Annalena Baerbock: Wie sehr schadet diese Frau Deutschland?
Die Außenministerin möchte eine wertegeleitete Außenpolitik vertreten. Das hat nichts mit Diplomatie zu tun. Und es ist so riskant wie unehrlich. Ein Telepolis-Leitartikel.
Nicht wenige Diplomaten, Unternehmer und Bürger dürften bis zur letzten Minute gehofft und gebangt haben. Es half alles nichts: Die Flugbereitschaft der Bundeswehr, von ihren privilegierten Gästen liebevoll auch FlBschftBMVg genannt, hat dieses Mal funktioniert und Außenministerin Annalena Baerbock zur 78. UN-Generalversammlung geflogen.
Während sich die Grünen-Politikerin dort auf neue Auftritte vor Mikrofonen und Kameras vorbereitete, versuchen andere, den Schaden ihrer letzten Intervention einzudämmen. Auch Telepolis hatte darüber berichtet, dass die 42-jährige Chefdiplomatin unlängst im Trump-Kampagnensender Fox News den chinesischen Präsidenten Xi Jinping en passant als Diktator disste.
Während Baerbock sich also in New York selbstbewusste in Szene setzt, nimmt Patricia Hildegard Flor knapp 11.000 Kilometer Luftlinie entfernt in Beijing einen unangenehmeren Termin war. Die deutsche Botschafterin muss, vom chinesischen Außenamt vorgeladen, die Bezeichnung Xis durch ihre Dienstherrin erklären und die Schelte über sich ergehen lassen.
Baerbock versteht sich als aufrechte Vertreterin einer neuen deutschen Außenpolitik, "wertegeleitet", wie es in Berlin schon zu Zeiten des sozialdemokratisch geführten Auswärtigen Amtes unter Merkel hieß.
Baerbocks Umsetzung dieses Konzepts sorgt seither immer wieder für Kopfschütteln, Skandale und Debatten. Ist es die neudeutsche Enthemmung, die aus Nebensätzen wie dem vor der Fox-News-Kamera spricht, oder Gedankenlosigkeit?
Längst sind es keine Einzelfälle mehr, keine verzeihlichen Ausrutscher: Den russischen Außenminister Lawrow nach einer gemeinsamen Pressekonferenz keines Blickes zu würdigen, wurde noch als Stilfrage kontrovers diskutiert.
Schwerer wog ihr Auftritt im Europarat, als sie – ein wenig wie bei Fox News – in Rage geriet und Russland beiläufig den Krieg erklärte. Das Auswärtige Amt musste die versehentliche Kriegserklärung eilig "einordnen" und schlimmere Folgen abwenden.
Außenpolitik und Diplomatie sind nicht das Gleiche
Natürlich kann man ihr Recht geben. Lawrow stehen lassen? Na und, er steht doch für den Angriffskrieg gegen die Ukraine! Xi einen Diktator nennen? Der 70-Jährige hat doch die vorsichtige Öffnung des Reichs der Mitte rückgängig gemacht!
Alles richtig, aber Annalena Baerbock ist nicht irgendeine Wahlkämpferin oder Lobbyistin des Zentrums Liberale Moderne, der Lobbyorganisation eines Baerbock politisch nahestehenden Ehepaares – hier von Antje Vollmer thematisiert. Sie ist Chefdiplomatin, oberste Repräsentantin eines Landes mit all seinen Menschen.
Und in dieser Funktion unterliegt Frau Baerbock einem verhängnisvollen Irrtum: Außenpolitik – mit oder ohne Werte – hat nichts mit Diplomatie zu tun. Als außenpolitische Sprecherin ihrer Partei oder Fraktion könnte sie fast alles sagen, was sie will. Als Außenministerin kann und darf sie es nicht.
Diplomatie, so sagt der Duden, ist die "Methode der Wahrnehmung außenpolitischer Interessen eines Staates durch seine Vertreter im Ausland". Gemessen daran ist Annalena Baerbock der größte anzunehmende Unfall, der dem Auswärtigen Amt und diesem Land hätte passieren können.
Natürlich muss man auch in der Diplomatie manchmal Klartext reden. Aber in einem Fox-News-Interview? Mit einem Statement, das der Qualität eines Referats an einer US-amerikanischen Highschool erinnert, und zwar der unteren Klassen?
And we will support Ukraine as long as it takes. If Putin were to win this war, what sign would that be for other dictators in the world, like Xi, like the Chinese president? So therefore Ukraine has to win this war. Freedom and democracy have to win.
Und wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie es nötig ist. Wenn Putin diesen Krieg gewinnen würde, was wäre das für ein Zeichen für andere Diktatoren in der Welt, wie Xi, wie der chinesische Präsident? Deshalb muss die Ukraine diesen Krieg gewinnen. Freiheit und Demokratie müssen siegen.
