Als die Floppys noch wild blinkten und die Motoren surrten...

Peter Riedlberger

Ein Interview mit Thomas Tempelmann, dem Autor von Fcopy für den C64

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Cachet Xcopy für Amiga, Toast für den Mac, Thomas Mönkemeiers VGA Copy, Ahead Nero, CeQuadrat WinOnCD, VOB Instant CD/DVD, Elaborate Bytes CloneCD und Jörg Schillings CDR Tools für den PC – "Best of Breed"-Kopiersoftware scheint fast ein deutsches Monopol zu sein. Telepolis sprach mit Thomas Tempelmann, der das vielleicht berühmteste Kopierprogramm für den Commodore C64 schrieb: FCopy

Wie kamst du in den frühen 80’ern an Computer?

Thomas Tempelmann: Es ging damit los, dass ich viel Zeit im Quelle-Laden herumhing, wo Computer verkauft wurden und ich an Ihnen herumspielen durfte. Ich lernte dort einen anderen Jungen kennen, der drei Jahre älter war, aber auch noch zur Schule ging. Er hatte herausgefunden, dass man auch als Schüler an die HPs der Universität Oldenburg herankam und nahm mich mit. Er brachte mir auch das Programmieren in BASIC und später Pascal bei. Ich wechselte dann in der 11. Klasse an die einzige Schule in Oldenburg, die einen Computer, nämlich einen CBM 3032 hatte.

Als Benutzerschnittstellen noch verständlich waren...

Wie ist die Entstehungsgeschichte von FCopy?

Thomas Tempelmann: Das ist eine längere Geschichte. Es begann damit, dass dieser erwähnte Freund einen Disassembler für die ROMs des Commodore CBM 3032-Rechners schrieb, der in der Schule stand. Ich fand dann heraus, wie ich die ROMs der Floppys disassemblieren konnte. Ich erinnere mich noch, wie ich die gesamte Steuersoftware der Floppy komplett im Rechenraum ausdruckte und den Packen Papier nach Hause schleppte.

Und damit kamst du dann klar?

Thomas Tempelmann: Nein, nicht sofort. Damals gab’s noch keine Data-Becker-Bücher mit kommentierten ROM-Inhalten. Nichts war dokumentiert. Aber ich hatte andere Freunde, die etwas älter waren und deswegen schon das Geld für Apple II-Computer hatten. Und für den Apple II gab es durchaus Dokumentationen. Daraus lernte ich, wie 8-Bit-Werte in 5 Bits kodiert wurden. Die Commodore-Floppys kodierten ebenfalls die Daten, aber nach einem anderen System. Doch sobald ich die Apple-Methode verstanden hatte, war mir klar, was da im Floppy-ROM geschieht.

Aber diese CBM3000s hatten noch keine 1541, oder?

Thomas Tempelmann: Nein. Aber ich hatte begonnen, in der Computerabteilung des Quelle-Ladens zu jobben. Das gab mir die Mittel, um an einen VC20, eine 1541 und später einen C64 zu kommen. Was ich über die Floppy der CBM3000 gelernt hatte, ließ sich auf die 1541 übertragen.

Wie kamst du darauf, ein Kopierprogramm zu schreiben?

Thomas Tempelmann: Meine Apple-Freunde programmierten bereits an einem größeren Projekt, einer Spiele-Entwicklungsumgebung namens GALA. Ich lernte bei diesem Projekt vor allem die Wichtigkeit von Backups. Es dauerte mindestens 25 Minuten, um mit C64-Bordmitteln eine Diskette zu kopieren. FCopy – das "F" steht für "fast" – brauchte weniger als fünf Minuten.

Von oben nach unten: Unbekannter Panda, Thomas Tempelmann

Trotzdem war FCopy kein kommerzieller Erfolg, oder? Ich erinnere mich, vor langen Jahren im 64’er Magazin von einer Spendenaktion gelesen zu haben...

Thomas Tempelmann: Tja. FCopy I gab ich nur fünf Freunden, die ich schwören ließ, es nicht weiter zu geben. Natürlich verbreitete es sich in Windeseile. FCopy II war die erste kommerzielle Version, die ein kleiner Computerhändler (der hauptsächlich von seiner Videothek lebte), vertrieb. FCopy II hatte keinen Kopierschutz. Ich hab’ mit dem Programm ein paar Hundert Mark verdient, nicht mehr. FCopy III hatte einen Kopierschutz, der nie richtig geknackt wurde. Mit diesem Programm verdiente ich ein paar Tausend Mark. Die höchste Einzelsumme, so circa 3000 Mark, stammte tatsächlich aus dieser Spendenaktion, die der kanadische Journalist Jim Butterfield angeleiert hatte.

