Angespannte Beziehungen zwischen China und Australien

Hauptquartier des Australian Strategic Policy Institute in Canberra. Bild: Nick-D CC BY-SA 3.0

Strafzölle, Hackerangriffe, massive Aufrüstung: Ein australisches Think Tank treibt einen Keil in die Beziehungen beider Länder und profitiert von der neuen Sicherheitspolitik Australiens

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"Australien ist der Hilfssheriff der USA", sagte einst der australische Premierminister John Howard. Zwanzig Jahre später hat sich an dieser Situation wenig geändert: Die chinesische Global Times soll laut einigen Medienberichten geschrieben haben, das "Riesenkänguru" sei der "Wachhund der USA", als im April die USA wiederholt China beschuldigten, die Pandemie verursacht und die Ursprünge verschleiert zu haben, und Australien einstimmte. Zwar zitierte die chinesische Staatszeitung lediglich einen Weibo-Post, doch auch in den offiziellen Pressekonferenzen des chinesischen Außenministeriums reagieren die Sprecher zunehmend gereizt auf die Stichworte Coronavirus, Xinjiang, Hongkong, 5G, Huawei und Südchinesisches Meer.

In der Causa Corona schickte der "Drache" dem "Känguru" ein unmissverständliches Zeichen und ließ Canberra spüren, wer von wem wirtschaftlich abhängig ist. China ist Australiens größter Handelspartner für Waren und Dienstleistungen, rund ein Viertel aller australischen Exporte gehen nach China. Am 12. Mai stoppte China unter Berufung auf "Gesundheitsfragen" den Import von Rindfleisch aus vier großen australischen Schlachthöfen. Fünf Tage später erhob China Strafzölle von mehr als 80% auf australische Gerstenimporte wegen angeblichen "Dumpingpreisen". Der wichtige Rohstoffsektor - zwei Drittel des Gesamthandelsvolumens - blieb erstmal unberührt: vor allem Eisenerz, Kohle und LNG im Wert von etwa 100 Mrd. Dollar.

Gesunde Wirtschaftsbeziehungen zu China sind für Australien derzeit wichtiger denn je, da das Land mit einer Pandemie-bedingten Rezession konfrontiert ist. Inzwischen droht China weiteren Schaden anzurichten, warnt seine Bürger vor Reisen nach Australien und rät von einem Studium an australischen Universitäten ab. Ein Viertel aller australischen Tourismus-Einnahmen, über 12 Milliarden Dollar, kommen aus den Taschen der 1,4 Millionen chinesische Touristen. Australische Universitäten sind ebenfalls abhängig von chinesischen Studenten, die für die Hälfte aller Studiengebühren ausländischer Studenten aufkommen.

Zu den bereits als "Handelskrieg 2.0" betitelten Vorgängen kamen dann sicherheitspolitische hinzu. Im Juni berichtete die australische Regierung, ein massiver Hackerangriff auf staatliche und private Einrichtungen habe stattgefunden. Premierminister Scott Morrison sprach von einem "hoch entwickelten staatlichen Cyber-Akteur", nannte aber keinen Namen. Das übernahmen australische Medien unter Berufung auf Peter Jennings, ChefJennings hatte guten Grund China zu verdächtigen: Ein Bericht seines Thinktanks hatte eine Woche vorher dafür gesorgt, dass Twitter über 20.000 als "pro-chinesisch" eingestufte Konten entfernte. Außerdem ist ASPI Australiens Wortführer einer Narrative, die China in der Region als Aggressor darstellt.

ASPIs neue Rolle

In westlichen Medien genießt das ASPI einen guten Ruf. Oftmals liefert die Denkfabrik die nötigen Zahlen und Fakten, sowie Analysten und Wissenschaftler zu allerhand Stories über Vorgänge in der chinesischen Gesellschaft, über die sich der Westen moralisch erheben kann. ASPI besteht seit 2001 als nach eigenen Angaben unabhängiger Thinktank, der die australische und internationale Öffentlichkeit über politisch-strategische Themen aufklären will. Bis etwa 2017 gehörten dazu - für eine sicherheitspolitische Denkfabrik gewöhnliche - Analysen zu breit gefächerten Themen der australischen Außenpolitik, unter anderem zu Strategien und Optionen der Koexistenz mit der aufstrebenden Wirtschaftsmacht China im Indo-Pazifik-Raum.

Ab 2018 wurde der Fokus verkleinert. Seither berichtet ASPI über kein anderes Thema so viel wie über die chinesische Gesellschaft, ihre Führung und deren Vorhaben. Zusätzlich zu den Berichten begann ASPI damit Meinungsartikel zu veröffentlichen, in denen Jennings und führende konservative Analysten deutlich Abstand nehmen von China: Das Land sei eine der "größten Bedrohungen für den Weltfrieden". Es geht nicht mehr nur um Chinas wirtschaftliche Macht, sondern um Themen, die die Sprecher des chinesischen Außenministeriums vehement als Einmischung in die Innenpolitik abtun oder schlichtweg als Unsinn. Dazu gehören Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Minderheitenpolitik, Xi Jinpings Parteipolitik, Hongkongs Sicherheitsgesetz, Chinas wachsender Einfluss auf benachbarte Demokratien, Beziehungen zu Russland, Zensur und Cyber-Überwachung im In- und Ausland, Huawei und 5G, Cyber-Attacken und nicht zuletzt Aufrüstung und Militarisierung der südchinesischen Inseln. Kurz: ASPI ging es weniger um Australiens als vielmehr um Chinas Rolle im Indo-Pazifik.

