zurück zum Artikel

Amerikanisch-russische Energiefreundschaft bahnt sich an

Josephine Bollinger-Kanne
Das Nord Stream 2 Logo auf dem iPhone auf der ukrainischen Flagge.

(Bild: Koshiro K / Shutterstock.com)

Über Nord Stream 2 könnte wieder Erdgas nach Deutschland strömen. Russland und die USA nĂ€hern sich in dieser Frage an. Werden die EuropĂ€er zur Abnahme verpflichtet?

Im Zuge der Verhandlungen zu einem Waffenstillstand mit der Ukraine berichteten Medien, dass sich Russland und die USA annĂ€hern und gemeinsame Energieprojekte ausloten. So ist etwa die Rede davon, wieder russisches Gas an die deutsche OstseekĂŒste durchzuleiten. FĂŒr PrĂ€sident Wladimir Putin und Donald Trump scheint das ein lohnendes GeschĂ€ft zu sein. Die amerikanische LNG-Industrie dĂŒrfte jedoch Marktanteile in Europa verlieren.

Russland spannt die USA ein

Die russische Nachrichtenagentur Tass zitierte dazu Außenminister Sergej Lawrow [1] aus einem Fernsehinterview am 26. MĂ€rz:

NatĂŒrlich gibt es derzeit Differenzen. Aber ist das Interesse an der Wiederherstellung einer normalen Energieversorgung Europas denn nur ein Interesse der USA und Russlands? Es gibt GesprĂ€che ĂŒber die Nord Streams. Sicher wird es interessant sein, wenn die Amerikaner ihren Einfluss auf Europa nutzen und es zwingen, russisches Gas nicht abzulehnen. Aber das ist schon eine Art Surrealismus.

In diesem Kontext erwĂ€hnte der Außenminister, dass Europa und die Wirtschaft heute ein Vielfaches mehr fĂŒr Energie als die amerikanische Wirtschaft bezahlen wĂŒrden.

Gleichzeitig sagten Leute wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, KommissionsprÀsidentin Ursula von der Leyen und Verteidigungsminister Boris Pistorius, dass sie niemals zulassen werden, dass die Nord-Streams wiederhergestellt werden. Das sind entweder kranke Menschen oder Selbstmörder.

Sergej Lawrow

Schmarotzer Europa soll endlich zahlen

So surreal erscheint es nicht, wenn die USA die EU entgegen deren AusstiegsplĂ€nen aus russischem Gas bis 2027 dazu zwingen, sei es mit Sicherheitsgarantien oder diversen Zöllen, wieder ĂŒber die Ostsee Gas aus Russland zu importieren. Der vermeintliche Schmarotzer Europa soll endlich zahlen.

Wie die Administration von US-PrĂ€sident Donald Trump Europa sieht, kam jĂŒngsten Medienberichten zufolge in einem geheimen Regierungschat zu US-Angriffen [2] auf die Huthi zum Ausdruck, in den irrtĂŒmlicherweise der Atlantic-Chefredakteur Jeffrey Goldberg aufgenommen war. Hier erklĂ€rte VizeprĂ€sident J.D. Vance, er hasse es, Europa beim Schiffsverkehr "wieder aus der Klemme zu helfen". Verteidigungsminister Pete Hegseth antwortete Vance: "Ich teile Ihre Abneigung gegen europĂ€ische Trittbrettfahrerei voll und ganz. Das ist erbĂ€rmlich."

Trump selbst stellte sich hinter seine Mannschaft und kritisierte das Schmarotzertum der EuropĂ€er. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass er die EuropĂ€er und hier allen voran Deutschland drĂ€ngen wird, den Gashahn in der Anlandestation Lubmin 2 fĂŒr Nord Stream 2 aufzudrehen, zumal die USA an diesen Gastransporten mitverdienen wollen.

Kreml und Washington nÀhern sich an

Russische und europĂ€ische Regierungsvertreter hĂ€tten gesagt, dass die USA Möglichkeiten prĂŒfen wĂŒrden, mit dem Gaskonzern Gazprom [3], dem EigentĂŒmer von Nord Stream 2, bei globalen Projekten zusammenzuarbeiten. Dies sei ein Schritt in Richtung engerer Beziehungen zum Kreml und gleichzeitig ein Versuch, ein Friedensabkommen fĂŒr die Ukraine auszuhandeln, berichtete Bloomberg am 13. MĂ€rz. GesprĂ€che hierzu zwischen US-amerikanischen und russischen Vertretern befĂ€nden sich allerdings noch in einem frĂŒhen Stadium.

