Alexej Nawalny: Löst sein Tod die Revolution gegen Putin aus?
Oppositioneller in Haft gestorben, Kritiker vermuten Mord. Weltweite Bestürzung. Kreml-Kritiker glauben: Nawalnys Tod könnte Wendepunkt für Russland sein.
Die Nachricht vom Tod des bekanntesten russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny schockiert die Welt. Am Freitagnachmittag hatte die russische Strafvollzugsbehörde (Федеральная служба исполнения наказаний, FSIN) den Tod des Politikers bestätigt.
Der 47-Jährige habe sich bei einem Hofgang in der Strafkolonie am russischen Polarkreis unwohl gefühlt und das Bewusstsein verloren. Herbeigerufene Ärzte hätten ihn nicht mehr retten können, so die offizielle Version.
Russland und der mysteriöse Tod Nawalnys
Der russische Staatssender RT berichtete unter Berufung auf eigene Quellen umgehend, die Todesursache sei ein Thrombus, ein gelöstes Blutgerinnsel gewesen. In den ersten Stunden nach Bekanntwerden der Todesnachricht konnten Nawalnys Mitarbeiter und Anwälte die Berichte aus dem Gefängnis weder bestätigen noch dementieren.
Sein Anwalt Leonid Solowjow sagte zudem, er habe Nawalny zuletzt am 14. Februar gesehen. "Dabei war alles normal", fügte er an. Das soll heißen: Der Putin-Gegner habe keine erkennbaren gesundheitlichen Probleme gehabt.
Dennoch: Anfängliche Zweifel, dass Nawalny tatsächlich tot ist, gibt es nicht mehr Der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitrij Peskow, sagte Reportern, er wisse vom Tod des Oppositionellen. Der Kreml warte nun auf die Ergebnisse einer Untersuchung der Vorkommnisse.
Mordvorwürfe erschüttern Russland: Die Opposition reagiert
Die Reaktion der russischen Opposition auf den Tod von Alexej Nawalny war eindeutig: Putin habe seinen Gegner aus dem Wege räumen lassen, heißt es von dieser Seite.
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"Laut FSIN ist Alexei Nawalny heute in der Strafkolonie gestorben. Das bedeutet, dass Wladimir Putin persönlich die Verantwortung für seinen frühen Tod trägt. Denn er hat zunächst die Giftanschläge auf den Oppositionspolitiker genehmigt und ihn dann inhaftieren lassen. Mein tiefstes Mitgefühl gilt Alexejs Familie und seinen Angehörigen", erklärte der regierungskritische Oligarch Michail Chodorkowski.
Der bekannte Putin-Gegner schlug vor, dass die Russen bei den kommenden Präsidentschaftswahlen den Namen Nawalnys auf die Wahlzettel schreiben – als Zeichen des Protestes.
Ein Politmord in Russland? Experten und Aktivisten äußern sich
Die politische Analystin Jekaterina Schulman glaubt, dass die Oppositionsfigur auch im Gefängnis eine Bedrohung für das Putin-Regime geblieben sei:
Am vergangenen Dienstag habe ich eine Tonaufnahme seiner Stimme aus einem der vielen Prozesse gehört, die ihm aufgezwungen wurden. Diese Aufnahme war am Tag zuvor erstellt worden. Es war die Stimme eines lebhaften, energischen, gesunden Mannes, das kann ich bestätigen. Das heißt, er wurde ermordet. Er wurde ermordet, um den Wahlkampf nicht zu stören. Das ist offensichtlich und ein abscheuliches Verbrechen.
Jekaterina Schulman
Russlands Reaktion: Dementis und Verschwörungstheorien
Der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Boris Nadeschdin versuchte zunächst, die Informationen über Nawalny bei dessen Wahlkampfzentrale zu verifizieren. Er weigerte sich zu glauben, was geschehen sein soll:
Ich bete, dass die Informationen nicht wahr sind. Alexej ist einer der talentiertesten und mutigsten Menschen, die ich in Russland kenne.
