AfD muss mit neuer Konkurrenz rechnen – oder winkt ihr ein Koalitionspartner?
Christdemokraten wollen Ex-Geheimdienstchef Maaßen loswerden. Vielleicht kommt er dem Rausschmiss aber zuvor. Werteunion berät über Plan B.
Vor etwas über fünf Jahren war er noch Deutschlands oberster Verfassungsschützer – inzwischen ist er nach Meinung prominenter CDU-Mitglieder zu weit oder zu offen nach rechts gerückt: Gegen Hans-Georg Maaßen läuft ein Ausschlussverfahren bei den Christdemokraten. Seinem Rausschmiss könnte er nun aber zuvorkommen.
Als Vorsitzender des Vereins Werteunion, der laut Selbstdarstellung den "konservativen Markenkern" der Unionsparteien vertritt, hat Maaßen bereits einen Plan B: In einer Mitgliederversammlung am 20. Januar soll der Verein über die Gründung einer eigenen Partei entscheiden.
"Sofern die Mitgliederversammlung diesen weitreichenden Änderungen zustimmen wird, wäre dies der erste Schritt zu einer Abspaltung der Werteunion von CDU und CSU", schrieb der Ex-Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz der Nachrichtenagentur dpa.
Maaßen strebt "Politikwende in Deutschland" an
"Die Partei könnte bereits bei den anstehenden ostdeutschen Landtagswahlen antreten und würde mit allen Parteien zusammenarbeiten, die diese Programmatik unterstützen und die zu einer Politikwende in Deutschland bereit sind", wird Maaßen weiter zitiert. Neue Landtage werden in diesem Jahr in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt.
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Maaßens "Konservatismus" geht sehr viel weiter als der bürgerlicher Demokraten: Für den Ex-Geheimdienstchef hat das Unheil des "Linksextremismus" schon mit den Werten der Französischen Revolution angefangen.
Dies stellte Maaßen in einem Interview mit dem neurechten Freilich-Magazin klar, das Ende August veröffentlicht wurde. Viele Geisteswissenschaftler hätten sich schon vor 1789 "in einer ganz negativen Entwicklung verfangen", hatte Maaßen seinerzeit erklärt.
Man versuchte seitens der Geisteswissenschaften, naturwissenschaftliche Methoden eins zu eins zu übernehmen und glaubte, damit Menschen und Gesellschaften nicht nur konstruktivistisch abzubilden, sondern auch zu gestalten. Das hat zur Entwicklung irrsinniger Ideologien geführt. Die erste Blüte dieser realitätsfremden Ideologien führte zur blutigen Französischen Revolution, danach folgten ähnliche konstruktivistische 'Ismen', wie Kommunismus und Nationalsozialismus.
Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV)
Gleichsetzung ohne Äquidistanz
Allerdings hat er in vielen anderen Aussagen klargestellt, dass seine hier anklingende Gleichsetzung von "Links- und Rechtsextremismus" keineswegs für Äquidistanz steht. Der Feind steht für ihn ganz klar links. Auch in jenem Interview beschrieb er "Linksextremismus" als größte Gefahr – und ein Linksextremist ist in seinen Augen zum Beispiel Thüringens aktueller Ministerpräsident Bodo Ramelow.
Deshalb hatte Maaßen 2020 auch das Manöver für richtig gehalten, Ramelows Wiederwahl mit den Stimmen von Union, AfD und FDP zu verhindern.
Namhafte Bundespolitiker der CDU, auch die damalige Kanzlerin Angela Merkel, sahen darin aber einen solchen Tabubruch, dass es nach klaren Ansagen in Thüringen zu einer Regierungskrise kam – der auf diesem Weg zum Landesvater gewählte FDP-Mann Thomas Kemmerich trat kurz darauf zurück.
Nach Maaßens Meinung hätte das nicht sein müssen: "Hauptsache, die Sozialisten sind weg", hatte er seinerzeit dem Tagesspiegel gesagt.
Vorwurf: "Konspiration mit der AfD"
Sowohl Bundestagsabgeordnete von Ramelows Partei Die Linke als auch Grünen-Politker halten mittlerweile einen Untersuchungsausschuss zu Maaßens Amtsführung als Chef des Inlandsgeheimdienstes für eine gute Idee.
Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, hat mittlerweile gefordert, das für Nachrichtendienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium solle prüfen, "ob es konkrete Hinweise auf Geheimnisverrat durch Maaßen oder eine andere Form der Konspiration mit der AfD in seiner Amtszeit gegeben hat".
Nun könnte Maaßen bald mit der AfD um Stimmen konkurrieren – seine mögliche neue Partei könnte dann aber auch vorerst die einzige sein, die bereit wäre, mit der AfD zu koalieren. Falls es überhaupt eine ausreichend große Zielgruppe zwischen denen von CDU und AfD gibt, um mit deren Stimmen über fünf Prozent zu kommen.