Anspruch auf Grönland: Warum Donald Trumps Pläne die EU gleich mehrfach bedrohen
Die Fahnen von Grönland und der EU. Bild: esfera/ Shutterstock.com
Trump will Grönland notfalls mit Gewalt einnehmen. Interne Dokumente belegen die Sorge der Europäer. Wie der neue US-Präsident in Brüssel Angst und Schrecken verbreitet.
Vielfach werden die radikalen Ankündigungen des designierten US-Präsidenten Donald Trump gegenüber dem dänisch verwalteten Grönland als skurril und unsinnig abgetan. Ein genauer Blick zeigt: hinter der Position des Republikaners stecken handfeste, ökonomische Interessen. Darauf weisen nicht nur die Ausführungen seines Sicherheitsberaters hin, über die Telepolis heute berichtet.
Die Europäische Kommission jedenfalls hat diese Woche verhalten auf die Drohung aus Washington reagiert, Grönland notfalls mit militärischen Mitteln unter US-Kontrolle zu bringen. "Die Souveränität der Staaten muss respektiert werden", sagte ein Kommissionssprecher. Auf Nachfrage, ob die EU erst reagieren werde, wenn "amerikanische Marinesoldaten in Grönland landen", meinte er lediglich, dass sich "viele Drohungen ohne Konsequenzen geblieben sind", so das auf EU-Politik spezialisierte Portal Euactive.
Deutlichere Worte fanden hingegen Frankreich und Deutschland. "Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden", erklärte ein Sprecher der Bundesregierung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte nach Rücksprache mit mehreren europäischen Staatschefs die Unverletzlichkeit des Völkerrechts. Auch der französische Außenminister Jean-Noël Barrot stellte klar, dass die EU keine militärische Intervention der USA tolerieren werde.
Grönland ist als autonomes Gebiet Teil Dänemarks und damit de facto auch Mitglied der Nato. Ein militärisches Vorgehen eines Nato-Verbündeten wäre ein historisches Novum. Die dänische Premierministerin Mette Frederiksen mahnte zu Vorsicht, begrüßte aber grundsätzlich das wachsende US-Interesse an der Arktisregion.
Strategische Bedeutung Grönlands für die EU
Der Verlust Grönlands hätte für die Europäische Union schwerwiegende, strategische und wirtschaftliche Konsequenzen. Die größte Insel der Welt nimmt eine Schlüsselposition im arktischen Raum ein und ist zentral für die Kontrolle wichtiger Seewege zwischen Arktischem und Atlantischem Ozean. Über Dänemark hat die EU zudem einen indirekten Zugang zum Arktischen Rat, dem zentralen zwischenstaatlichen Gremium für arktische Angelegenheiten.
Mineralien und seltene Erden
Grönland verfügt über bedeutende Vorkommen an Mineralien und seltenen Erden, die für die wirtschaftliche und technologische Entwicklung der EU von großer Bedeutung sind. Als Teil des sensiblen arktischen Ökosystems, das sich schneller erwärmt als der globale Durchschnitt, spielt Grönland auch für den Klimaschutz und die Klimaforschung eine wichtige Rolle.
Angesichts des wachsenden geopolitischen Interesses von Mächten wie China und Russland an der Arktis ist die EU-Präsenz in der Region über Grönland entscheidend, um eigene Interessen zu wahren.
Ein Verlust Grönlands würde den Einfluss der EU in der Arktis erheblich schmälern und ihre Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung und den Schutz der Region beeinträchtigen. Um ihre Rolle als globaler Akteur zu stärken, ist es für die EU daher essenziell, die Beziehungen zu Grönland und Dänemark zu pflegen und zu vertiefen. Die aktuellen Drohungen aus Washington dürften diese Bestrebungen noch verstärken.
Wie so oft: Es geht um Rohstoffe
Seit 2023 prüft die EU auch eine Zusammenarbeit mit Grönland im Bereich der Rohstoffe, die für den Übergang zu sauberer Energie von entscheidender Bedeutung sind. Im November 2023 wurde eine Absichtserklärung zur Gründung einer Partnerschaft für nachhaltige Rohstoff-Wertschöpfungsketten zwischen der EU und Grönland unterzeichnet. In einem ausführlichen Bericht der EU-Kommission zur Außenpolitik heißt es zu Grönland:
Die Überseeischen Länder und Gebiete (eng: OCT, d Red.) sind keine souveränen Staaten, sondern unterhalten besondere verfassungsrechtliche Verbindungen zu drei Mitgliedstaaten (Dänemark, Frankreich und den Niederlanden) und nehmen eine zunehmend strategische Rolle für die EU ein. Sie sind wichtige EU-Botschafter in ihren Regionen und bringen bedeutende Ressourcen mit sich, wie etwa riesige ausschließliche Wirtschaftszonen, die für die Meerespolitik und den Erhalt der maritimen Biodiversität von großer Bedeutung sind.
