Amazon bezahlt für VLB-Daten
Verleger wollen Preis erfahren, Interview mit Michael Vogelbacher vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels
Nach dem auch auf Telepolis zitierten Bericht der ARD über die unsäglichen Arbeitsverhältnisse von Leiharbeitern bei Amazon (Amazon oder die moderne Ausbeutung in Zeiten der Krise) haben nach Telepolis-Informationen bereits drei Verleger und ungezählte Kunden ihre Geschäftsbeziehung mit Amazon gekündigt. Wir berichten hier über den aktuellen Stand der Auseinandersetzung um das Geschäftsgebaren von Amazon.
Christopher Schroer hieß der erste Verleger, der sich öffentlich gegen Amazon stellte. Wie sein öffentlicher Brief an Jeff Bezos zeigt, geht es aber Schroer auch um die schlechten Bedingungen für Verleger. Während nämlich Buchhändler für Einzelexemplare einen Rabatt von 35 bis 40 Prozent verlangen, nimmt Amazon inklusive Lagerhaltung 55 Prozent.
Wie Schroer, der Mitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ist, im Gespräch mit Telepolis ausführt, lässt sich Amazon über seine luxemburgische Europazentrale sogar die deutsche Umsatzsteuer teilweise erstatten. Angeblich soll Amazon in Deutschland bei fast 6 Milliarden Umsatz nur 20 Millionen Euro Steuern bezahlen.
Schroers Kollege André Thiele hat einen pfiffigen Anti-Amazon-Banner auf seiner Webseite: ein Bye, bye Amazon landet da im Warenkorb:
Telepolis sprach nach den Verlegern auch mit dem zuständigen Abteilungsleiter im Börsenverein, mit Michael Vogelbacher.
Herr Vogelbacher, drei Verleger haben nach unseren Recherchen bereits bei Amazon gekündigt. Aber Amazon bietet ja das Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) - und da bleiben die Verlage ja drin?
Michael Vogelbacher: Das VLB ist lediglich ein Lieferant von bibliographischen Daten; die Pflege der Web-Kataloge obliegt dem jeweiligen Anbieter. Diesen Service bieten wir auf ausdrücklichen Wunsch der Verlage, die von der Bündelung der Datenlieferung an nahezu alle Plattformen enorm profitieren.
Werden kleine Verlage bei den Konditionen von Amazon benachteiligt? Im normalen Buchhandel gilt doch für ein Einzelbuch 35 Prozent Rabatt. Bei Amazon sind es aber mit Lagerhaltung 55 Prozent.
Michael Vogelbacher: Die Rabattierung orientiert sich in der Praxis sehr differenziert nach einer Vielzahl von Faktoren und wird in der Regel zwischen den Vertragspartnern individuell ausgehandelt. Den Rahmen hierzu gibt das Buchpreisbindungsgesetz vor, das die maximale Höhe von Rabatten reglementiert.
Der Börsenverein ist doch ein Zusammenschluss der deutschen Verlage und Buchhändler. Theoretisch könnten Sie doch sagen: "Wir liefern das VLB nicht mehr an Amazon."
Michael Vogelbacher: Das VLB steht allen Marktteilnehmern offen, insbesondere weil es als Preisreferenzdatenbank eine zentrale Funktion einnimmt. Schon aus kartellrechtlichen Gründen ist das VLB zur Neutralität verpflichtet.
...aber es wäre sicher aufwendig, einen Datensatz von über 1 Million Titeln neu zu erstellen und zu pflegen.
Michael Vogelbacher: Natürlich, genau in diesem Rationalisierungseffekt liegt ja der Nutzen, den das VLB für die gesamte Branche stiftet.
Bezahlt denn Amazon für die Daten?
Michael Vogelbacher: Natürlich.
Und wie viel?
Michael Vogelbacher: Jeder VLB-Kunde zahlt einen der Nutzung adäquaten Preis
Vielen Dank für das Interview!
Die Verleger Schroer, Thiele und Wewerka (Alexander-Verlag) möchten nun als Mitglieder eine Anfrage an den Börsenverein stellen, wie viel Amazon für die Daten bezahlt. Das könnte brisant sein, denn wenn Amazon weniger oder mehr als andere bezahlt, könnte entweder gefolgert werden, dass Amazon durch einen zu günstigen Preis bevorteilt wäre oder aber über einen höheren Preis gar Einfluss auf den Börsenverein kaufen könnte, der sich im Fall Amazon auffallend zurückhaltend äußert.
Es ist also zu hoffen, dass Amazon den Normpreis bezahlt. Wer nicht auf weitere Enthüllungen warten möchte, dem bietet sich längst die Möglichkeit, auch seine Online-Buchbestellungen über den Buchhandel abzuwickeln. Das ist zwar noch holprig, aber dass Steuern und Rabatte im Land bleiben, könnte durchaus im Interesse des Buch- und CD-Kunden liegen. Dessen Kaufkraft steigt nämlich nicht durch die Verkaufsrekorde von Amazon.