Allianz zwischen AfD und FPÖ: Die Sorge wächst auch in Österreich

Protest gegen ÖVP-FPÖ-Koalition 2017. Bild: C.Stadler/Bwag, CC BY-SA 4.0

Demos in Deutschland gegen Rechts, Österreich bleibt ruhig. Dort betont man Differenzen zwischen AfD und FPÖ. Aber stimmt das? Ein Zwischenruf aus Wien.

In Deutschland sind am gestrigen Samstag und heutigen Sonntag wieder zehntausende Menschen gegen Rechtsextreme auf die Straße gegangen, während die AfD in den Umfragen immer neue Höchstwerte erreicht.

Proteste gegen Rechtsextremismus in Deutschland

In einem Wiener Gymnasium mit hohem Migrantenanteil diskutierte die Unterstufe dieser Tage auf dem Pausenhof indes darüber, ob die AfD alle ausländischen Kinder aus den deutschen Schulen entfernen wolle. Für einen Moment ist sich die Gruppe Heranwachsender nicht sicher, ob es auch eine positive Entwicklung sein könnte, nicht zur Schule gehen zu müssen. Der Schulstress hat die Kinder schon zu sehr im Griff.

Die angekündigte Massendeportation finden aber alle falsch. Wenn jemand vor 2.000 Jahren nach Österreich eingewandert ist, meint ein Schüler, muss er dann auch das Land verlassen? Laut dem Vordenker der Rechtsextremen Martin Sellner und Co. wohl schon, wenn die "Ethnie" nicht passt.

Rechte Ideologien und Assimilationsfragen

Ein Kriterium, wie lange jemand im Land sein muss, um dazuzugehören, gibt es bei den Rechten nicht. Wer jüdische Mitbürger fragt, kann sich bestätigen lassen, dass der Zeitrahmen für Assimilation bei den Rechten wirklich sehr weit gesteckt ist.

Eigentlich ist es, wenn auch unausgesprochen, allen klar: Juden, Muslime, Sinti, Roma oder allgemein Menschen mit dunkler Hautfarbe werden einfach nie dazugehören. Die Ereignisse in Potsdam, wo österreichische und deutsche Rechtsextremisten Remigrationskonzepte durchgekaut haben, sind derzeit ein Skandal.

Jugend und Rechtsextremismus: Ein wachsendes Problem

Und das ist auch gut so. Wer aber ein Gespräch auf einem Wiener Pausenhof belauscht, muss sich fragen, wie tief das rechte Gift bereits in die Jugend eingedrungen ist.

Machen sich Kinder, denen unterstellt wird, ihr "Blut" entspreche nicht dem der österreichischen Mehrheitsbevölkerung, schon Sorgen, dass sie ihrem Leben oder gar ihren Familien entrissen werden könnten? Und vor allem: Ist diese Sorge in Österreich noch angemessen oder hat man sich dank der FPÖ schon zu sehr an gewisse rechte Deutungsmuster gewöhnt?

FPÖ und AfD: Ein Vergleich

Liberale österreichische Medien betonen in Berichten und Kommentaren zwar deutlich, dass sich die FPÖ nicht vollständig vom Potsdamer "Masterplan zur Deportation" distanzieren kann. Gleichzeitig betonen sie aber, dass die AfD ungleich radikaler sei als die FPÖ.

Nach Belegen für die Verflechtung der FPÖ mit der extremen Rechten muss man nicht lange suchen. Im Internet gibt es seit den Anti-Corona-Demonstrationen ein Magazin mit dem wohlfeilen Namen Heimatkurier.

Die Verflechtung der FPÖ mit Rechtsextremismus

Es bietet thematisch eine breite Palette von Brauntönen. Viel "Bevölkerungsaustausch" – "die Juden", heißt es dann, schickten uns jetzt "die Moslems", um "unsere Kultur zu zerstören". Hinzu kommen erstaunliche Zahlen: "300 Millionen Asylanten kommen" und auch echte Aufregergeschichten über Afghanen, die sich auf Bahngleisen onanierten. Will man so was lesen? Eine wie auch immer geartete Erregung scheint das bei Rechten zu provozieren.

