Anti-Davos: Über 200 Millionäre fordern Besteuerung von Ultra-Reichen

Frau hält ein Schild mit der Aufschrift: "Besteuert die Reichen" bei einer Occupy Wall Street Aktion in New York City hoch. Bild: Timothy Krause / CC BY 2.0

Die extreme Vermögenskonzentration sei nicht mehr tragbar, sagen einige Superreiche selbst. In einem Brief fordern sie die politischen Entscheider in Davos auf: Besteuerung von großen Vermögen jetzt! Und fragen: Was hält Sie davon ab?

Eine Gruppe von über 200 Millionären aus 13 Ländern fordert in einem Brief von den politischen Entscheidern, die sich in Davos beim Weltwirtschaftsforum versammeln, die Reichen, zu denen die Unterzeichner:innen selbst zählen, zu besteuern.

So könne man die sprunghaft ansteigende Ungleichheit in den Griff bekommen. Die extreme Konzentration von Vermögen an der Spitze der Gesellschaft sei "untragbar". Die Botschaft wurde den Davos-Teilnehmern persönlich übergeben. Darin heißt es unter anderem:

Wachsende Armut und zunehmende Wohlstandsungleichheit, der Aufstieg des antidemokratischen Nationalismus, extreme Wetterbedingungen und der ökologische Niedergang, gravierende Schwachstellen in unseren allgemeinen Sozialsystemen und die schwindenden Möglichkeiten für Milliarden von einfachen Menschen, einen existenzsichernden Lohn zu verdienen. Warum tolerieren Sie in diesem Zeitalter der multiplen Krisen weiterhin extremen Reichtum? … Die Lösung liegt für alle auf der Hand. Besteuern Sie die Superreichen, und zwar sofort. Das ist eine einfache, vernünftige Wirtschaftspolitik. Es ist eine Investition in unser Gemeinwohl und eine bessere Zukunft, die wir alle verdienen. Als Millionäre wollen wir diese Investition tätigen.

Laut einer am Montag von Oxfam International veröffentlichten Studie hat das obere eine Prozent der Weltbevölkerung 26 Billionen Dollar von den 42 Billionen an Vermögenswerten, die seit 2020 geschaffen wurden, für sich beansprucht – fast doppelt so viel wie der Anteil, den die restlichen 99 Prozent erhielten.

Eine andere Untersuchung ergab, dass der Reichtum der Milliardäre in den letzten zehn Jahren um 99,6 Prozent, rund 5,9 Billionen Dollar, gestiegen ist.

Die Autoren der Studie verweisen zugleich darauf, dass eine jährliche progressive Vermögenssteuer große Summen einbringen würde. Allein eine Steuer von zwei Prozent für diejenigen, die ein Nettovermögen von fünf Millionen Dollar oder mehr haben, drei Prozent für die, die mindestens 50 Millionen Dollar besitzen und fünf Prozent für die Gruppe der Milliardäre würde 1,7 Billionen Dollar an Einnahmen generieren. Damit könnten Initiativen zur Armutsbekämpfung, zum Klimaschutz und zum Gesundheitswesen finanziert werden.

Eine der Unterzeichnerinnen des Briefes ist die amerikanische Dokumentar-Filmemacherin Abigail Disney, die die Weltverbesserungs-Rhetorik in Davos als eine Farce bezeichnet. Disney ist Mitglied der Patriotic Millionaires, einer Organisation, die sich dafür einsetzt, dass wohlhabende Menschen einen größeren Anteil ihres Einkommens an Steuern zahlen:

Solange die Teilnehmer von Davos nicht anfangen, über die Besteuerung der Reichen zu sprechen, belegt das Treffen lediglich, wie abgehoben sie wirklich sind.

Ein weiterer Unterzeichner des Briefs, der Millionär Morris Pearl, Vorsitzender von Patriotic Millionaires, kritisiert, dass das Weltwirtschaftsforum eine irrelevante Selbstbeweihräucherung darstelle.

Sie weigern sich, die offensichtliche Tatsache zu akzeptieren: Die Ursache der Ungleichheit besteht darin, dass die Reichen immer reicher werden, ohne Steuern zu zahlen.

Die Untätigkeit ist besorgniserregend

Hier der Brief in ganzer Länge (die Liste der Unterzeichner finden Sie hier):

An die politischen Entscheider, die in Davos anwesend sind:

Wir leben in einem Zeitalter der Extreme. Wachsende Armut und zunehmende Wohlstandsungleichheit, der Aufstieg des antidemokratischen Nationalismus, extreme Wetterverhältnisse und ökologischer Niedergang, gravierende Schwachstellen in unseren allgemeinen Sozialsystemen und die schrumpfenden Möglichkeiten für Milliarden von einfachen Menschen, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen.

Extreme sind unhaltbar, oft gefährlich und werden selten lange toleriert. Warum also akzeptieren Sie in diesem Zeitalter zahlreicher Krisen weiterhin extremen Wohlstand?

Die Geschichte der letzten fünf Jahrzehnte ist eine Geschichte des Wohlstands, der nur nach oben fließt. In den letzten Jahren hat sich dieser Trend stark beschleunigt. In den ersten beiden Jahren der Pandemie haben die zehn reichsten Männer der Welt ihren Reichtum verdoppelt, während 99 Prozent der Menschen einen Rückgang ihres Einkommens hinnehmen mussten.

Milliardäre und Millionäre haben ihren Reichtum um Billionen von Dollar anwachsen sehen, während die Kosten für den einfachen Lebensunterhalt jetzt die normalen Familien in der ganzen Welt lähmen.

Die Lösung liegt für alle auf der Hand. Sie als politische Repräsentanten weltweit müssen uns, die Ultrareichen, besteuern, und Sie müssen jetzt damit beginnen.

Die derzeitige Untätigkeit ist sehr besorgniserregend. Ein Treffen der "globalen Elite" in Davos, bei dem die "Zusammenarbeit in einer zersplitterten Welt" erörtert wird, ist sinnlos, wenn man nicht die Ursache der Spaltung bekämpft.

Die Verteidigung der Demokratie und der Aufbau der Zusammenarbeit erfordern Maßnahmen zum Aufbau gerechterer Volkswirtschaften, und zwar genau jetzt – es ist kein Problem, das unseren Kindern überlassen werden kann, um es zu lösen.

Jetzt ist es an der Zeit, den extremen Reichtum zu bekämpfen; jetzt ist es an der Zeit, die Superreichen zu besteuern.

Jede Gesellschaft kann nur eine bestimme Menge an Stress ertragen, Mütter und Väter nur eine gewisse Zeit ihren Kindern beim Hungern zusehen, während die Superreichen ihren wachsenden Reichtum genießen. Die Kosten des Handelns sind viel niedriger als die Kosten der Untätigkeit – es ist an der Zeit, mit der Arbeit zu beginnen.

Besteuern Sie die Superreichen, und zwar sofort. Das ist eine einfache, vernünftige Wirtschaftspolitik. Es ist eine Investition in unser Gemeinwohl und eine bessere Zukunft, die wir alle verdienen. Als Millionäre wollen wir diese Investition tätigen

Was – oder wer – hält Sie davon ab?