Selbst wenn man die Einlassung wohlwollend betrachtet, kann man sie kaum gutheißen. Ein rascher Blick in soziale Netzwerke zeigt, dass alle Welt mit belustigtem Unverständnis reagiert und der Frage: Das ist wirklich die deutsche Außenministerin?
Deutschland ruinieren
Die Folgen einer solchen Haltung bekommt Deutschland auch an anderer Stelle zu spüren: Als nach dem russischen Angriff auf die Ukraine das erste Sanktionspaket der EU gegen Russland geschnürt wurde, sagte Frau Baerbock: "Das wird Russland ruinieren".
Doch bisher haben die wirtschaftlichen Folgen der Russland-Sanktionen Deutschland ramponiert und viele Deutsche ruiniert. Natürlich nicht die Besserverdienenden im Kabinett, sondern einfache Bürger, Familien, Berufspendler. Gerade hat der ADAC vor erneut steigenden Kraftstoffpreisen gewarnt.
Die Folgen der verfehlten Sanktionspolitik sind noch nicht überwunden, da legt sich Deutschlands oberste Interessenvertreterin schon mit der nächsten Wirtschaftsgroßmacht an. China ist nach aktuellen Statistiken der viertwichtigste Exportpartner unseres Landes. Bei den Importen und Umsätzen liegt China auf Platz eins.
Gerade der Industriestandort Deutschland ist auf die Zusammenarbeit angewiesen. Gut 30 Prozent der deutschen Wertschöpfung stammen aus dem Export – ohne China ist und bleibt das nicht möglich. In der Industrie sind es sogar 60 Prozent. Ohne den Import von Energie, Rohstoffen oder Vorprodukten stünden viele Fabriken still, Arbeitsplätze gingen verloren.
Chinas Aufstieg und Deutschlands Wohlstand sind zwei Seiten derselben Medaille. Das haben wir in der Corona-Krise erlebt, als Lieferketten plötzlich unterbrochen waren. Und wir haben es im Kleinen nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine gesehen.
Was im Umkehrschluss bedeutet: Unser aller Wohlstand hängt in hohem Maße von einer intakten wirtschaftlichen Zusammenarbeit ab – auch mit Staaten, die nach unserem westlichen Verständnis als undemokratisch gelten.
Das ist durchaus ein ethisches Dilemma, dem sich die Industriestaaten und die Menschen in den Industriestaaten stellen müssen. Beschimpfungen und diplomatische Eklats helfen hier ebenso wenig weiter wie leere Freedom-and-Democracy-Phrasen.
Wertegeleitete Berichterstattung
Tatsächlich muss man nicht lange nach Beispielen suchen, um diesen Selbstanspruch als unlauter zu entlarven. Ob Abdel al-Sisi in Ägypten, arabische Ölregime, Menschenschinder in Lateinamerika oder Sklavenhalterregime in Nordafrika – die deutsche Außenpolitik und Diplomatie ist schnell dabei, wenn es darum geht, die eigenen Interessen auf Kosten vermeintlicher Werte durchzusetzen.
In der ganzen Welt wird diese Hybris wahrgenommen. Genauso wie die Äußerungen Baerbocks, die etwas Manisches haben, wenn es um Russland und China geht.
Wie man es auch dreht und wendet: Irgendwann wird auch Annalena Baerbock an ihren Ergebnissen gemessen. Man kann getrost eine Kiste Châteauneuf du Pape Rouge darauf wetten, dass Xi und Putin noch lange an der Macht sind, nachdem Annalena Baerbock ihr Büro am Werderschen Markt in Berlin geräumt haben wird. Die Frage ist nur: Wie sehr wird sie den Interessen dieses Landes und all seiner Menschen bis dahin geschadet haben?
Eine Debatte darüber – die wäre jetzt notwendig. Doch hier versagen die Medien wieder einmal mehrheitlich. Allen voran jene, die von ihrem Anspruch und ihrer Finanzierung durch die Bürger her eigentlich die Speerspitze der fünften Gewalt im Staat sein sollten.
Etwa die Tagesschau. Sie schaffte es nicht einmal, Baerbocks Auftritt angemessen einzuordnen. Im Gegenteil: Die gebührenfinanzierte Redaktion erweckte einmal mehr den Eindruck, die Regierung schützen zu wollen.
Als es um den ungeliebten Donald Trump ging, etikettierte das Portal tagesschau.de den Sender Fox News als Organ für Verschwörungstheorien und Lügen, als "rechten US-Sender", wie X-User @argonerd belegte.
Als Annalena Baerbock nun ausgerechnet bei diesem Sender auftrat, wurde er den Leserinnen und Lesern brav als "konservativer Fernsehsender" vorgestellt.
Der Deutschlandfunk berichtete einst über den "Hassprediger" Tucker Carlson beim "rechten Nachrichtensender" Fox News.
Als Annalena Baerbock jetzt auf diesem Sender gegen China wetterte, war nur noch vom "konservativen US-Sender" die Rede.
Aber vielleicht ist das ja wertegeleitete Berichterstattung.
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