Jennings formuliert das in vielen Meinungsartikeln so: China wolle den asiatisch-pazifischen Raum "beherrschen", China unter Xi Jinping sei "die größte Herausforderung für die globale Stabilität", Australien werde "von China nicht nur passiv gejagt" und ASPI arbeite "auf nationaler und internationaler Ebene an Antworten, die unsere Fähigkeiten stärken werden, wenn wir uns der größten strategischen Herausforderung für die Demokratie seit dem Fall der Sowjetunion stellen." Der "Aggressor" China sei "eine Bedrohung für Australien und Länder in der gesamten Region."

Gelungene Provokation

ASPI trug so in den letzten zwei Jahren zu einer Ausweitung der Kampfrhetorik bei und scheint dabei einen Nerv getroffen zu haben. Im Juni reagierte das chinesische Außenministerium allergisch auf ASPIs jüngste Veröffentlichungen:

"China hat mehrfach darauf hingewiesen, dass dieses Institut seit langem von der US-Regierung und Waffenhändlern finanziert wird. Es ist enthusiastisch darin, Anti-China-Geschichten zu erfinden und hochzuspielen. Da es den Vorwurf der Verleumdung Chinas anführt, hat es keine Glaubwürdigkeit, von der man sprechen könnte. Es gibt keine faktische Grundlage für den Angriff und die Anschuldigungen dieses Instituts, nur Unsinn."

"Das Institut erhält seit langem Gelder von der US-Regierung und von Waffenhändlern und hat mit Begeisterung Anti-China-Themen ausgeheckt und Aufsehen erregt. Es ist so von ideologischen Vorurteilen durchdrungen, dass es zu einer antichinesischen "Vorhut" wird, was zu ernsthaften Zweifeln an seiner akademischen Integrität führt."

Chinesische Medien zogen nach und zitierten Kritiker der australischen wie amerikanischen Sicherheitspolitik. Bei CGTN sagte Shaun Rein von der China Market Research Group: "Die USA benutzen Australien als Proxy, um China einzudämmen".

Xinhua berichtete in mehreren Artikeln über die "Denkfabrik hinter der Anti-China-Propaganda" und hinterfragte ASPIs vermeintliche Unabhängigkeit. ASPI betreibe "eine kämpferische Linie gegenüber China, um den Furchtindex hochzutreiben und es seinen Geldgebern zu ermöglichen, mehr Waffen an Länder im asiatisch-pazifischen Raum zu verkaufen". Xinhua zitierte auch Bob Carr, den ehemaligen Außenminister Australiens, der sagte, ASPI beschwöre eine "einseitige, pro-amerikanische Sicht der Welt", als auch den Ex-Botschafter in China Geoff Raby, der sagte: "Ich betrachte [ASPI] als den Architekten der China-Bedrohungstheorie in Australien." Zuletzt listeten chinesische Medien elf "Lügen etlicher australischen Politiker und Medien" auf.

Australien erhöht sein Verteidigungsbudget

"Die Wahrheit ist, dass ASPI Mittel vom US-Außenministerium und von amerikanischen Rüstungsunternehmen erhält. Doch in der Regel übertreiben die Kritiker das Ausmaß, in dem dies der Fall ist. Und entscheidend ist, dass sie niemals zwingende Argumente liefern, um die Forschung des ASPI zu entlarven", kommentiert das konservative US-Magazin National Review Chinas mediale Offensive.

Auch unabhängige australische Medien wie APAC News sehen ASPIs Rolle kritisch. ASPI profitiere finanziell von der Narrative, China als Bedrohung darzustellen. ASPI werde aber auch von den Regierungen Großbritanniens, Japans und Taiwans sowie von der NATO finanziert. ASPI erhalte Provision von Waffenhersteller Lockheed Martin, BAE Systems, Raytheon oder Northrop Grumman.

Als Australien sein neues Verteidigungsbudget vorstellte, habe sich ASPIs China-Narrative bezahlt gemacht, heißt es bei APAC News weiter. Am 30. Juni kündigte Premierminister Morrison an, zusätzliche 185 Milliarden US-Dollar in den Ausbau seiner militärischen Fähigkeiten investieren zu wollen. Morrison erklärte die Strategie damit, dass Australien sich auf eine Welt nach Covid-19 vorbereiten müsse, die "ärmer, gefährlicher und ungeordneter" sei. Auf der langen Bestellliste an amerikanische Waffenhersteller stehen Langstreckenraketen, Satellitenüberwachung, Angriffs-U-Boote, Ultraschallwaffen und andere Abwehrtechnologien.

In den Medien wurde das neue Budget als "einen bedeutenden Wechsel in seiner Verteidigungsstrategie", um "Chinas Bedrohung im Indopazifikraum entgegenzutreten", kommentiert. Das Budget für Cyber-Sicherheit soll um etliche Milliarden Dollar aufgebessert werden, um das Land vor Hackerangriffen zu schützen. Auch Jennings meldete sich zu Wort: "Wenn man über das schlechte Benehmen in der Region spricht, die Annexion von Territorien, Nötigung und Beeinflussung der Innenpolitik, die Anwendung von Cyberangriffen - es gibt wirklich nur ein Land, das dies auf industrieller Ebene tut, und das ist die Volksrepublik China."

ASPI erhielt nicht nur von der australischen Regierung Gelder für Beratungsdienste, sondern auch von Lockheed Martin, das einen Vertrag über AGM-158C-Langstrecken-Anti-Schiff-Raketen (LRASM) im Wert von 800 Millionen AUS-Dollar abschloss.