Alles im Fluss
Rassenmischung bringt Freud und Leid - Rot-weiße Beziehungen im Indianerfilm, Teil 2
Teil 1: Nscho-tschi muss leider sterben
Unter den vielen mittelmäßigen, oft auch richtig schlechten Indianerfilmen, die im Windschatten von Broken Arrow entstanden, ragen zwei heraus, die nicht, wie die klassischen Western, nach dem Bürgerkrieg spielen, sondern in der Zeit davor. Damit passen sie nicht in ein vorgegebenes, das Schreiben von Kritiken erleichterndes Muster. Das mag ein Grund dafür sein, dass beide - Across the Wide Missouri (1951) von William Wellman und The Big Sky (1952) von Howard Hawks - bis heute als mindere Werke ihrer Regisseure gelten und ähnlich unterschätzt geblieben sind wie Devil's Doorway von Anthony Mann. Ein anderer Grund dürfte die unkonventionelle Behandlung der "Indianerfrage" sein.
Rendezvous mit Schotten, Franzosen und Indianern
Ermutigt durch den Erfolg von Broken Arrow, brachte die MGM nicht nur Manns Noir-Western doch noch ins Kino; man war dort auch bereit, den Indianern eine weitere Chance zu geben. Also schickte man den Regie-Veteranen William Wellman zu großzügig budgetierten Außenaufnahmen in den Nordwesten der USA. Weil die Fox mit Authentizität gepunktet hatte, mit historischen Figuren wie Tom Jeffords und mit echten (oder echt wirkenden) indianischen Gebräuchen, wollte die MGM das auch so haben. Als Drehbuchvorlage diente das 1947 erschienene Werk Across the Wide Missouri von Bernard DeVoto. Der Flint Mitchell (Clark Gable) des Films ist ein Konglomerat aus der historischen Figur und anderen Mountain Men, über die DeVoto berichtet. Ob man bei der MGM wirklich glaubte, dass der unberechenbare Wellman das abliefern würde, was von ihm erwartet wurde, ist unbekannt. Jedenfalls kam eine lyrische, offenbar in gemächlichem Rhythmus erzählte Geschichte dabei heraus. Genau weiß man das nicht, weil der MGM-Boss Dore Schary den Film erheblich kürzen ließ. Trotzdem ist Across the Wide Missouri auch in der erhaltenen Version noch einer der schönsten Western der 1950er.
Ort der Handlung sind die Rocky Mountains im Gebiet der heutigen Bundesstaaten Idaho und Montana, die, wie man im Film erfährt, damals in den 1830ern noch namenlos waren (Colorado, der deutsche Verleihtitel, ist irreführend). Es beginnt mit dem in jedem Sommer stattfindenden Treffen der Mountain Men und einem babylonischen Sprachgemisch. Die Nicht-Angloamerikaner in diesem Film sagen weder Tarzan-Sätze auf, noch muss man sich (wie in Broken Arrow) dazudenken, dass sie eine eigene Sprache haben, sich hier aber als Dienst am Kinogänger des Englischen bedienen, damit das Publikum sie verstehen kann. Bei Wellman redet jeder, wie er es gelernt hat; die Franzosen genauso wie die Indianer.
Der Rezensent des Branchenblattes Variety beklagte sich erwartungsgemäß darüber, wie furchtbar langweilig das sei, wenn man erst den Indianern beim Absondern unverständlicher Laute zuhören muss, bevor der sprachbegabte Trapper Pierre (Adolphe Menjou mit Vollbart) die Übersetzung nachreicht. Hätte der Mann genauer hingeschaut, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass Wellman die solcherart verlängerten Dialogpassagen mit visuellen Informationen füllt, für die sonst keine Zeit geblieben wäre. Gerade weil doppelt geredet wird, erhält das Sehen einen höheren Stellenwert als das Hören. Einem Film sollte man das nicht vorwerfen. Auch wenn Pierre einmal nicht dabei ist, um zu übersetzen, ist das durchaus zu ertragen. Und wenn Captain Humberstone Lyon aus Schottland vor erstaunten Indianern mit seinem zum weißen Schwarzfuß gewordenen Landsmann Brecan einen schottischen Schwerttanz hinlegt, oder wenn Kamiah versucht, auf der Maultrommel von Clark Gable zu spielen, sagt das ohnehin mehr als tausend Worte.
