"Am härtesten trifft Covid-19 die Immun- und die Finanzschwächsten"
Seite 3: Wer wird die Kosten der Pandemie tragen?
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Die Zahlen von Multimillionären und Milliardären, die ihr Vermögen vermehrt haben, sind bekannt. Wie erklären Sie sich die Akzeptanz für diese Entwicklung bzw. welche politischen Folgen halten Sie für wahrscheinlich?
Christoph Butterwegge: Zwar ist der meritokratische Mythos, wonach persönlicher Reichtum auf Leistung beruht, angesichts der Boni für "raffgierige" Investmentbanker und der hohen Abfindungen für unfähige Manager, die Firmenpleiten herbeigeführt hatten, seit der Jahrtausendwende etwas verblasst, aber nicht wirkungslos geworden.
Dass die sozioökonomische Ungleichheit wächst, nehmen die meisten Menschen auch deshalb klaglos hin, weil die Parallelgesellschaft der Hyperreichen von ihrer Alltagsrealität viel zu weit entfernt ist, als dass sie sich darüber einen Kopf machen würden.
Anders gesagt: Millionen Menschen haben ganz andere Sorgen als die skandalösen Vermögenszuwächse von Milliardären, die sich als Profiteure der Pandemie auf ihre Kosten bereichert haben.
Wird die Corona-Krise zur nachhaltigen Sozialkrise?
Christoph Butterwegge: Das hängt im Wesentlichen davon ab, wer die Kosten der Pandemie und der Staatshilfen trägt oder präziser ausgedrückt: wem man sie aufbürdet. Es gibt im Wesentlichen drei Finanzierungsmöglichkeiten: Erstens kann sich der Staat höher verschulden und die unsinnige Schuldenbremse dauerhaft aussetzen.
Die zweite Möglichkeit besteht darin, den Sozialstaat zur Ader zu lassen. Das würde in erster Linie die Armen und solche Kommunen treffen, die bereits überschuldet sind. Sie erleiden Ausfälle bei der Gewerbesteuer und müssen zugleich höhere Ausgaben im sozialen Bereich schultern.
Schließlich kann man Spitzenverdiener, Kapitaleigentümer und Hochvermögende wieder stärker zur Kasse bitten, wofür ich plädiere.
Wenn ich mir die Wahlprogramme der bürgerlichen Parteien anschaue, graust es mich allerdings. CDU, CSU und FDP erinnern an den Baron von Münchhausen, weil sie sich am eigenen Schopf aus dem Schuldensumpf ziehen wollen: Da sollen Bürger und Unternehmen steuerlich entlastet, die Ausgaben für Rüstung, Forschung und Entwicklung, aber auch den Klimaschutz erhöht sowie neuerlich die "schwarze Null" als Ziel für den Staatshaushalt in Kraft gesetzt werden.
Das ist wahrlich ein absurdes Konzept, das der finanzpolitischen Quadratur des Kreises ähnelt.
Die kommende Bundesregierung muss also …
Christoph Butterwegge: … mehr für den sozialen Ausgleich tun. Wer erklärtermaßen den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern will, muss die sozioökonomische Ungleichheit verringern helfen und Umverteilung von oben nach unten betreiben.
Was die nachwachsende, von der Covid-19-Pandemie besonders hart getroffene Generation angeht, sind Bund, Länder und Kommunen gehalten, möglichst umgehend die soziale, Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur ausbauen.
An der öffentlichen Daseinsvorsorge nach der Pandemie zu sparen und eine höhere Verschuldung zu scheuen hieße, die Coronakrise noch zu vertiefen. Beispielsweise zahlt sich eine gute Ausstattung der Schulen für die Gesellschaft aus, wiewohl ich die Bildung keineswegs für ein Wundermittel zur Verringerung von Armut und sozialer Ungleichheit halte.
Vor allem darf man jetzt nicht bloß an die Ausrüstung der Bildungseinrichtungen mit digitaler Technik denken. Auch der bauliche Zustand vieler Schulen, ihrer sanitären Einrichtungen und anderer öffentlicher Gebäude lassen sehr zu wünschen übrig. Und entscheidend sind mehr Lehrerinnen und Lehrer, die durch Laptops nicht ersetzt werden können.
Prof. Dr. Christoph Butterwegge hat bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt. Am heutigen Mittwoch erscheint das von ihm und seiner Frau Carolin Butterwegge geschriebene Buch "Kinder der Ungleichheit" bei Campus.
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