Sie beherbergen strategische Infrastrukturen (wie Galileo) und verfügen über viele kritische Rohstoffe. Gleichzeitig profitieren die OCT von der umfangreichen Expertise der EU in den Bereichen nachhaltige Entwicklung und der grünen Wende sowie von einem privilegierten Zugang zum EU-Markt.
Der Beschluss über die Überseeische Assoziation einschließlich Grönlands (DOAG) von 2021 bildet den Rahmen für den politischen und politischen Dialog, den Handel und die finanzielle Unterstützung der EU für die Maßnahmen der OCT.
Er trägt zu deren wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung bei und unterstützt sie bei der Bewältigung von Herausforderungen wie dem Klimawandel und dem Verlust der Biodiversität.
Die EU hat für die OCZT für den Zeitraum 2021-2027 eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 500 Millionen Euro vorgesehen. Die den OCT zur Verfügung stehenden Mittel sind wie folgt aufgeteilt: 225 Millionen Euro für die bilaterale Zusammenarbeit mit Grönland, 164 Millionen Euro für die bilaterale Zusammenarbeit mit anderen OCT, 76 Millionen Euro für regionale Zusammenarbeit und Integration (einschließlich 15 Millionen Euro für die innerregionale Zusammenarbeit), eine nicht zugewiesene Reserve von 13 Millionen Euro für aufkommende Bedürfnisse und 22 Millionen Euro für technische Hilfe.
Im Jahr 2023 profitierten die OCT von Maßnahmen, die im Rahmen des DOAG umgesetzt wurden, sowie von laufenden Programmen, die aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) finanziert werden.
Bericht der EU
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Europa stellt sich auf eine harte Linie Trumps ein
Nicht nur wegen Grönland: Hinter den Kulissen der EU macht sich Sorge vor einem US-Präsidenten Donald Trump breit. Interne Dokumente einer hochrangigen Ratsarbeitsgruppe, die unserer Redaktion vorliegen, zeichnen ein düsteres Bild für die US-europäisch Beziehungen.
Die Wahl Trumps könnte laut Experten "das Ende der langen, friedlichen Nachkriegszeit einläuten". Der designierte US-Präsident sehe die EU nicht als Partner, sondern als wirtschaftlichen Konkurrenten, den es mit Zöllen zu bekämpfen gelte. Dabei seien bestehende Regeln einer multilateralen Weltordnung für Trump nur der Beginn einer Verhandlung, um sie zu seinen Gunsten zu verändern. "Verbündete erlebt Trump dabei als Belastung, da sie seine Gestaltungsmacht einschränken", sagte William Galston von der dem US-Thinktank Brookings Institution bei einem vertraulichen Treffer mit EU-Vertretern in der zweiten Dezemberhälfte. Die Denkfabrik steht der Demokratischen Partei des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden nahe.
Dass Trumps zweite Amtszeit eine "vollständige Umwandlung des gesamten US-Regierungsapparats" mit sich bringt, erwartet der Vize-Missionschef der EU-Delegation in Washington. Grund zur Hoffnung auf Mäßigung geben die Berichte nicht: Schlüsselpositionen würden mit loyalen, zu allem bereiten Unterstützern besetzt. Eine überwältigende Mehrheit von 95 Prozent der Republikaner stehe geschlossen hinter Trump, erkannte der EU-Funktionär an.
In Brüssel werden daher schwierige Zeiten auf die transatlantischen Beziehungen zukommen. Deutschland drängte bei dem Treffen darauf, den USA selbstbewusst ein konkretes Kooperationsangebot zu machen. Zugleich müsse die strategische Kommunikation mit Washington verbessert werden. Einig war man sich, eine "Bilateralisierung" der Beziehungen zu vermeiden und mit einer Stimme zu sprechen.
Angesichts der drohenden Herausforderungen beschworen die Vertreter der Mitgliedsstaaten die Einigkeit Europas. Die EU müsse jetzt Führungsstärke zeigen und entschlossen für eine regelbasierte Weltordnung eintreten. Vom Ausgang dieses Machtkampfes könnte nichts Geringeres als der Fortbestand der EU abhängen – mit oder ohne Grönland.