Kamiah (María Elena Marqués) ist die Enkelin von Bear Ghost, Häuptling und oberster Medizinmann der Blackfeet. Als Kind wurde sie von den Nez Perce geraubt. Flint Mitchell kauft sie deren Häuptling ab (für ein paar Pferde und eine Ritterrüstung). Die Gründe sind rein kommerziell. Flint hat sein ganzes Geld in eine Expedition gesteckt, die ihn und ein paar Dutzend Trapper zur Biberjagd in das Gebiet der Blackfeet führen wird. Mit der sehr selbstbewussten, gar nicht unterwürfigen Enkelin des Medizinmanns verheiratet zu sein (Wellman ist auch der Regisseur des prä-feministischen Western Westward the Women), kann da nur nützen, zumal Ironshirt, der Kriegshäuptling der Schwarzfuß-Indianer, dafür bekannt ist, Eindringlinge sofort umzubringen.
Was als reine Zweckehe beginnt, wird schon in der Hochzeitsnacht viel mehr: Flint tritt die gefährliche Reise als frisch Verliebter an. Kamiah führt ihn und seine Leute auf einer nur den Nez Perce bekannten Route durch das Hochgebirge in das Gebiet der Blackfeet. Nach ersten Scharmützeln mit Ironshirt treffen die Eheleute Kamiahs Großvater. Die Weißen können nun unbehindert Biber jagen. Flint lernt, dass die Blackfeet keine Wilden sind, sondern Menschen mit einer eigenen Kultur. Der Film geht mit dieser Tatsache viel unbefangener um als Broken Arrow, wo die Apachen bei jeder Gelegenheit zeremonielle Tänze aufführen müssen, als lebten sie in einem Museumsdorf. "Die Indianer", schreibt Joe Hembus, "haben ihr Gesicht, ihre Sprache und ihr Recht so selbstverständlich wie in wenigen anderen Western."
Wellman ist wie Flint Mitchell: so zärtlich der Blick des Biberjägers regelmäßig bei seiner indianischen Frau verweilt, so zärtlich verharrt die Kamera auf den Charakteren, wenn sie ein französisches Weihnachtslied singen, sich unterhalten oder ihre Toten betrauern. Weil jeder so genommen wird, wie er ist, gibt es auch nicht die stereotypen Indianerhasser. Einer von den frankokanadischen Trappern überlässt Flint ganz selbstverständlich eine Jagdtrophäe, damit er ein Geschenk für Kamiah daraus machen kann. Wenn derselbe Trapper später Bear Ghost erschießt, geschieht das weniger aus Rassismus als aus Rache (DuNord schießt auf den obersten Repräsentanten der Blackfeet, die seinen Bruder getötet haben, nicht auf den Indianer).
Persönlicher und systematischer Rassismus
Im Frühjahr tritt ein Ereignis ein, das sich damals, Anfang der 1950er, höchstens billige B-Western leisten konnten: Kamiah und Flint bekommen einen Sohn. In einem Western der A-Kategorie wie diesem war das unerhört. Natürlich wird das böse enden, denkt man sich. Das tut es auch, aber nur zum Teil. Nach dem Tod von Bear Ghost leben die Trapper wieder im Belagerungszustand. Als sie die Rückreise antreten, werden sie von Ironshirt überfallen. Kamiah wird von einem Pfeil getroffen. Aber sie stirbt nach der Geburt ihres Sohnes, nicht gleich nach der Hochzeitsnacht wie Sonseeahray - und vorher haben wir viel vom Leben eines sich liebenden Paares gesehen, keine weichgezeichnete, am Rande der Haupthandlung angesiedelte Romanze (Broken Arrow), was die Verlustgefühle intensiviert. In Across the Wide Missouri überwiegt die Trauer und nicht die bittere Erkenntnis, dass so eine Beziehung zwischen einem Weißen und einer Indianerin zum Scheitern verurteilt ist.
