Antarktis: Meereis auf dem Rückzug
Weiß: Ausdehnung des Meereises am 26. Februar. Blaue Linie: Mittlere Ausdehnung an diesem Datum in den Jahren 1981 bis 2010. Bild: Alfred-Wegener-Institut
Energie und Klima – kompakt: Eis auf Küstenmeer rund um Antarktika hat neues Rekord-Minimum erreicht. Auch deutsche Expedition meldet ungewöhnliche Schrumpfung. Welche Rolle Winde und Strömungen dabei spielen.
Während hierzulande der Winter noch einmal vorbeischaut und zumindest ein paar Nachtfröste bringt – viel mehr erwartet man im Flachland ja inzwischen nicht mehr – nähert sich tief im Süden der antarktische Sommer seinem Ende.
Entsprechend hat sich dort das Meereis rund um Antarktika derzeit weit zurückgezogen und seinen jährlichen Tiefststand erreicht, wie das National Snow and Ice Data Center der USA gestern berichtete. Mit lediglich 1,79 Millionen Quadratkilometern wurde ein neues Rekord-Minimum erreicht.
Bereits im Januar war die Eisfläche rund um den südlichen Kälte-Kontinent so stark geschrumpft, wie nie zuvor in den letzten rund 45 Jahren, aus denen es zusammenhängende Satellitenbeobachtungen der Region gibt. Das geht unter anderem aus den Daten des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven hervor.
Das Eis, um das es hier geht, sollte nicht mit dem Schelfeis verwechselt werden, das etliche hundert Meter dick sein kann und von den antarktischen Gletschern aufs Meer hinausgedrückt wird. Während diese Gletscherausläufer letztlich aus Schnee bestehen, der im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende von seinem eigenen Gewicht zusammengedrückt zu Eis wurde, bildet sich das Meereis an der Oberfläche der Ozeane, besteht also aus im Winter gefrierendem Wasser.
Doch anders als auf dem arktischen Ozean ist das Eis auf den Küstenmeeren der Antarktis größten Teils einjährig. Das heißt, es ist normal, dass es im Sommer auf eine vergleichsweise kleine Fläche zusammenschrumpft. Während es sich im Winter – der Höhepunkt wird in der Regel Ende September oder im Oktober erreicht – auf 18 bis 20 Millionen Quadratkilometer ausdehnt, umfasst seine Fläche im Sommer lediglich rund drei Millionen Quadratkilometer. Das entspricht in etwa den Ausmaßen der Arabischen Halbinsel.
Seit 2016, fällt das sommerliche Minimum jedoch immer geringer aus. In diesem Jahr wurde die Marke von zwei Millionen Quadratkilometern zum zweiten Mal unterschritten. Die Ursachen dafür sind bisher unklar, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem Blog, die seit Wochen vor den Küsten der Antarktis mit dem deutschen Forschungsschiff "Polarstern" allerlei Daten über Wetter, Geologie und Geophysik sowie über Meeresströmungen, -chemie und -biologie sammeln.
Teile des Puzzles müssen noch untersucht werden
Ein Zusammenhang mit dem Klimawandel sei nicht auszuschließen, melden die Forscherinnen und Forscher, die zurzeit im Bellinghausenmeer kreuzen, unmittelbar westlich der Antarktischen Halbinsel, also im äußersten Süden des östlichen Pazifiks.
Das Meer sei dort ungewohnt eisfrei, was unter anderem dem in den dortigen Breiten oft besonders heftigem Wind freies Spiel lässt. Zuletzt habe das Schiff eine ziemlich stürmische See gehabt. Von acht Meter hohen Wellen wurde am 20. Februar berichtet.
Das Meereis wird gewöhnlich direkt in der kalten Luft an der antarktischen Küste gebildet und dann von den Winden hinaus aufs Meer getrieben. Die Eisfläche wächst also ähnlich wie vor Teilen der sibirischen Küste vom Land aus.
Allerdings befinde sich die Region derzeit in einer Phase verstärkter Luftdruckgegensätze zwischen der Antarktis und den gemäßigten Breiten. Das führe dazu, dass sich das Band ohnehin starker Westwinde nach Süden zusammendrängt, hieß es vor zwei Wochen in einer Pressemitteilung des Alfred-Wegener-Instituts.
Dadurch wiederum würde verstärkt warmes Tiefenwasser vor der Küste der Antarktis aufsteigen und dort das Abtauen von Meer- und Schelfeis begünstigen. Hinzu kämen überdurchschnittliche Lufttemperaturen.
Die lägen beiderseits der Antarktischen Halbinsel im Monatsmittel derzeit 1,5 Grad Celsius über dem langjährigen Durchschnitt. Letztendlich spielen allerdings auch vorherrschende Windrichtungen eine Rolle, die die Eisdecke verteilen oder zusammendrücken können. Diverse Teile des Puzzles müssten noch genauer untersucht werden.
Benannt ist das Bremerhavener Institut, das auch die deutsche Forschungsstation in der Antarktis betreibt, übrigens nach dem deutschen Meteorologen und Geophysiker Alfred Wegener. Der gebürtige Berliner war in den 1920er-Jahren einer der Pioniere der Erforschung des grönländischen Eisschildes, auf dem er im November 1930 bei einer Expedition ums Leben kam.
Wegener gehörte daneben in Deutschland zu den Ersten, die davon sprachen, dass sich die Kontinente in der Erdgeschichte erheblich gegeneinander verschoben haben. Eine These, für die erst ein gutes halbes Jahrhundert, nachdem Wegener sie formuliert hatte, die letzten schlagenden Belege erbracht wurden.