... nie richtig geknackt wurde? Was meinst du damit?

Thomas Tempelmann: Natürlich gab es Raubkopien von FCopy III. Aber niemand hat den eigentlichen Kopierschutz geknackt. Da hat einer mit Zusatzhardware den rechten Moment abgepasst, als der Schutz nicht aktiv war, um die Daten auf ein externes Modul zu übertragen. Woher ich das weiß? Der hat sich auch noch vor mir damit gebrüstet! Der eigentliche Kopierschutz blieb ungeknackt. Ich verwendete nämlich die 5-Bit-Enkodierung von Apple. Für eine 1541 ohne meine Software war das völlig unlesbar. Und Apple-Floppys beschleunigten nach außen hin, wie heutige optische Laufwerke. Die konnten mit C64-Disketten nichts anfangen.

Was ich dich immer schon fragen wollte: Bei FCopy galt nichts mehr, was sonst für Floppys galt: Das Formatierungsknattern ertönte, das Licht blinkte asynchron, man musste die Diskette entnehmen, obwohl der Motor weiterlief ... War das Inszenierung, hast du den Controller einfach nicht freigegeben, oder diente das einem Zweck?

Thomas Tempelmann: Das Knattern war notwendig, denn die Floppy konnte nur in die Nullstellung gelangen, indem der Lesekopf so weit bewegt wurde, bis er anschlug. Das Licht ließ sich relativ einfach kontrollieren. Ich habe es, soweit ich mich erinnere, beim Lesen- und Schreiben abwechselnd ein und ausgeschaltet. Das mit dem Motor hatte auch seinen Zweck. Wenn die Spindel bei laufendem Motor aufgedrückt wird, wurde die Diskette besser zentriert.

War FCopy einfach nur schnell oder konnte es auch Kopierschütze kopieren?

Thomas Tempelmann: Eigentlich nur schnell. Aber manche Kopierschütze konnte es doch kopieren: Bevor ein Bereich beschrieben wurde, wurde er in einem ersten Durchgang schnellformatiert. Damit war er unlesbar. Bereiche der Original-Diskette, die unlesbar waren, wurden erst gar nicht geschrieben. Wo also im Original "unlesbar" war, war auch in der Kopie "unlesbar", aber eben ein anderes "unlesbar". Nun gab es aber Kopierschütze, die nur darauf prüften, ob an einer bestimmten Stelle ein unlesbarer Bereich war. Die konnte FCopy natürlich kopieren. Einmal schlug ich einer bekannten Düsseldorfer Firma eine Zusammenarbeit vor, die entrüstet ablehnten, weil meine Kopiersoftware ihre Produkte kopierte. Dabei konnte ich nichts dafür, dass FCopy sie aus Versehen kopierte.

Wie kam es, dass du an Toast mitgeschrieben hast?

Thomas Tempelmann: Das war viele Jahre später, und ich programmierte auf dem Apple. Ein Unternehmer aus Baden-Württemberg kontaktierte mich und bot mir einen Vertrag als freier Mitarbeiter an. Er wollte eine Mac-Brennsoftware aus dem Boden stampfen, von der zwei Dinge feststanden: Sie sollte besser als Toast werden und Nero heißen. Nach einer Weile lebte man sich auseinander: Ich wollte in München bleiben und keinesfalls nach Karlsbad ziehen. Zum Glück stieß ich zufällig auf einen der Toast-Entwickler, und die nahmen mich mit offenen Armen auf.

Das führte auch zu deinem Umzug nach Amerika?

Thomas Tempelmann: Ja. So, wie Adaptec zuvor schon Incat Easy CD und Corel CD Creator gekauft hatte (und später CeQuadrat WinOnCD kaufen sollte), wurde auch Toast aufgekauft. Wir gingen damals alle mit sehr guten Verträgen nach Kalifornien und haben dort erst für Adaptec, später Roxio gearbeitet.

Und warum zurück?

Thomas Tempelmann: Ich war eigentlich der letzte von uns deutschen Toast-Programmierern, der noch für Roxio arbeiteten. Die anderen sind schon vorher gegangen. Wir hatten einfach andere Vorstellungen, was Qualität und Testing angeht.

Was machst du jetzt?

Thomas Tempelmann: Ich möchte Roboter bauen. Nein, kein Spielzeug, keinen humanoiden Schnick-Schnack, sondern Arbeitsroboter. Ich habe mir zum Beispiel überlegt, wie Roboter gestaltet sein müssten, die eigenständig geodätische Kuppeln errichten. Dafür sind heute noch Kräne notwendig. Ich habe einen kleinen Uni-Job an einem Architekturlehrstuhl, der ein gewisses Interesse an Robotern hat.