Analyse oder (letztes) Bewerbungsschreiben?

Seite 2: "Pistorius weiß sich einzuarbeiten"

Nach diesem Maier-O-Ton zitiert Stempfle, vermutlich der Ausgewogenheit und Perspektivenvielfalt des Beitrages wegen, jenen Maier nunmehr indirekt weiter:

"Er sei durchsetzungsstark und entscheidungsfreudig. Er könne sich schnell in komplexe Themen einarbeiten und agiere in Verhandlungen sehr geschickt und zielorientiert."

Und selbst der hyperkritische Stempfle muss nun feststellen, dass seine Analyse an "all den guten Referenzen" leider, leider nicht vorbeikommt. Allerdings, soviel Realismus darf sein, weist Stempfle auch hin auf eine "große Herausforderung" für Pistorius: nämlich "den Sprung von der Landes- in die Bundespolitik zu schaffen".

Das haben seinem Text zufolge Leute wie Anne Spiegel oder Kurt Beck nicht geschafft. Aber vielleicht hatten die auch nur keinen derart fähigen Sprecher wie Stempfle zur Hand, wer weiß.

Gibt es positive Seiten von Boris Pistorius, die bisher unerwähnt blieben?

Weiter im Text: Pistorius sei "selbstbewusst" und "ehrgeizig". Beides Eigenschaften, die in Stempfles Diktion keinen Hauch von Ambivalenz oder gar Kritik meinen. Denn mit Blick auf "neue, vermutlich härtere Herausforderungen" muss der Politiker offenbar genau so sein.

Und Pistorius sei - es wird immer besser - bereits und bestens "mit den großen Themen vertraut", schreibt der Autor. Stempfle gibt wiederum sein Bestes, um zu zeigen, dass er sich anscheinend schon lange den Kopf dieses Ministers zerbricht:

"Landesinnenminister sind nicht nur für die innere Sicherheit zuständig, sondern müssen innere und äußere Sicherheit zusammen denken."

Inhaltlich (aus Sicht von Pistorius & Co.) eine Eins plus. Sprachlich der nächste Unfall: Es muss natürlich "zusammendenken" heißen, also: per Zusammenschreibung. Im Sinne von: Zwei Aspekte als einen betrachten. Es sei denn, Stempfle wollte hier auf subtile Weise andeuten, dass z.B. er und, sagen wir, jemand wie Boris Pistorius "zusammen denken", im Sinne von "gemeinsam denken". Sofern bei dieser Art von Schreiberei von "denken" zu reden wäre ...

Hatten wir noch was vergessen? Nun ja, der Text ist einigermaßen lang, und um den roten Faden nicht zu verlieren, schadet eine gewisse Redundanz nicht: "Wenn es um die Sache geht, ist Pistorius hartnäckig." Und Stempfle weiß noch etwas über seinen künftigen Dienstherren, im nächsten Zwischentitel: "Pistorius weiß, sich zu verteidigen."

Immerhin, das Komma sitzt, wir wollen nicht unfair sein. Und Stempfle hat noch mehr heraus-analysiert: "Alle" (klar, alle!) sollten "vorgewarnt" sein (wir sind hier schließlich nicht bei der Heilsarmee):

"Pistorius weiß sich einzuarbeiten."

Das ist keine schlechte Pointe dieses Textes, wenn auch vermutlich keine gewollte: Michael Stempfle nämlich musste sich erst gar nicht "einarbeiten" in seinen Job als Sprecher von Pistorius. Er konnte ziemlich genau da weitermachen, wo diese seine "Analyse" am 17.Januar um 18.48 Uhr endete.

Manche meckern, der Text sei zwar alles andere als journalistisch, dafür aber das beste Bewerbungsschreiben aller Zeiten.

Das vermag der Autor dieses Beitrags nicht seriös zu analysieren: Eines jedoch dürfte relativ klar (geworden) sein: Es war wohl das vorerst letzte Bewerbungsschreiben von Michael Stempfle – zumindest für diesen Posten.