Angriffe auf Israel: Neue Stufe der Eskalation im Nahen Osten?

Houthi im Jemen. Bild: Mohammed al-wafi, Shutterstock.com

Attacken von Huthi-Rebellen und schiitischen Milizen auf Israel. Sorge vor Eskalation auf beiden Seiten. Situation am Roten Meer ist längst eine globale Gefahr.

Die jemenitischen Huthi-Rebellen haben am vergangenen Montag eine neue Rakete mit dem bezeichnenden Namen "Palestine" auf die Hafenstadt Eilat im Süden Israels abgefeuert. Obwohl keine Schäden oder Verletzungen gemeldet wurden, löste der Angriff Luftschutzsirenen in Israel aus, wie der britische Telegraph berichtet. Die Tragweite dieses Ereignisses sollte nicht unterschätzt werden.

Eine von den Huthis veröffentlichte Aufnahme zeigt, wie die Rakete von einer mobilen Plattform aus abgefeuert wird und eine weiße Rauchfahne hinterlässt, die charakteristisch für präzisionsgelenkte Feststoffraketen ist.

Als solche kann die "Palestine" schnell aufgestellt und abgefeuert werden, was für die Rebellen einen deutlichen Zugewinn an Flexibilität bedeutet. Im März hatte ein Angriff der Huthi-Milizen für Aufsehen gesorgt, bei dem erstmals das engmaschige israelische Verteidigungssystem (Iron Dome) durchbrochen wurde.

Diskutiert wird nun darüber, inwieweit die Huthis selbst fähig gewesen sein können, eine Waffe von diesem Kaliber anzufertigen – oder ob der Iran hier Unterstützung leistete.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters kürzlich in einem Bericht festhielt, haben neben den Huthis auch Iran-gestützte schiitische Gruppen im Irak in den vergangenen Wochen ihre Raketen- und Raketenangriffe auf Israel verstärkt. Die steigende Zahl dieser Angriffe löst offenbar zunehmend ernsthafte Bedenken aus – sowohl in Washington wie auch unter einigen iranischen Verbündeten.

Risiko von Vergeltung

Denn mit der Zahl der Angriffe steigt auch das Risiko eines israelischen Vergeltungsschlags. Und dieser könnte unversehens in eine regionale Eskalation münden – mit weltweiten Auswirkungen, wie sie sich bereits im Vorfeld der jüngsten Vorfälle am Roten Meer ankündigt hatten (siehe Telepolis-Bericht: Konflikt am Roten Meer zwingt Unternehmen, globale Lieferketten neu zu strukturieren).

Die Rolle des Iran Die Huthi-Milizen behaupten, die auf Eilat abgefeuerte Rakete sei im Jemen hergestellt worden. Zweifel daran säte gegenüber dem Telegraph der Geopolitik- und Waffenexperte Fabian Hinz. Die Rakete weise demnach Ähnlichkeiten mit Raketen der iranischen Revolutionsgarde auf, wie der Zohair, der Keyybarshekan und der Fattah, die nach iranischen Angaben 15-fache Schallgeschwindigkeit erreichen soll.

Hinz meint deshalb: "Wir können mit hoher Sicherheit sagen, dass es sich um eine fortschrittliche, präzisionsgelenkte Feststoffrakete handelt, die von Iran bereitgestellt wurde." Diese Aussagen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen.

Denn Hinz ist für das International Institute for Strategic Studies (IISS) tätig, ein britischer Thinktank, dessen Direktor John Chipman Nato-Fellow ist und der mehrfach aufgrund seiner Nähe zu den Interessen des internationalen Großkapitals sowie seiner konfrontativen Haltung gegenüber dem Iran in die Kritik geraten ist.

Die Rolle des Irans

Die Führung in Teheran bestreitet derweil, die Huthis zu bewaffnen. Laut Telegraph wurden auf von den USA beschlagnahmten Schiffen allerdings iranische Waffen und Treibstoff gefunden.

US-Beamter: "Zunehmende Bedrohung" Zusammen mit den Angriffen irakischer Fraktionen wie den Hisbollah-Brigaden und Nujaba sorgen die Huthi-Attacken derweil nicht nur in Washington für Besorgnis, sondern auch bei einigen in Iran und der mit ihm eng verbündeten Hisbollah im Libanon.

Reuters hat mit zwölf hochrangigen Vertretern der sogenannten Achse des Widerstands gesprochen. Einer von ihnen sagte der Nachrichtenagentur, dass jene Angriffe das Bündnis in einen Konflikt verwickeln könnten, den es derzeit nicht beabsichtige, zu führen.

Wie verhalten sich die USA?

Ein ungenannter US-Verteidigungsbeamter warnte indes, dass die Angriffe auf Israel die Stabilität des Irak und der Region gefährden könnten, indem sie das Risiko militärischer Auseinandersetzungen erhöhen, einschließlich möglicher US-amerikanischer und israelischer Reaktionen. "Die Häufigkeit und Raffinesse dieser Angriffe unterstreichen die zunehmende Bedrohung durch diese Gruppen", so der Beamte.

Hussein al-Mousawi, Sprecher von Nujaba, erklärte gegenüber Reuters, dass die Angriffe eine natürliche Weiterentwicklung der Rolle der irakischen Gruppen seien und darauf abzielten, die "Kosten des Krieges" in Gaza zu erhöhen.

"Die Operationen der Widerstandsbewegung sind nicht an zeitliche oder räumliche Grenzen gebunden", so Mousawi. Ebenso beteuerte ein hochrangiger iranischer Beamter gegenüber Reuters, dass die Verlagerung des Fokus auf Israel Teil eines Plans sei, den Druck wegen des Gaza-Krieges aufrechtzuerhalten.

Auswirkung auf Welthandel

Die schiitischen Huthis geben ebenfalls vor, ihre Raketenangriffe in Reaktion auf Israels Vorgehen im Gaza-Streifen auszuführen. Die Blockade der Huthis hat erhebliche Auswirkungen auf den Welthandel und führte zu einer von den USA und dem Vereinigten Königreich initiierten Militärintervention gegen die Gruppe, bei der Ziele tief in dem von ihr kontrollierten Gebiet im Jemen angegriffen wurden.

Auch über den Nahen Osten hinaus verschärfen sich die Spannungen zusehends. Dabei gerät speziell die Rolle der Vereinigten Staaten in den Fokus.

So feuerte am Mittwochmorgen ein syrischer Schütze auf die US-Botschaft im Libanon – "zur Unterstützung von Gaza", wie der Telegraph berichtet. Die USA werden für ihre fortwährende Unterstützung Israels international kritisiert, die verschiedenen Medienberichten zufolge bisher 36.000 Todesopfer gefordert hat, darunter eine mutmaßlich große Anzahl von Zivilisten.

Zuletzt stand die von Benjamin Netanjahu angeführte Regierung wegen eines Angriffs auf eine Schule der Vereinten Nationen in der Kritik, bei der mehrere Frauen und Kinder getötet wurden. Dem vom Internationalen Gerichtshof geforderten sofortigen Stopp der Offensive in Rafah erteilte US-Präsident Joe Biden kürzlich außerdem eine klare Absage.