PrĂ€sident Wladimir Putin selbst deutete in der Pressekonferenz mit dem belorussischen Regierungschef Alexander Lukaschenko am 13. MĂ€rz an, wenn sich die USA und Russland etwa auf eine Zusammenarbeit im Energiesektor einigen, könnte eine Gaspipeline fĂŒr Europa sichergestellt werden. "Das wird Europa zugutekommen, da es gĂŒnstiges russisches Gas erhĂ€lt."

AbhÀngigkeit kostet

Die Debatte um gĂŒnstiges russisches Gas ist in Deutschland lĂ€ngst entbrannt. Industrievertreter, Parteiangehörige von AfD, Linke und BSW sprechen sich fĂŒr die Inbetriebnahme des noch intakten Leitungsstranges von Nord Stream 2 aus. Auch erste Stimmen aus der CDU [4] sind Medien zufolge zu hören, die das fĂŒr möglich halten, sofern ein Waffenstillstand und Friedensarrangement mit der Ukraine geschlossen sind.

GrĂŒne und die Spitzen von CDU und SPD lehnen eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 ab. Auch Nachbar Polen spricht sich dagegen aus. "Wir mĂŒssen uns darĂŒber im Klaren sein, dass jeder Rubel, der durch den Verkauf von Gas oder Öl eingenommen wird, fĂŒr die RĂŒstung gegen Europa verwendet wird", warnte Polens Umweltministerin Paulina Hennig-Kloska [5]. "Daher liegt es im Interesse aller Mitgliedstaaten in ganz Europa, dass unser Geld nicht in Putins Haushalt fließt."

GĂŒnstiges Gas kann teuer werden, wenn die neuen GeschĂ€ftsfreunde ihre Bedingungen diktieren, da die AbhĂ€ngigkeit ihren Preis hat. Im Ă€ußersten Fall kann das Gas sogar ganz ausbleiben, wenn diese sich nicht auf GeschĂ€ftseckpunkte einigen können. Auch das ist nicht neu. Die Gasstreitigkeiten zwischen Russland und der Ukraine fĂŒhrten Anfang 2006 und 2009 zu einem Lieferstopp.

Drohende Verluste fĂŒr die USA

Geht Nord Stream 2 in Betrieb, kann Gazprom fast 30 Milliarden Kubikmeter, knapp doppelt so viel wie zuletzt ĂŒber die Ukraine, an die deutsche OstseekĂŒste liefern und Verluste wettmachen. Am schnellen Geld könnten sich amerikanische und Trump zugeneigte Investoren wie Stephen P. Lynch gleichfalls erfreuen. Amerikanische LNG-Produzenten und Lieferanten gingen indes leer aus und wĂŒrden europĂ€ische Marktanteile verlieren.

Die Frist der definitiven Nachlassstundung hatte das Zuger Kantonsgericht [6] fĂŒr die hochverschuldete Betreibergesellschaft Nord Stream 2 im Januar ausnahmsweise bis zum 9. Mai verlĂ€ngert, weil die Schuldnerin Kontakte zu Investoren ins Feld fĂŒhrte. Bis dahin muss eine Entscheidung her.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-10333161

Links in diesem Artikel:
[1] https://tass.ru/politika/23502367
[2] https://www.politico.eu/article/europe-fume-donald-trump-team-insult-leak-signal-chat/
[3] https://www.bloomberg.com/news/articles/2025-03-13/russian-and-european-officials-see-us-interest-in-gazprom-ties
[4] https://www.politico.eu/article/germany-should-keep-nord-stream-options-open-conservative-politician-says/
[5] https://www.pap.pl/aktualnosci/ue-hennig-kloska-o-nord-stream-kazdy-rubel-bylby-wykorzystany-przeciw-europie-opis
[6] https://zg.ch/de/suche?q=Nord+Stream+2