Alexej Nawalny - ein Märtyrer für die Freiheit?

Seite 2: Die Zukunft der russischen Opposition nach Nawalny

Putin und sein engster Kreis wissen wahrscheinlich, wie schwach ihre Herrschaft in Wirklichkeit ist. Das wurde in den wenigen Stunden deutlich, als der Ex-Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin Richtung Moskau zog und es keinen Widerstand gab. Auch Prigoschin überlebte seinen Versuch, die Macht in Moskau herauszufordern, nicht lang.

Die Angst, dass sich die Anhänger Prigoschins und Nawalnys verbinden, die ja unterschiedliche Spielarten des russischen Nationalismus waren, scheint die Machtzirkel in Moskau zu beherrschen. Das zeigt sich noch in der Härte, mit denen kleinste Zeichen von Trauer für Nawalny in verschiedenen russischen Städten unterdrückt werden.

Denn es sind eben nicht nur die klassischen Feindbilder des Putin-Regimes, die da Blumen niederlegen. Es sind auch Soldatenmütter, die nicht generell gegen den Krieg waren, aber die Rekrutierungsmethoden anprangern, mit denen die Menschen in Russland in den Krieg und oft in den Tod gezwungen werden.

Es gibt viele Arten zu töten

Wenn jetzt also russische Bürger im In- und Ausland nach dem Tod von Nawalny auf die Straße gehen, ist das sehr verständlich. Denn auch hier gilt, was schon in den 1970er-Jahren linke Staatskritiker in vielen Ländern so formulierten: Es gibt viele Arten zu töten.

Wenn Menschen in Gefängnissen sterben, muss es nicht immer einen direkten Mordbefehl geben. Es kann auch jemand an den harten Haftbedingungen sterben und somit auf Raten ermordet worden sein. Das kann man im Fall von Nawalny sagen, ohne über die genauen Todesumstände zu spekulieren.

Das macht auch den Unterschied zu Meldungen, die auch in Radio- und Fernsehkommentatoren hört, die aber den Tod Nawalnys gleich wieder politisch instrumentalisiert, um die Rüstungspolitik und damit eigene imperialistische Interessen zu rechtfertigen.

Dafür steht exemplarisch eine Erklärung des Zentrums Liberale Moderne, das von Mitgliedern der Grünen gegründet wurde. Dort wird nicht nur der russische Staat völlig berechtigt für den Tod von Nawalny verantwortlich gemacht, weil er in Gefangenschaft dieses Staats gestorben ist. Dort heißt es vielmehr:

Wann versteht der Westen endlich, dass wir es im Kreml mit einem Mörder zu tun haben, der keinerlei Skrupel kennt? Die Reihe der ermordeten russischen Oppositionellen ist lang. Schon vor 20 Jahren warnte der russische Menschenrechtsanwalt Jurij Schmidt, dass mit Putin "ein neuer Stalin" an die Macht gekommen sei. Gewalt nach innen und nach außen gehen Hand in Hand. Auch deshalb muss die Aggression gegen die Ukraine scheitern. Erst eine Niederlage in der Ukraine öffnet die Chance auf eine demokratische Wende in Russland.

Zentrum Liberale Moderne

Nicht immer werden Mörder in Regierung so klar geächtet

Es wird eben nicht zwischen einem direkten Tötungsbefehl oder Tötung durch Haftbedingungen unterschieden. Und Mörder in Regierungsverantwortung werden längst nicht immer so klar benannt. So wird der saudische Feudalherrscher Kronprinz Mohammed bin Salman längst wieder weltweit umworben, obwohl er persönlich für den Tötungsbefehl des kritischen Journalisten Khashoggi verantwortlich gemacht wird.

Dabei handelt es sich längst nicht um einen Einzelfall. In Ländern des globalen Westens können Herrscher, die blutig gegen die Opposition im Land vorgehen, durchaus auf Verständnis zähen.

Vor 50 Jahren beim Pinochet-Putsch gab es direkte Unterstützung von Geheimdiensten der USA. Auch der Mordfeldzug gegen die linke Opposition in Indonesien vor 60 Jahren fand in vielen Ländern des globalen Westens mehr als nur lobende Worte. Heute wären die Proteste dagegen sicher stärker, weil durch die Medien schneller Detail der Staatsverbrechen bekannt würden.

Doch noch vor einigen Jahren konnte in Ägypten eine islamistische Bewegung auch mittels Mord und Totschlag von der Macht verdrängt werden. Dass der gewählte, aber durch einen Putsch gestürzte Präsident Mohammed Mursi in Haft starb, sorgte zumindest in globalen Westen für wenig Aufregung. Der dafür verantwortliche ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi bekommt Zustimmung vom globalen Westen, weil er angeblich die Stabilität im Land garantiere.

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