Antisemitische Kontinuität

Seite 2: Das süße antisemitische Gift des "Jud Süß"

Der Film konstruiert seine antisemitische Propaganda um eine historische Figur des 18. Jahrhunderts, einen jüdischen Bankier, der als Finanzberater Herzogs Karl Alexander von Württemberg tätig war. Die größtenteils frei erfundene Filmhandlung zeichnet "Jud Süß Oppenheimer" als einen skrupellosen Intriganten, als einen geldgierigen Lüstling, der den ausschweifenden Lebensstil des Herzogs durch immer neue Steuern finanziert, der den Judenbann aufheben lässt und sich dabei vor allem selber bereichert - während das Volk unter der zunehmenden Streulast stöhnt.

Zentral in dem Film ist aber ein klassisch melodramatischer Handlungsstrang, bei dem der zum Finanzminister aufgestiegene Jude einer verheirateten arischen Frau nachstellt, ihren Vater und Ehemann verhaften lässt, die verzweifelte Frau, die sich an ihn mit der Bitte um Gnade wendet, sexuell belästigt und schließlich vergewaltigt.

Die perfide Schlüsselszene des Films besteht aus einer Montage, bei der sich die Vergewaltigung der arischen Ehefrau durch den Juden mit der Folter ihres verhafteten Ehemanns abwechselt, die Oppenheimer anordnete.

Diese Vergewaltigung der arischen Frau, die hiernach Suizid begeht, führt zusammen mit der drückenden Streulast zum Aufstand der Stände. Die Württemberger ziehen zur Residenz ihres Herzogs und nötigen ihn, sich zwischen ihnen und dem Juden Oppenheimer entscheiden zu müssen - worauf der Herzog an einem Herzinfarkt stirbt.

Das "Happy End" des antisemitischen Historienschinkens besteht darin, dass Oppenheimer aufgrund der "Rassenschande", also des Beischlafs mit einer Arierin hingerichtet wird und alle Juden aus Württemberg wieder vertreiben werden.

Der Film entwickelte sich in seiner Mischung aus Unterhaltung und Antisemitismus zum Kassenschlager und einen der größten Propagandaerfolge der Nazis. Mehr als 20 Millionen Reichsbürger, rund ein Drittel der Bevölkerung, sahen sich dieses Machwerk an, bei dem eine tragische Beziehungsgeschichte mit antisemitischen Ressentiments angereichert wurde.

Nahezu alle antisemitischen Wahnbilder, die in aller Brutalität in "Der Ewige Jude" zu finden sich, werden auch in "Jud Süß" vermittelt, nur geschieht das implizit, aus der kulturindustriell standardisierten Handlung heraus. Auch die eliminatorische Konsequenz des Antisemitismus, die in "Der ewig Jude" faktisch im Rahmen der abschließenden Hitler-Rede angekündigt wird, ist in "Jud Süß" in Gestalt der Hinrichtung Oppenheimers zu finden.

Der Film war folglich nicht nur ein Kassenschlager, er wurde auch den Tätern vorgeführt. Die Einsatzkommandos im Osten, die hinter der Front den Massenmord an Juden vollzogen, haben den "Jud Süß" ebenso vorgeführt bekommen, wie die Wachmannschaften der SS in den Konzentrations- und Vernichtungslagern Nazideutschlands.

Der Sicherheitsdienst SD meldete in geheimen Berichten dem Propagandaministerium, dass der Film im ganzen Reich eine "anhaltend zustimmende Aufnahme" finde.

Die Schaffung und Vertiefung von antisemitischen Ressentiments sei laut SD geglückt, was sich in antisemitischen Parolen geäußert habe, die im Gefolge der Filmvorführungen gefallen seien.