Nach den Gesetzen der Filmdramaturgie muss auch Ironshirt sein Leben lassen. Da dem so ist, kommt es darauf an, unter welchen Umständen es geschieht. Ironshirt ist der einzige richtige Rassist im Film. Für ihn ist nur ein toter Weißer ein guter Weißer. Er und seine Leute töten Kamiah aus dem Hinterhalt, weil sie Flint Mitchell geheiratet hat. Das könnte wieder einer der üblichen Kniffe von Drehbuch und Regie sein, eine unerwünschte Figur aus der Filmwelt hinauszuexpedieren. Hier folgt aber ein (sehr ungewöhnlicher) Kampf auf Leben und Tod zwischen Flint und Ironshirt, der auch noch das Kind ermorden will. Der Tod des Rassisten stellt hier nicht den Frieden sicher oder etwas ähnlich Abstraktes, er rettet das Leben des Halbbluts, in dem nichts Minderwertiges und Gefährliches gesehen wird wie in anderen Filmen.
Der Kontakt mit den Indianern ist nicht degenerierend wie so oft in Hollywood-Filmen, er ist bereichernd. Und am Ende reitet der Held auch nicht einsam davon wie in Broken Arrow. Er kehrt vielmehr zurück zu den Blackfeet, um seinen Sohn dort aufzuziehen. In der erhaltenen Version ist es dieser erwachsen gewordene Sohn, der uns die Geschichte erzählt. Damit wird er zur Integrationsfigur, nicht zum Symbol eines unlösbaren Konflikts. Das haben wir kurioserweise dem MGM-Boss zu verdanken, der diesen Off-Kommentar verfügte (wahrscheinlich, weil es in Broken Arrow auch einen gibt). So erfahren wir nun, dass Mitchell jun. die ersten neun Jahre seines Lebens bei den Blackfeet verbrachte, um anschließend eine Schule der Weißen zu besuchen. Ohne den Kommentar würde die Geschichte mit Vater und Sohn enden, die glücklich und zufrieden bei den Indianern leben. Die meisten Indianerfilme der 1950er muss man nicht gesehen haben. Diesen schon.
Man kann solche vor dem Bürgerkrieg angesiedelten Geschichten als Eskapismus deuten, als die Sehnsucht nach einer längst vergangenen Zeit, als die Utopie noch möglich schien. Indem solche Filme in Territorien spielen, die noch nicht zu den USA gehören, kommt aber auch eine politische Dimension ins Spiel. Devil's Doorway macht das deutlich, indem er zwischen der Zeit vor und nach der Aufnahme Wyomings in den Staatenbund unterscheidet. Vorher gibt es individuellen, persönlichen Rassismus. Den gibt es nachher auch. Jetzt ist er aber in einen systemimmanenten Rassismus eingebettet, der sich zum Beispiel in einer indianerfeindlichen Gesetzgebung zeigt.
Filme wie Broken Arrow behaupten das Gegenteil. Das dürfte ein Grund dafür sein, dass sie kommerziell erfolgreicher waren. Von rassistischen Ranchern und Geschäftemachern distanziert man sich leichter als von einem rassistischen System. In Broken Arrow will der ranghöchste Repräsentant des Systems, US-Präsident Grant, das Gute und schickt General Howard nach Tucson, um einen fairen Frieden auszuhandeln. Am Anfang von Drum Beat (1954), auch von Delmer Daves, tritt er sogar persönlich auf. Der Indianerkämpfer Johnny MacKay (Alan Ladd) wird ins Weiße Haus gebeten. Grant beauftragt ihn, auf gewaltfreiem Weg Frieden mit den aufständischen Modocs zu schließen.
Mit im Salon des Präsidenten sitzt bereits die weiße Frau, in die Johnny sich verlieben kann. Das wirkt, als wolle sich der Film versichern, dass er die Annäherung an die Modocs nicht zu weit treibt. Denn Johnnys Jugendfreundin Toby (Marisa Pavan) ist eine Indianerin und will ihn heiraten. Ganz so gewaltfrei, wie vom Präsidenten gewünscht, geht es dann doch nicht zu, weil mit Captain Jack, dem Führer der Aufständischen (Charles Buchinsky, der sich hier erstmals Charles Bronson nennt), nicht zu reden ist. Das friedliche Miteinander von Rot und Weiß wird erst möglich, nachdem Captain Jack aufgehängt wurde und auch die heiratswillige Toby nicht mehr lebt. Dafür kriegt sie aber eine schöne, von ihrem Bruder (ein guter Indianer) organisierte Beisetzung mit viel Folklore.
