Als Spanien mit Gewalt die erste europäische Weltmacht wurde

Kampf zwischen Francisco Poras und Kolumbus auf Jamaika, Illustration aus dem Buch Grand Voyages (1596) von Theodor de Bry. Bild: Rawpixel / CC BY-SA 4.0

Vor rund 500 Jahren änderte sich die Weltordnung dramatisch. Europa erschuf mit Kriegen ein neues System. Spanien konnte als erstes Land seinen imperialen Willen durchsetzen. Zur historischen DNA westlicher Vorherrschaft.

Im Rückblick waren um das Jahr 1500 die Anzeichen für eine einschneidende Neuordnung der Welt unübersehbar. Europa hatte begonnen, sich kontinuierlich über die Kontinente auszubreiten.

Dass es sich im späten 18. Jahrhundert als hegemoniale Region des Globus etablieren sollte, konnten die Zeitgenossen aber so nicht voraussehen. Einzig die Kirche mag früh von einem globalen Triumph des Christentums geträumt haben. Am Ende wurde die europäische Vormacht jedoch von weltlichen Kräften durchgesetzt, und die Ursachen dafür haben die historischen Debatten von der traditionellen Universal- bis zur heutigen Globalgeschichte beschäftigt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Monatszeitschrift Welttrends.

Verschiedenste Gründe und ihr komplexes Zusammenspiel wurden angeführt. Tatsache ist, dass die westliche Vorherrschaft immer (auch) mit Gewalt vorangetrieben wurde.

Die erste europäische Macht, die ihre Interessen jenseits der Meere mit militärischen Mitteln durchsetzte, war das von der deutschsprachigen Geschichtsschreibung immer etwas stiefmütterlich behandelte Spanien. Überraschend kam sein Aufstieg nicht. Bis zum Ende des Mittelalters hatten christliche Fürsten die maurische Herrschaft über die Iberische Halbinsel in den Süden abgedrängt und vier Königreiche gegründet: Portugal, Navarra, Kastilien und Aragón.

Mittels Heiratspolitik erfolgten 1479 die Vereinigung von Kastilien und Aragón in Personalunion zu der nun mächtigsten Monarchie Iberiens und 1504 deren Verbindung mit dem Haus Habsburg und damit zum Heiligen Römischen Reich.

Auch wenn die Kaiserkrone 1556 an die österreichische Linie der Habsburger zurückfallen sollte, blieb das dynastische Bündnis bis Ende des 17. Jahrhunderts bestehen. 1492 verleibte sich die kastilisch-aragonesische Monarchie mit Granada die letzte islamische Herrschaft Iberiens ein, 1512 das südliche Navarra und 1580 Portugal.

Mit der Expedition des Kolumbus 1492, der Eroberung Mesoamerikas und des Andenraums in den 20er und 30er Jahren des 16. Jahrhunderts und der Besetzung der Philippinen 1565 wurde Spanien zum ersten maritimen Reich der Weltgeschichte. Im Laufe dieser hier nur grob skizzierten Entwicklung erkämpfte sich Spanien vor allem gegen Frankreich eine im Westen Europas eineinhalb Jahrhunderte bestehende Vormacht.

Aragón hatte schon 1282 den Franzosen Sizilien entrissen und Mitte des 15. Jahrhunderts verdrängte es sie aus dem Königreich Neapel. 1525 fiel das von Frankreich beanspruchte Mailand an Spanien; außerdem eröffneten die spanische Beteiligung am Konflikt um das burgundische Erbe zwischen Amsterdam und Dijon die Kämpfe gegen Anhänger der Reformation zwischen Kursachsen und Amsterdam sowie in den inneren Auseinandersetzungen im Heiligen Römischen Reich neue Fronten, aber bis ins 17. Jahrhundert erfochten die spanischen Truppen auf den europäischen Kriegsschauplätzen regelmäßig große Siege.

Militärische Revolution

Den Kontext dieser Überlegenheit bildete die militärische Revolution der Zeit, die durch den Aufstieg der Feuerwaffen eingeleitet wurde und zu nachhaltigen Änderungen der Kampftaktiken und des Festungsbaus führte. Die spanische Vormacht basierte jedoch nicht auf technologischen Vorteilen. Zuallererst begünstige die staatliche Entwicklung der Monarchie ihre Kriegsführung.

Seit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert waren ihre inneren Verhältnisse weitgehend befriedet und zumindest in Kastilien war die Macht der cortes, der mittelalterlichen Ständevertretung, stark beschnitten, was die Erhebung der für die Armee benötigten Steuermittel erleichterte. Die Wirtschaft florierte, und ab den 1520er-Jahren begannen amerikanische Edelmetalle in die Staatskassen zu fließen.

