Anklage wegen krimineller Vereinigung: "Letzte Generation" bald vor Gericht
Staatsanwaltschaft Neuruppin klagt fünf Mitglieder der "Letzten Generation" an. Sie sind sich keiner Schuld bewusst. Die Verteidigungsstrategie ist klar.
Gegen fünf Mitglieder der Klima-Initiative "Letzte Generation" ist Anklage wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung erhoben worden. Das teilte die federführende Staatsanwaltschaft Neuruppin am Dienstag mit. Seit einer bundesweiten Razzia im Dezember 2022 hatte sie die Verdachtsmomente geprüft.
Sabotage, Kartoffelbrei und andere Klimakleber-Aktionen
Die Angeklagten sollen mehrere Attacken gegen Anlagen der Ölraffinerie PCK Schwedt und eine Ölleitung im Nordosten Brandenburgs und in Mecklenburg-Vorpommern verübt haben. Außerdem werden ihnen Aktionen am Hauptstadtflughafen BER und im Potsdamer Barberini-Museum vorgeworfen.
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Sie sollen sich auf der Landebahn des Flughafens festgeklebt und in dem Museum das Schutzglas eines Monet-Gemäldes mit Kartoffelbrei verschmutzt haben. Schäden entstanden nach Angaben des Museums am Rahmen und an der Wand, wo sich zwei von ihnen anschließend festgeklebt hatten.
Kriminelle Vereinigung kein Automatismus
Die Aktionen selbst werden von der Gruppe nicht bestritten – im Gegenteil hatte die "Letzte Generation" selbst Fotos davon im Internet veröffentlicht, ohne die Gesichter der Beteiligten unkenntlich zu machen.
Die Strafbarkeit solcher Aktionen bedeutet aber noch nicht automatisch, dass eine kriminelle Vereinigung im Sinne von Paragraph 129 StGB vorliegt. Darüber soll nun das Gericht entscheiden.
Klima-Initiative spricht von friedlichem Protest
In einer ersten Stellungnahme zur Anklageerhebung betonte die Gruppe, dass es sich aus ihrer Sicht um "friedlichen Protest für eine sichere Welt und gegen die verantwortungslose Politik Deutschlands" handle.
Sie berufen sich auf Artikel 20a des Grundgesetzes, wonach der Staat auch "in Verantwortung für die künftigen Generationen" die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen hat. Durch die jüngste Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, das der Bundesregierung auftrug, ihr Klimaschutzprogramm nachzuschärfen, könnte auch in die Verteidigungsstrategie der "Letzten Generation" einfließen.
"Was zur Hölle: Wissenschaftler:innen schlagen panisch Alarm, unser selbsternannter Klimakanzler, belächelt nur jene, deren Existenz durch den extremen Regen im Saarland zerstört wurde. Und jetzt soll ich die Kriminelle sein, weil ich friedlich protestiert habe", so die Mitangeklagte Mirjam Herrmann.
Hungerstreiks und Forderungen an den Bundeskanzler
"Was für ein vernichtendes Signal an alle Menschen, die sich in dieser Menschheitskrise friedlich engagieren, uns als kriminelle Vereinigung vor Gericht zu zerren", befand Henning Jeschke, der durch einen im Herbst 2021 durch einen mehrwöchigen Hungerstreik bekannt geworden war, weil er und weitere Beteiligte den heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Mitbewerber zur Rede stellen wollten.
Ein öffentliches Gespräch mit Scholz kam im November 2021 tatsächlich zustande, endete aber im Streit.
Mittlerweile befinden sich im Berliner Regierungsviertel wieder vier Menschen in einem unbefristeten Hungerstreik und verlangen eine Regierungserklärung zur Ernsthaftigkeit der Klimakatastrophe – ihr Gesundheitszustand ist zum Teil kritisch. Diese Aktion verantwortet allerdings nicht die "Letzte Generation", sondern ein Aktionsbündnis mit dem Namen "Hungern, bis ihr ehrlich seid".
Einer der Teilnehmer, Wolfgang Metzeler-Kick, ist bereits seit 76 Tagen dabei und nach eigenen Worten bereit, zu sterben. Der 61-jährige Michael Winter hat den Hungerstreik am Samstag wegen akuter Lebensgefahr abgebrochen.