Adidas selbst nach eigenen Angaben weltweit rund 59.000 Mitarbeitende, davon die meisten im Einzelhandel und insgesamt nur 24 Prozent im Wirtschaftsraum "EMEA", was im US-Sprachgebrauch für Europa (englisch Europe), Naher Osten (aus US-Sicht Mittlerer Osten: Middle East) und Afrika steht.
Emissionen in Asien: Adidas schont deutsche Klimabilanz
Bis 2050 will der Konzern klimaneutral sein – was auch wegen der Transportwege eine Herausforderung ist, wenn Asien die weltweite "Werkbank" bleibt und ein Großteil der Produkte in westlichen Ländern verkauft wird. Aber immerhin muss Habeck die Emissionen, die bei der Produktion in asiatischen Ländern entstehen, nicht in Deutschland verbuchen, nur weil dort eine deutsche Firma zum Teil für deutsche Kunden produzieren lässt.
An Standortpatriotismus fehlt es allerdings auch der US-Firma Nike: Ihre Schuhe stammten 2023 überwiegend aus Vietnam (50 Prozent), Indonesien (27 Prozent) und China (18 Prozent).