Allein unter Männern
China: "Söldnerehen", Frauenraub und überall Prostitution
Auf dem gerade stattfindenden Nationalen Volkskongress blickte Li Weixiong, der Vorsitzende des Ausschusses für Bevölkerungspolitik, Ressourcen und Umwelt in die Zukunft seines Landes und drückte in ungewohnt deutlichen Bildern seine Besorgnis aus.
Bis zum Jahr 2020 soll es in China 40 Millionen mehr Männer als Frauen geben. Ein Land der einsamen Junggesellen. Schuld daran ist uralter Feudalismus und moderne Ultraschallgeräte. Nicht selten ergreifen werdende Eltern die Chance der Früherkennung, um weibliche Embryos abzutreiben; Verbote, die dies verhindern sollen, gibt es, jedoch bewirken sie nicht viel.
Auch der Mord an weiblichen Kindern, ein althergebrachtes Verbrechen, das in den 1950er, 60er und 70er Jahren kaum noch verübt wurde, soll seit den 80er Jahren wieder vorkommen - eine prompte Reaktion auf die "Ein-Kind-Politik". Hinzu kommen Mädchen, die vernachlässigt werden, bis sie sterben, die nicht zum Arzt gebracht werden, wenn sie krank sind, die zur Adoption freigegeben werden, um in so genannten "Dying Rooms" zu landen und Mädchen, die nicht registriert wurden und deswegen niemals eine legale Existenz haben werden. Dass Mädchen ebenso gut sind wie Jungen, das mag im Zuge einer gewissen Liberalisierung auf ein paar Webeplakate geschrieben werden, die man hier und da aufhängt - jedoch, wer würde glauben, wenn er lesen würde: "Ohne Rente ist es genauso gut wie mit Rente". Ein Sohn, das bedeutet in China traditionell Altersversorgung.
So ungelitten weibliche Kinder sind, Frauen sind schon jetzt begehrte und dementsprechend ausgebeutete Mangelware. Frauenhandel, Prostitution und Geldheiraten blühen, der Weg zum Herz einer modernen Chinesin, so der Guardian, erfordere eine geräumige Wohnung und ein gesichertes Einkommen. Etwa so: Ein Heiratswilliger gibt eine Annonce auf. Beigefügt ist ein Foto - seines Badezimmers. Reichere Männer "kaufen" schon mal außerhalb der Grenzen ein. So gibt es beispielsweise Berichte über Frauen, die in Vietnam entführt werden, um in China verkauft zu werden. Ärmere besorgen sich Frauen, die von illegalen Händlern verschleppt werden. Geht man von internationalen Durchschnittszahlen aus, liegt das Geschlechterverhältnis bei den Neugeborenen zwischen 105 und 107 Jungen pro 100 Mädchen im Alter von 0 bis 1 Jahren. So war das auch noch, bis China mit der Ein-Kind-Politik zu Beginn der 80er Jahre anfing. 1982 war das Verhältnis noch zwischen 100 und 108 Jungen pro 100 Mädchen, 1990 waren es schon 111 und im Jahr 2002 bereits bei 117. In den Provinzen Hainan und Guangdong liegt das Verhältnis bereits bei 100 zu 130.
Die Ein-Kind-Politik soll, so Peking, um jeden Preis, trotz der enormen sozialen Kosten weitergeführt werden, um die Bevölkerungsexplosion weiter zu dämmen. Kein Wunder, dass das erste Präparat einer Pille für den Mann aus China kommen soll, wo schon eine Studie mit 1000 Paaren begonnen hat, die ein Testosteron-Präparat gespritzt bekommen. 2006 soll es soweit sein.
Das Ziel: 2050 sollen weniger als 1,6 Milliarden Menschen im Bambusland leben. Rund 120 Millionen Chinesen leiden nach offiziellen Zahlen Hunger. Zumindest in den Städten ist das Ziel weitgehend erreicht worden. 2002 betrug hier die durchschnittliche Größe der Haushalte 3,02 Personen. In Peking und Shanghai wurden bereits Schulen geschlossen, die Klassen werden immer kleiner. Im Schnitt bringt eine Frau zwei Kinder zur Welt - 1970 waren es sechs.
Gleichzeitig vergreist die chinesische Gesellschaft, was vor allem der steigenden Lebenserwartung geschuldet ist. Bis 2050 sollen 400 Millionen Chinesen über 60 sein; China hätte dann fast so viele alte Menschen wie die Europäische Union Einwohner.