Was soll man als denkender Mensch zu den Aussagen des Heimatkuriers noch groß sagen? Wer so argumentiert, ist an einem demokratischen Diskursangebot nicht mehr interessiert. Die Publikation wird offensichtlich von Identitären betrieben. Die FPÖ unter Herbert Kickl hat hier keine Berührungsängste mehr. FPÖ-Spitzenpolitiker geben dem Heimatkurier Interviews und die Partei schaltet Werbebanner.

Die Herausforderung der politischen Abgrenzung

Warum fällt die Abgrenzung so schwer? Weil es die Partei unmöglich macht, nicht als rechtsextrem wahrgenommen zu werden. Doch welche Folgen hat das in Österreich? Liberale Kommentatoren trösten sich damit, dass die FPÖ, von einigen Ausreißern abgesehen, zumindest weitgehend rechts steht. Tatsächlich betreibt die österreichische Rechte keinen Sturm auf die Institutionen.

FPÖ im österreichischen Parlamentarismus

Die Freiheitlichen sitzen in drei österreichischen Landtagen, und wenn die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) nach den Nationalratswahlen im Herbst ihre Abgrenzung zur FPÖ nicht durchhält – es wäre nicht das erste Mal –, dann säße die FPÖ bald auch in der österreichischen Bundesregierung.

Wird sie sich dann noch an die Verfassung und das geltende Recht halten? Sicher. Meistens zumindest, manchmal vielleicht auch nicht. Es ist schließlich die Demokratie selbst, die laut Herbert Kickl vieles möglich macht. Staatsbürgerschaftsgesetze aushebeln und vieles mehr.

Strategien der AfD und der Werteunion

Das kann auch ein Erfolgsmodell für die AfD oder Hans-Georg Maaßens Werteunion sein. Einfach nicht sofort zu radikal auftreten, sondern im Hintergrund stramm rechte Strukturen bereithalten, während in der Öffentlichkeit Diskursverschiebung betrieben wird.

Die Verschiebung des politischen Diskurses

Dass die FPÖ das versucht, steht eigentlich außer Frage. Sie hat bereits sehr erfolgreich einen Rechtsruck in Österreich inszeniert, der das Sagbare immer weiter nach rechts verschoben hat und dem auch die Gesetzgebung gefolgt ist. Unzählige Asylrechtsnovellen belegen dies eindrucksvoll.

In einer Welt, die sich in einer multiplen Krise aus Klimakatastrophen, Kriegen und dysfunktionalem Kapitalismus befindet, ist die Preisfrage, wie weit die Freiheitlichen ihre Macht jenseits des Parlamentarismus verankern können. In Potsdam wurden Ideen gewälzt, wie Wahlen delegitimiert werden können. Nichts deutet darauf hin, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl das falsch findet.

Die Rolle der anderen Parteien gegenüber Rechtsextremismus

Was die anderen Parteien betrifft, gilt in Österreich wie in Deutschland: Der Empörung folgt meist das nächste Einknicken. Kampf gegen Rechts heißt meist nur, den Demonstranten von der Tribüne aus zuzujubeln und rhythmisch zu klatschen, aber nicht, Gesetze zu erlassen, die das Zusammenleben wirklich verbessern.

Das würde bedeuten, den Menschen, die in Deutschland oder Österreich eine neue – Achtung Buzzword – "Heimat" gefunden haben, Rechtssicherheit zu geben und energisch für sie einzutreten, indem man zeigt: Ihr gehört zu unserer Gesellschaft!

Integration und soziale Inklusion

Noch ein weiter Weg. Die SPÖ hat unter der damaligen Parteivorsitzenden Rendi-Wagner die Bekämpfung der "illegalen Migration" zum Ziel sozialdemokratischer Politik erklärt. Eine Liste der nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland 1938 illegal eingewanderten Sozialdemokraten hätte vielleicht geholfen, die Formulierung zu überdenken.

Aber nichts dergleichen geschieht. Vielmehr suchen die nominell linken und liberalen Parteien nach Möglichkeiten, mit Verschärfungen und Schikanen rechte Befindlichkeiten zu bedienen. Immer im Hinterkopf: "Unsere Leute" fühlen sich von den Fremden bedroht. So kann der Kampf gegen Rechts nicht gelingen.

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