Auch Dmitri Muratow, Nobelpreisträger und einer der Herausgeber der regierungskritischen Nowaja Gaseta, glaubt, dass es sich um Mord handelt:
Das ist eine schreckliche Nachricht. Ich bin sicher, dass das Blutgerinnsel (wenn es ein Blutgerinnsel war) eine direkte Folge der mittlerweile 27. Verlegung in eine Shizo-Isolationszelle gewesen ist. Denn Shizo bedeutet: Bewegungslosigkeit, Mangelernährung, Luftmangel, ständige Kälte. Alexei Nawalny wurde drei Jahre lang gefoltert und gequält. Nawalnys Arzt sagten mir: Der Körper hält das nicht aus. Zu Alexei Nawalnys Strafe kommt nun seine Ermordung hinzu. Mein tiefstes Mitgefühl gilt Alexejs Angehörigen: seiner Frau, seinen Kindern, den Eltern und dem Bruder.
Dmitri Muratow
Muratow fügte hinzu, seine Redaktion werde eine eigene Untersuchung durchführen und die notwendigen Dokumente von der Gefängnisverwaltung anfordern.
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Ab Abend des Todestages von Alexej Nawalny jedenfalls ist in Russland eine Diskussion entbrannt: Welche Rolle wird er in der Geschichte des modernen Russlands einnehmen? Und wie wird sein Tod die politische Landschaft verändern?
Alexej Wenediktow, ehemaliger Chefredakteur von Echo Moskwa, einem inzwischen von den Behörden geschlossenen Sender, sieht in dem Tod des Politikers einen enormen Verlust:
Das ist eine entsetzliche Katastrophe für Nawalnys Familie, ein entsetzlicher Verlust für seine Mitarbeiter, für alle, die ihn kannten, für alle, die an ihn geglaubt haben. Ich glaube, es ist auch ein schrecklicher Verlust für ganz Russland, denn Alexej stand für einen konkurrenzfähigen, anderen Weg für unser gemeinsames Land. Alexei Nawalny wird uns allen fehlen, denen, die ihn unterstützt haben und denen, die ihn nicht unterstützt haben.
Alexej Wenediktow
Der Politologe Abbas Galliamow hält dies für eine große menschliche Tragödie, die aber das Ende des Putin-Regimes beschleunigen werde. Die politischen Umstände seien ungünstig für Putin. Galliamow glaubt: "Nawalnys Tod wird die Entstehung einer revolutionären Situation in Russland begünstigen."
Nawalnys Tod: Wendepunkt in der russischen Geschichte?
Offizielle Stellen versuchten, den Kreml von der Verantwortung für den Tod des Politikers freizusprechen. So spekuliert der Sprecher des russischen Parlaments, Wjatscheslaw Wolodin, wer vom Tod Nawalnys profitiert. Es seien "westliche Politiker, die viele Fehler gemacht haben und an ihren Positionen kleben".
Der Kreml-Politologe Sergej Markow indes behauptete, der Verstorbene sei ein Agent westlicher Geheimdienste gewesen. Dennoch habe er keine Chance gehabt, in Russland zu einem populären Politiker zu avancieren.
"Sie haben ihn ausgewählt, weil er zu Beginn seiner politischen Karriere ein sehr charismatischer Mensch und zugleich ein Nationalist war. Und in ihren Lehrbüchern stand, dass ein Protestführer ein prowestlicher Nationalist sein solle", so Markow.
Auch wenn die Rekrutierung Nawalnys gelungen sei, habe dieser keine große Zahl von Anhängern um sich scharen können, die seine Ansichten teilten. So sei das Projekt ins Stocken geraten, Nawalny habe zuletzt keine nennenswerte Anhängerschaft in der Russischen Föderation mehr gehabt.
Solche Narrative haben die Russen aber schon am Freitagabend widerlegt: Nach der Nachricht von Nawalnys Tod legten viele Menschen Blumen zu den Denkmälern für Opfer politischer Repressionen in ganz Russland nieder, oft mit einem Bild Alexej Nawalnys.
Nikita Vasilenko ist ein russischer Journalist im Exil. In Russland kann er nicht mehr arbeiten, weil dort seine Sicherheit gefährdet ist. Er tritt für Meinungsfreiheit ein. Vasilenko hat Politik studiert und war viele Jahre bei Radio Echo tätig, wo er sich mit Politik, Geschichte und Kultur befasste.
Er arbeitete auch für den Youtube-Kanal Zhivoj Gvozd. "Er und mehrere Kollegen mussten das Land verlassen, nachdem sie von der russischen Polizei angesprochen wurden." (Nordisk Journalistcenter)
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