Delmer Daves war immer sehr stolz darauf, wie genau seine Western recherchiert waren. In Drum Beat geht allerdings ein wenig unter, dass die Modocs 1864, nach Abschluss eines Friedensvertrags, in eine Reservation geschickt wurden. Weil die Regierung ihre Versprechen nicht einhielt und die Indianer langsam verhungern ließ, brach Captain Jack 1870 aus der Reservation aus und kehrte in seine Heimat zurück. Aus dem Dorf, das sie sich gebaut hatten, mussten die Modocs ins Gebirge fliehen, als die Regierung 3000 Soldaten schickte (gegen weniger als 100 Indianer). Zum netten Präsidenten des Films passt das nicht so gut.
Utopie am Snake River
Kehren wir also zurück in die Zeit, als man sich um den Präsidenten noch nicht kümmern musste, weil er nicht zuständig war. The Big Sky erzählt die gleiche Geschichte wie Across the Wide Missouri, mit anderem Transportmittel. Vorlage war der (sehr lesenswerte) Roman von A.B. Guthrie. Jim Deakins und sein Freund Boone Caudill schließen sich im Jahre 1832 einer von "Frenchy" Jourdonnais ausgerüsteten Expedition an, die Boones Onkel Zeb Calloway (mit Arthur Hunnicutt ideal besetzt) in das Gebiet der Schwarzfuß-Indianer (im heutigen Montana) führen soll. Frenchy ist kein Jäger wie Flint Mitchell, sondern Pelzhändler. Er will mit den Blackfeet Handelsbeziehungen anknüpfen. Die Reise beginnt in St. Louis, wird mit dem Boot Mandan zurückgelegt und führt mehr als 2000 Meilen den Missouri und einen seiner Nebenflüsse, den Yellowstone River hinauf. Zur Förderung der Beziehungen ist auch Teal Eye, eine von den Crowe-Indianern (Todfeinde der Blackfeet) verschleppte und von Zeb gerettete Häuptlingstochter, mit an Bord.
In The Big Sky doubelt der Snake River den Missouri. Die Außenaufnahmen fanden im Gebiet des spektakulären Grand Teton National Park in Wyoming statt. Eine wichtige Funktion kommt daher der Landschaft zu, für die mehr Zeit bleibt, weil sich Howard Hawks in seinen Nachkriegsfilmen immer weniger für eine straffe Handlungsführung interessierte. Er erzählte lieber episodisch und mit Szenen, die aus Sicht der konventionellen Hollywood-Dramaturgie verzichtbar scheinen, aber für eine dichtere Atmosphäre sorgen. Zu The Big Sky passte das besonders gut. Rhythmus und Struktur des Films entsprechen einer solchen Reise den Fluss hinauf, in eine unbekannte Region, wo man nie weiß, was einen hinter der nächsten Biegung, beim nächsten Anlegen erwartet.
Die Schurkenrolle fällt dem Monopolkapitalismus zu. Die Pelzgesellschaft, die versucht, den Handel am oberen Missouri zu monopolisieren und dabei über Leichen geht, hat zwei Gesichter (den schnöseligen Chef McMasters und Streak, den Mann fürs Grobe), ist aber im Grunde eine allgegenwärtige Bedrohung, die nur selten aus der Anonymität heraustritt und lieber im Hintergrund bleibt, während andere die Drecksarbeit erledigen. Die lange friedlichen Crowes greifen die Mandan an, weil Streak sie aufgehetzt hat. Hawks hatte da einen Einfall, der John Ford zu einer viel gerühmten Szene in The Searchers (1956) inspirierte: Die Mandan hält sich in der Mitte des Flusses. Am Ufer reitet die Prozession der Crowes auf gleicher Höhe mit dem Boot und gibt den Weißen, auf eine Gelegenheit zur Attacke wartend, das unheimliche Geleit.
