Afghanistan und Irak: Abzug vor dem Abzug?
Donald Trump reduziert die US-Truppen in den beiden "ewigen Kriegsgebieten" deutlich, schickt aber nicht alle Soldaten nach Hause
When you're wounded and left on Afghanistan's plains,
And the women come out to cut up what remains,
Jest roll to your rifle and blow out your brains
An' go to your Gawd like a soldier.
Zwischen 2001 und heute starben in Afghanistan 2.354 US-Soldaten, im Irak waren es 4.572. Nun hat US-Präsident Donald Trump angeordnet, die amerikanischen Truppen in Afghanistan und im Irak bis zum 15. Januar von jetzt etwa 4.500 und 3.000 auf jeweils ungefähr 2.500 zu verringern. Damit nähert er sich einem seiner Wahlversprechen von 2016 an. Kurz vorher entließ Trump Verteidigungsminister Mark Esper und ersetzte ihn durch den Geschäftsführer Christopher Miller, der die Entscheidung gestern verkündete. Leitender Berater des geschäftsführenden Verteidigungsministers wurde der dezidierte Afghanistan- und Irakkriegsgegner Douglas Macgregor.
Noch keine Kapitulation im Kampf ums Weiße Haus
Der Abzug der US-Soldaten erfolgt möglicherweise kurz vor dem Abzug des amtierenden US-Präsidenten, der am 20. Januar 2021 das Weiße Haus räumen muss, wenn die Gerichte seinen Klagen gegen Auffälligkeiten bei der Wahl nicht stattgeben. Den Kampf darum hat Trump noch nicht aufgegeben, wie er gestern auf Twitter deutlich machte. Chris Krebs, der für die Sicherheit der Wahl auf Bundesebene verantwortliche Leiter der Agentur für Cyber- und Infrastruktursicherheit (CISA), wurde gestern von ihm gefeuert, nachdem der ehemalige Microsoft-Angestellte verlautbart hatte, es gebe "keine Belege dafür, dass ein Abstimmungssystem Stimmen gelöscht, verändert oder auf irgendwelche Weise gefährdet" hätte. Sein Chef ist der Ansicht, dass es in Bundesstaaten, die die Software Dominion und Scytl verwendeten, Hinweise darauf gibt.
Miller zufolge will der Präsident mit der Truppenverringerung "die Kriege in Afghanistan und im Irak zu einem erfolgreichen und verantwortungsvollen Abschluss bringen und unsere mutigen Soldaten zurück nach Hause holen". Die verbleibenden jeweils 2.500 Militärangehörigen sollen dem Nationalen Sicherheitsberater Robert O'Brien nach amerikanische Diplomaten und "Angehörige anderer US-Behörden" schützen, die in den beiden Ländern "wichtige Arbeit leisten". Trump hoffe aber, dass auch sie bis zum Mai wieder in der Heimat sind.
"Beziehungen mit standhaften Partnern"
Aus den Reihen der US-Parteien äußerten sich sowohl Demokraten als auch Republikaner negativ über den Truppenabzug. Senatsmehrheitsführer Mitch McConnell meinte mit einer Baseballmetapher, Terroristen würden nur darauf warten, dass die Amerikaner "den Ball aufklauben und nach Hause gehen", Jack Reed sprach von "der US-Sicherheit und den Beziehungen mit standhaften Partnern" als "Todesopfer von Präsident Trumps verwundetem Ego".
Vorher hatte der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gewarnt, der "Preis eines zu frühen oder unkoordinierten Abzugs" könne "sehr hoch sein", wenn IS-Dschihadisten in Afghanistan "das Terror-Kalifat wieder aufbauen, das sie in Syrien und im Irak verloren haben" und den Hindukusch erneut zu einer "Plattform für internationale Terroristen" machen. In den außeramerikanischen NATO-Ländern liefen davor ebenfalls Vorbereitungen für eine Truppenverringerung (vgl. NATO diskutiert Flucht aus Afghanistan). Seit es so aussieht, dass Joseph Biden im Januar Donald Trump ablöst, gibt das deutsche Bundesverteidigungsministerium dazu aber zurückhaltender Auskunft, wie ein Vergleich von Antwortlänge und Bearbeitungsdauer zweier Anfragen der Linken-Abgeordneten Alexander Neu und Heike Hänsel zeigt. Möglicherweise hat das damit zu tun, dass man unter einem Präsidenten Biden einen Rückzug vom Rückzug nicht ausschließt.
Wahlergebnisse in Afghanistan noch umstrittener als in den USA
Grundlage für den Rückzug ist ein im Februar geschlossener Vertrag zwischen Donald Trumps Afghanistan-Sondergesandten Zalmay Khalilzad und dem Taliban-Vertreter Mullah Abdul Ghani Baradar (vgl. Abkommen in Doha, Wahlchaos in Kabul). Dieser Vertrag sieht vor, dass die Taliban eine Bekämpfung des IS garantieren, sich von ihrem ehemaligen Verbündeten al-Qaida fernhalten und innerafghanische Friedensgespräche führen. Letzteres wurde dadurch erschwert, dass Wahlergebnisse in Afghanistan noch umstrittener sind als in den USA, weshalb US-Außenminister Mike Pompeo im Frühjahr mit der Drohung des Entzugs von US-Steuermitteln einen Kompromiss zwischen den beiden Kandidaten vermitteln musste, die sich in Afghanistan als Wahlsieger sahen.
Nach dem Besuch in Kabul, bei dem er das mitteilte, mahnte Pompeo auf einem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt in Katar den Taliban Baradar zur Einhaltung des Abkommens. Diese Warnung war auch auf Anschläge gemünzt, die trotz des Vertrages weiter geschehen und zu denen sich nun durchwegs der IS bekennt (vgl. Taliban weisen Verantwortung für Massaker an Sikh von sich). Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte führen die Taliban aber weiterhin aus.
In die amerikanische Botschaft im Irak schlugen nach dem Bekanntwerden der Truppenverringerung vier Katjuschas ein, die aus dem schiitischen Ostteil Bagdads kamen. Hier scheint das Raketenabwehrsystem C-RAM dafür gesorgt zu haben, dass keine Amerikaner zu Schaden kamen. Unter den Irakern gab es jedoch vier Verletzte und einen Toten.
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