Die Monarchie überwand aber nie ihren zusammengesetzten Charakter, und die Krone hatte ihre frühabsolutistische Macht über die kastilischen Städte mit der Einzementierung der Steuerprivilegien des Adels und der Kirche erkauft, was langfristig zu ihrer größten Schwäche werden sollte. Aragón weigerte sich zudem standhaft, zu den Projekten der zum Reich wachsenden Monarchie größere Beiträge zu leisten, während es für seinen Kampf gegen Frankreich in Italien die Hilfe Kastiliens beanspruchte.

Auf militärischem Gebiet führten vor allem Innovationen beim Einsatz der neuen Arkebusen und Kanonen die Spanier von Sieg zu Sieg. Schon im 14. Jahrhundert hatten die englischen Langbogenschützen und Schweizer Fußsoldaten gezeigt, dass sie den adeligen Ritterheeren erfolgreich widerstehen konnten und eine allmähliche Aufwertung der Infanterie eingeleitet.

Diese Tendenz entwickelten die Spanier weiter. Nach ersten Rückschlägen ordneten sie an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert ihre Truppen in Süditalien neu, indem sie die Armbrust- durch Arkebusenschützen ersetzten, die leichte Kavallerie zugunsten der Infanterie reduzierten und die Artillerie verstärkten.

Als Organisationsform führten sie die sogenannten Tercios ein, die Pikeniere (Lanzenträger nach Schweizer Vorbild) und Arkebusiere in mit der Zeit wechselnden Proportionen zusammenfassten. Auf dem Schlachtfeld agierten die Tercios in quadratischen, auf allen Seiten von Lanzen starrenden Formationen von circa 2.500 Mann, aus denen heraus die Arkebusiere auf den Gegner feuerten.

Dabei wurden sie von den Pikenieren gegen Angriffe der Kavallerie geschützt. Rückten die Tercios, gedeckt von der eigenen Reiterei und Artillerie, vor, glichen sie beweglichen Festungen, denen schwer standzuhalten war. Der Nachteil der Tercios war ihre Schwerfälligkeit. Zum zügigen Vorrücken oder Umschwenken ohne Aufgabe der geschlossenen Formation brauchte man geübte Soldaten.

Deshalb war es für ihre Schlagkraft essenziell, dass der Kern der spanischen Armee von einer stehenden Truppe aus Berufssoldaten gebildet wurde, die die Krone in ihren verschiedenen Territorien unterhielt. Mit Voranschreiten des 17. Jahrhunderts wurde die Aufrechterhaltung dieser Kriegsmaschinerie immer schwieriger. Spaniens Wirtschaft steckte in der Krise und die Edelmetallströme aus Amerika wurden geringer.

1640 fiel Portugal ab und rebellierte Katalonien, während das bevölkerungs- und ressourcenreichere Frankreich seine inneren Spaltungen überwand und als absolutistisch-zentralistisch organisierte Monarchie die Offensive übernahm. Als militärgeschichtlicher Wendepunkt gilt die Schlacht von Rocroi von 1643, in der die Tercios der flexibleren Schlachtenführung und Feuerkraft der Franzosen nicht standhielten. Im Pyrenäenfrieden von 1659 wurden die neuen Machtverhältnisse festgeschrieben.

Siege gegen Imperien der Indigenen

Die Eroberung Amerikas lässt sich allerdings mit der auf den europäischen Schlachtfeldern bewiesenen Schlagkraft der spanischen Tercios kaum erklären. Dafür waren die Verhältnisse zu verschieden. Die Konquistadoren führten keine königlichen Armeen, sondern kleine, privat organisierte Truppen europäischer Abenteurer, und in Amerika wurden keine Schlachten wie bei Pavia ausgefochten.

Europäische Waffen aus Eisen, Arkebusen und Kanonen sowie die jenseits des Atlantiks unbekannte Kavallerie gaben den Invasoren zweifellos einen Vorteil. Trotzdem mag der Triumph von wenigen Spaniern über die Azteken und Inkas auf den ersten Blick erstaunen. Allerdings war die tausendfache Überlegenheit der indigenen Armeen meist nur eine scheinbare.

Die Führer der Konquistadoren waren im politischen Ränkespiel der europäischen Renaissance sozialisiert und verstanden es schnell, sich die inneren Konflikte der amerikanischen Reiche zunutze zu machen. So kämpften die Spanier bald nicht mehr allein, sondern bildeten die mit rücksichtsloser Zielstrebigkeit handelnde Kerntruppe großer indianischer Heere.

In einer einst viel beachteten – und seither auch viel kritisierten Studie – hat Tzvetan Todorov die These aufgeworfen, dass Hernán Cortés aufgrund seiner europäischen Erfahrungswelt die mesoamerikanischen Verhältnisse einfach schneller verstehen oder zumindest instrumentalisieren konnte, als die Führer der Azteken das umgekehrt vermochten.