Das ist kein schlechtes Bild für zwei Parallelgesellschaften. Es könnte auch aus einem Horrorfilm stammen. Die Indianer wären dann die Doppelgänger der Weißen; eine Projektionsfläche für deren Ängste und für das, was diese an sich selbst bedrohlich finden. Mit solch subversiven, ganz unaufdringlich daherkommenden Botschaften muss man bei Hawks immer rechnen. Das beliebte Klischee vom betrunkenen Indianer habe ich schon erwähnt. In The Big Sky gibt es den Schwarzfuß Poordevil, der immer Whiskey will und dafür von der Häuptlingstochter scharf zurechtgewiesen wird, weil das würdelos sei. In anderen Filmen wäre Poordevil mit seinem Alkoholbedürfnis der typische Indianer. In The Big Sky ist er ein geistig zurückgebliebener Mensch und bei den Blackfeet der Außenseiter. Das Alkoholproblem haben die Weißen (der größte Säufer ist der Erzähler, Zeb Calloway). Es fällt nur kaum auf, weil das dauernde Whiskeytrinken gesellschaftlich akzeptiert ist.
In vielen Western ist die Gewalt positiv besetzt. Das gilt vor allem dann, wenn die Kavallerie angeritten kommt, um die Indianer umzubringen, die gerade die Postkutsche überfallen. Delmer Daves (Broken Arrow) ändert im Prinzip nichts an diesem Muster, wenn er die Kavallerie durch die guten Apachen ersetzt, die die bösen Apachen in die Flucht schlagen. In The Big Sky ist das Kämpfen nur eine Etappe auf einer auch spirituellen Reise, die es hinter sich zu bringen gilt. In der Szene, in der Streak und seine Kumpane erschossen werden, kommt kein Hochgefühl darüber auf, dass die Guten gesiegt haben. Kurz vor dem Ziel fährt sich die Mandan im Treibholz fest und ist manövrierunfähig. Wieder tauchen am Ufer die Indianer auf. Aber diesmal sind es die von Teal Eye zu Hilfe geholten Blackfeet. Sie spannen sich mit ihren Pferden vor das Boot, befreien die Mandan aus einer scheinbar ausweglosen Lage, und niemand muss umgebracht werden. Das ist einer der großen utopischen Momente im Western der 1950er.
Elizabeth Threatt als Teal Eye zu engagieren, war ein typischer Hawks-Einfall. Sie hatte einen weißen Vater und eine Cherokee-Indianerin zur Mutter und war ein Model. Bei ihrem ersten Auftritt ist kaum etwas von ihr zu erkennen, weil sie in eine Decke gehüllt ist, aber ihr auf dem Laufsteg eingeübter Gang reicht völlig aus. Von da an ist klar: das ist keine unterwürfige Squaw, die ihrem Mann das Mokassinleder weich kaut. Hawks mochte starke Frauen, und Teal Eye ist eine davon. Vermutlich hatte er nichts dagegen, dass Kirk Douglas, der eine Affäre mit ihr angefangen hatte, Elizabeth Threatt ermunterte, den einem Star wie ihr gebührenden Respekt einzufordern. Danach trug sie den Kopf noch höher. Ihre Wirkung kann man daran ablesen, dass oft geschrieben wird, Teal Eye sei eine indianische Prinzessin.
An der Besetzung der männlichen Hauptrollen mit Kirk Douglas (Jim Deakins) und Dewey Martin (Boone Caudill) ist schon viel herumgemäkelt worden. Man kann kaum anders, als der verpassten Gelegenheit nachzutrauern, wenn man liest, dass John Wayne (unabkömmlich) und Robert Mitchum (von Howard Hughes, damals Eigentümer der Produktionsfirma RKO, nicht freigegeben) im Gespräch gewesen waren. Trotzdem frage ich mich, ob die Quengelei nicht auch mit der ungewöhnlichen Figurenkonstellation zu tun hat. Die schöne Indianerin müsste Jims Liebe erwidern, weil er vom Star Kirk Douglas gespielt wird. Aber Teal Eye zieht ihm Boone Caudill vor, obwohl Dewey Martin ein Unbekannter war und es nie zum echten Star brachte. Das ist ein Affront gegen die Hollywood-Regeln.
