AfD-Proteste: Risiko durch einseitige Kampagnen
Eine gegen die AfD eng geführte Kampagne befördert am Ende rechte Politik. Wer nicht über Militarismus, Geschichtsklitterung und Autoritarismus reden will, wird den Kampf gegen die AfD verlieren.
Die Protestwelle gegen die AfD ist abgeflaut, aber nicht ganz versandet. Jetzt denken verschiedene linksliberale Gruppen darüber nach, wie neuer Schwung in die Proteste gegen die ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD) gebracht werden kann. Ganz vorn mit dabei ist das Kampagnennetzwerk Campact, das sich den Kampf gegen die AfD schon länger auf die Fahne geschrieben hat.
Campact Geschäftsführer Christoph Bautz macht sich in einem Interview in der taz denn auch Gedanken darüber, wie nachhaltigere Proteste ausschauen können. Und natürlich sieht er Erfolge im Kampf gegen die AfD, auch wenn der Druck nachgelassen hat.
Es ist klar, dass man nicht über einen langen Zeitraum jeden Tag demonstrieren kann. Aber ich denke schon, dass bei vielen was in Bewegung gekommen ist und wir nachhaltige Erfolge erzielt haben. Zum Beispiel, dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD keine Finanzmittel der öffentlichen Hand bekommt. Oder dass das rechte Compact-Magazin bei sämtlichen Bahnhofskiosken ausgelistet wurde.
Christoph Bautz, taz
Nur leicht rückläufige AfD-Umfragewerte
Es ist bemerkenswert, dass Bautz die im Vergleich zum Dezember nur leicht rückläufigen Umfragewerte für die AfD nicht an erster Stelle erwähnt. Interessant ist auch, was Bautz als Erfolgsgeheimnis für erfolgreiche Proteste gegen die AFD nennt:
Zentral dafür ist, dass wir uns als geeinte Demokrat*innen den Rechtsextremen entgegenstellen und die Proteste nicht mit anderen Themen überladen, damit sie in der Breite der Bevölkerung anschlussfähig bleiben.
Christoph Bautz, taz
Das heißt konkret, dass möglich kein kritisches Wort über die Politik der übrigen Parteien fallen soll. Es soll nicht darüber gesprochen werden, dass diese vor allem in der Flüchtlings- und Migrationspolitik immer wieder beweisen, dass man die AfD gar nicht braucht, um rechte Politik zu machen. Und schon gar nicht soll der deutsche Militarismus benannt werden, der auch als die Hofreiter-Strack-Zimmermann-Linie bezeichnet werden könnte.
Die Hofreiter-Strack-Zimmermann Linie
Wie es aussieht, wenn man sich vollständig auf den Protest gegen die AFD beschränkt, hat sich beim Protest gegen den Parteitag der AfD-Niedersachsen in Unterlüß gezeigt. Da wird zwar skandalisiert, dass sich die AfD in einer Stadt trifft, in dem in der NS-Zeit Zwangsarbeiter leben mussten.
Unerwähnt bleibt jedoch, dass es der Rüstungskonzern Rheinmetall war, der hier von den Zwangsarbeitern profitierte.
Es waren Antimilitaristen der Initiative "Rheinmetall Entwaffnen", die 2018 und 2019 mit Camps in Unterlüß auf die Zwangsarbeit während der Nazizeit bei Rheinmetall hingewiesen hatten.
In den Camps wurde auch die bis heute kaum aufgearbeitete Zwangsarbeit im KZ-Außenlager Unterlüß ("Tannenberg"), vier Kilometer vom Rheinmetallwerk entfernt, thematisiert. Unter den Opfern waren auch etwa 900 Jüdinnen aus Osteuropa. In den letzten Kriegstagen, nachdem die SS schon geflohen war, wurden sie vom Volkssturm ins KZ Bergen Belsen gebracht, wo viele von ihnen noch starben.
Gegen die AfD aber für Aufrüstung …
Sich gegen den neuen Militarismus zu wenden, ist keine taktische Frage.
Campact äußert ganz allgemein wenig Kritik an rot-grüner Kriegspolitik und schweigt deshalb auch zur Linie Hofreiter-Strack-Zimmermann. Damit wird der neue deutsche Militarismus rehabilitiert. Welche Rolle die Medien dabei spielen, zeigt eine neue Studie der Informationsstelle Antimilitarismus zur Verschiebung des Diskurses über die Rheinmetall AG.
Rheinmetall wird seit dem Februar 2022 eine Bühne geboten, um als politischer Akteur das Tagesgeschehen und den Diskurs um die aktuelle Aufrüstungspolitik mit zu beeinflussen. Vorher war Rheinmetall hingegen vor allem durch Kritik und Skandale um Rüstungsexporte in Kriegsregionen in den Schlagzeilen vertreten.
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Bei dieser Veränderung im gesellschaftlichen Diskurs spielen nicht nur politischer Wille und wirtschaftliche Macht eine Rolle. Auch die mediale Berichterstattung in ihrer Funktion zur Bildung einer öffentlichen Meinung muss eingehend untersucht werden.
… und Vaterland?
Wer bei einer Demonstration gegen die AFD in Unterlüß über den Rheinmetall-Konzern und dessen Agieren von der NS-Zeit bis heute schweigt, unterstützt nicht antifaschistische Politik. Er sorgt im Gegenteil dafür, dass die rechte Politik der anderen Parteien nicht kritisiert wird. Daher ist es besonders fatal, wenn beim Protest gegen den AfD-Parteitag in Unterlüß, nicht auch gegen Rheinmetall demonstriert wird.
Da ist es dann nur noch ein kleiner Schritt, wenn AfD-Gegner der rechten Partei Vaterlandsverrat und mangelnden Patriotismus vorwerfen. Das hört man aktuell nicht nur von der Union, sondern auch von vorgeblich antifaschistischer Seite. Aufhänger für diesen Spin ist die Verhaftung eines Mitarbeiters des AFD-Spitzenkandidaten zur Europawahl wegen angeblicher Spionage für China.
Es gibt ja wahrlich an der AfD genug zu kritisieren. Aber Vorwürfe wie Vaterlandsverrat und mangelnden Patriotismus sind überflüssig. Wer mit so gegen die AfD agiert, muss sich fragen, wie er oder sie sich überhaupt noch von ihr unterscheidet. Linke haben kein Vaterland, und ihnen müsste Patriotismus ein Gräuel sein.
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