Auf dem Schlachtfeld waren die Armeen der indigenen Reiche mit ihren Waffen aus Holz und Stein und ihrer ritualisierten Kriegsführung den Spaniern und den von ihnen gesponnenen Bündnissen jedenfalls nicht gewachsen. Danach blieb die Masse der vom Ackerbau lebenden Bevölkerung dem Zugriff der Eroberer ausgeliefert.

Erhebungen blieben nicht aus, doch stets zeigte sich, dass es unmöglich war, Bauer und Krieger zur gleichen Zeit zu sein. Ein Bauer musste seine Felder bestellen und seine Ernte einbringen, wollte er sich nicht seine Existenzgrundlage entziehen. Diese Zwänge setzten dem bäuerlichen Widerstand saisonale Grenzen.

Zudem boten Dörfer und Felder leichte Angriffsziele. Der Ausweg in die Berge zur Aufnahme einer Guerilla blieb den Ackerbauern weitgehend versperrt, denn das Leben in der Wildnis stellte Anforderungen, denen sie auf die Dauer nicht gewachsen waren. Zusätzlich schwächten die eingeschleppten Krankheiten ihre Widerstandkraft weiter.

So gelang es den Spaniern, die staatenbildenden Agrargesellschaften zwischen dem zentralen Andenraum und dem südlichen Nordamerika innerhalb weniger Jahre zu unterwerfen. Anders war die Lage in Regionen, in denen die Spanier auf Gesellschaften ohne staatliche Organisation trafen, die nur beschränkt Ackerbau betrieben oder als Jäger und Sammler lebten.

Diese meist kleinen Völker erwiesen sich militärisch als ungleich widerstandskräftiger als die Armeen der Azteken oder Inkas. Schon waffentechnisch entpuppten sich die Völker Nordmexikos als höchst unangenehme Gegner. Ihre bevorzugte Waffe, der Bogen, war bei den Spaniern gefürchtet. In manchen Gegenden wurden die Pfeilspitzen zudem noch oft vergiftet.

Die relativ egalitäre Sozialstruktur der Kulturen des Nordens, unter deren Mitgliedern sich kaum Arbeits- und politische Funktionsteilungen entwickelt hatten, sieht man von der Aufgabentrennung zwischen den Geschlechtern ab, förderte die militärische Schlagkraft weiter. Männer waren gleichzeitig Krieger, Jäger und Sammler.

Im Krieg praktizierten sie eine listenreiche, am Endzweck orientierte Guerilla-Taktik. Die politische Zersplitterung dieser Regionen zwang die Spanier schließlich, Dorf für Dorf zu besiegen oder zumindest in ihr Bündnissystem zu integrieren, was die Eroberung des Nordens äußerst langwierig werden ließ.

Die Grenzen der Expansion in Asien

Zum Ende mag ein kurzer Blick auf Asien angebracht sein. Einmal auf den Philippinen etabliert, wurde in Madrid auch über mögliche Eroberungen in China diskutiert. Das reizt zur Frage, wie sich die spanischen Tercios wohl gegen die chinesische Reichsarmee geschlagen hätten.

Möglicherweise hätten sie die eine oder andere Schlacht gewonnen, aber niemals den Krieg. Denn dazu war der technologisch-taktische Vorsprung zu gering, die zahlenmäßige Überlegenheit der Chinesen zu groß. Schließlich haben noch die imperialistischen Mächte des 19. und 20. Jahrhunderts von der Eroberung Chinas Abstand genommen (mit Ausnahme des benachbarten Japans).

Jede Spekulation erübrigt sich jedoch, da die Spanier logistisch gar nicht in der Lage waren, ein starkes Heer in den fernen pazifischen Raum zu entsenden. So wurden sie selbst mit den kleinen islamischen Sultanaten Südostasiens nicht fertig. Ihre Expansion erreichte ihre Grenzen.

Prof. Dr. Bernd Hausberger, geb. 1960, Promotion an der Universität Wien, von 1993 bis 2006 am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin, seit 2006 Professor für lateinamerikanische Geschichte am Colegio de México in Mexiko-Stadt

Zum Weiterlesen:

  • Friedrich Edelmayer (2017): Philipp II.: Biographie eines Weltherrschers. 2. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart
  • John H. Elliott (2006): Empires of the Atlantic World. Britain and Spain in America, 1492-1830. Yale University Press, New Haven/London
  • Bernd Hausberger (2015): Die Verknüpfung der Welt. Mandelbaum, Wien.
  • Notario López, Ignacio u. Iván (2012): The Spanish Tercios. 1536-1704. Osprey, Oxford
  • Stefan Rinke (2019): Conquistadoren und Azteken. Cortés und die Eroberung Mexikos. Beck, München
  • Tzvetan Todorov (1985): Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen. Suhrkamp, Frankfurt