Boone ist der einzige Indianerhasser im Film. Symbolisiert wird das durch den Skalp eines Blackfoot-Kriegers, der angeblich seinen älteren Bruder umgebracht hat und dafür von Onkel Zeb getötet wurde. Boone hütet diesen Skalp wie einen Schatz. Aber die Geschichte hat Zeb erfunden, um die banale Wirklichkeit (der Bruder ist ins Wasser gefallen und ertrunken, weil er nicht schwimmen konnte) zu dramatisieren. Mit Hawks'scher Beiläufigkeit erfährt man dabei noch, dass die Weißen mit Indianerskalpen handeln. Der einzige Schwarzfuß, der einen Feind skalpiert, ist Poordevil; er ist auch der einzige, der schon Kontakt zur "zivilisierten Welt" hatte.
Boone erfährt nie, wie es tatsächlich war. Doch am Ende verbrennt er den Skalp - als äußeres Zeichen eines inneren Reifeprozesses, der schließlich dazu führt, dass er bei Teal Eye und den Blackfeet bleibt, während Jim, Zeb, Frenchy und die anderen zurück nach St. Louis fahren. Die Zensoren stellten sich lange quer, weil sie die Hochzeitsnacht verhindern wollten. Erlaubt wurde schließlich, dass Boone Teal Eye ein Messer reicht, mit dem diese symbolisch den Lederriemen durchschneidet, der die Verschlussklappe ihres Wigwams fixiert. Nach einem Stück Schwarzfilm (als Zeichen des Geschlechtsverkehrs) ruft ein Indianer zum allgemeinen Jubelfest. Ob das so war, wie es sich die Zensoren vorgestellt hatten, ist nicht überliefert.
Vielleicht war die Beziehung Boones zu Teal Eye 1952 in einer Großproduktion wie dieser überhaupt nur möglich, weil der unbekannte Dewey Martin die Indianerin heiratet und nicht Kirk Douglas, der Star des Films. In einem Western, wo das Töten von Indianern traditionell zur Identitätsbildung der Weißen beitrug, muss dieses Ende trotzdem sehr beunruhigend gewirkt haben. Das mag dazu beigetragen haben, dass The Big Sky hinter den kommerziellen Erwartungen zurückblieb. Man ist auf Vermutungen angewiesen, weil kaum darüber gesprochen wurde, dass eigentlich nur der Indianerfilm ein guter Indianerfilm war, in dem die Heldin getötet wird. Schuld daran waren weiße Verbrecher und böse Rothäute, nicht aber die Macher solcher Filme, die sich die Handlung ausgedacht hatten.
Nach elf Kassenschlagern in 13 Jahren war The Big Sky der erste Hawks-Film seit den 1930ern, der in den USA deutlich unter zwei Millionen Dollar einspielte. Anfangs lief noch eine 138-Minuten-Fassung. Aber nach einigen Wochen beschloss die RKO, 16 Minuten herauszuschneiden. In Deutschland war es noch schlimmer. Hier lief der Film unter blöden Verleihtiteln wie Das Geheimnis der Indianerin oder Flußpiraten am Missouri. Zunächst wollte man dem deutschen Publikum nur eine 87-minütige Version zumuten, die später auf 95 Minuten verlängert wurde. Die Studiofassung (122 Minuten) wurde 1971 erstmals im Fernsehen gezeigt.
Inzwischen ist auch die Langfassung wieder aufgetaucht - leider stark ramponiert und mit einst von der RKO entfernten Teilen, die nur auf 16 mm erhalten sind. Man kann jetzt also sehen, was das Studio für verzichtbar oder störend hielt. Der Hinweis am Anfang, dass es sich um eine Reise in paradiesische Gefilde handelt, gehört ebenso dazu wie einige Szenen, mit denen die Dreierbeziehung zwischen Jim, Boone und Teal Eye genauer charakterisiert wird. Der zeremonielle Tanz, mit dem die Blackfeet Teal Eyes Heirat feiern, durfte bleiben. Solche musealen Trachtenvereins-Aufführungen gehörten zum Indianerklischee. Entfernt wurde das Tanzvergnügen, das nur aus Spaß an der Freud' veranstaltet wird und das so ungewöhnlich ist, dass es sogar der Blackfeet-Kenner Zeb Calloway nicht erklären kann. Tanzen aus purer Lebensfreude, sowas machten Film-Indianer nicht. Sie waren entweder wilde Bestien (Geronimo) oder edle Wilde (Cochise), die würdevoll dem eigenen Untergang entgegenblickten - aber bitte keine Spaßgesellschaft mit Fortpflanzungsgelüsten.
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