Arabische Emirate: Partner Russlands oder der EU?
Die USA und die Deutschland setzen auf Energielieferungen aus Abu Dhabi. Beim kommenden Besuch dort könnten sie russischen Oligarchen über den Weg laufen. Reden will man darüber in Brüssel und Berlin aber nicht.
Hat die britische Premier League überprüft, ob Scheich Mansour bin Zayed bin Sultan Al Nahyan den Ansprüchen ihres "Fit and Proper Owner Test [1]" genügt und würdig ist, den Fußballclub Manchester City zu besitzen sowie mit hunderten Millionen Britischen Pfund jährlich an der Spitze des englischen Fußballs zu halten? Diese auf den ersten Blick absurd anmutende Frage ist der Kern eines Informationsgesuchs [2] der Anwälte Rhys Davies und Ben Keith. Sie vertreten die Interessen eines anonymen ukrainischen Staatsbürgers.
Der Ukrainer und seine Anwälte werfen dem „Minister für Präsidentschaftsangelegenheiten“ der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) vor, er helfe russischen Oligarchen, in Dubai und an anderen Orten der Emirate ihre Privatjets zu parken, ihre Luxusyachten vor Anker zu legen und riesige Geldvermögen in Immobilien zu investieren, um Sanktionen zu umgehen, die das Vereinigte Königreich gegen sie wegen ihrer Mitverantwortung an Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine verhängt hat.
Im März 2022 hat Großbritannien die VAE auf ihre Liste von Ländern mit hohem Risiko für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gesetzt [3]. Entsprechend fordern die Anwälte Davies und Keith vom britischen Außenministerium Ermittlungen und gegebenenfalls Sanktionen gegen Mansour [4].
Dass russische Milliardäre ihre Vermögen in den VAE in Sicherheit bringen, beeinträchtigt auch Sanktionsbemühungen der USA und der EU. Anfang März 2022 hat die multilaterale Financial Action Task Force (FATF) die VAE auf ihre "graue Liste [5]" derjenigen Länder aufgenommen, deren Rechtswesen unter erhöhter Beobachtung steht, da in ihnen ein wesentlich höheres Risiko für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung besteht.
Die Aufnahme eines Landes in die graue Liste der FATF zieht für gewöhnlich seine Übernahme in die "schwarze Liste" der Europäischen Union [6] nach sich. Sie verzeichnet "Hochrisiko-Drittländer" mit strategischen Mängeln in ihren Regelungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (AML/CFT), die eine erhebliche Bedrohung für das Finanzsystem der Union darstellen. Für Geschäftsbeziehungen mit Hochrisikoländern gelten verschärfte Sorgfaltspflichten (Enhanced Due Diligence, EDD).
Bisher hat die EU-Kommission die Aufnahme der VAE in ihre AML/CFT-Liste aber noch nicht vollzogen, so sind Geschäftsbeziehungen zwischen EU-Ländern und den VAE noch relativ unkompliziert. Bei den letzten Visiten von Staats- und Regierungschefs der EU in den Emiraten war davon auch keine Rede.
Bulgarien strebe einen "einen viel aktiveren bilateralen Dialog mit den Vereinigten Arabischen Emiraten an, der zu greifbaren Ergebnissen in den Bereichen Energie, Hochtechnologie, Innovation, Verkehr und anderen Bereichen von gemeinsamem Interesse führen" werde, erklärte stattdessen Bulgariens Staatspräsident Rumen Radev Anfang September 2022 bei seinem Staatsbesuch in Abu Dhabi [7].
Scholz: "Langjährige Beziehungen" mit Emiraten
Und Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich am selben Ort wenige Wochen später ähnlich:
Wir haben mit den Vereinigten Arabischen Emiraten schon sehr langjährige Beziehungen. Da gibt es sogar ein Jubiläum. Deshalb ist es natürlich richtig, dass wir in der Kontinuität dieser Beziehungen weiterarbeiten, auch die technologischen Kooperationen und die Investitionen in eine klimaneutrale Zukunft vorantreiben und gleichzeitig die Energiesicherheit heute gewährleisten. Ich glaube, dass das immer funktioniert, natürlich eingebettet in den Rahmen, den wir haben, bei dem jeder weiß, wer wir sind und für welche Rechte und Werte wir stehen.
Acht Europa-Abgeordnete, überwiegend aus sozialdemokratischen und grünen Fraktionen, haben EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness bereits am 11. Mai 2022 in einem offenen Brief zur schnellstmöglichen Aufnahme der VAE in die EU-Liste der Hochrisiko-Drittländer [8] aufgefordert.
Zur Begründung verwiesen sie auf die Rechercheergebnisse der Gruppe Dubai Uncovered [9] und zahlreiche Medienberichte darüber, wie russische Milliardäre wie Roman Abramowitsch und Andrej Melnitschenko Vermögenswerte in den VAE vor Beschlagnahmung in Sicherheit bringen [10], um gegen sie verhängte Sanktionen zu umgehen.
Wir, die unterzeichnenden Mitglieder des Europäischen Parlaments, fragen uns daher, wie viele Beispiele brauchen wir noch, bevor die Kommission endlich ihre Liste der Hochrisiko-Drittländer überarbeitet und die Vereinigten Arabischen Emirate darin aufnimmt?
Offenen Brief der acht Europa-Abgeordneten [11]
Die Emirate ermöglichten "Geldwäsche im großen Stil", schrieben die Abgeordneten an McGuiness, sie seien ein "berüchtigter sicherer Hafen für kriminelle Machenschaften, korrupte Beamte, russische Oligarchen und sehr vermögende Privatpersonen".
Unter Verweis auf die Aufnahme der VAE in die graue Liste der FATF antwortete Mairead McGuiness mit Schreiben vom 18. Juli 2022, die EU-Kommission sei überzeugt, die Emirate erfüllten die in der Richtlinie (EU) 2015/849 festgelegten Kriterien zur Aufnahme in die Liste der Hochrisiko-Drittländer. So sei die Europäische Kommission dabei, "die Delegierte Verordnung (EU) 2016/1675 zu aktualisieren, um die Vereinigten Arabischen Emirate in die Liste der Länder mit hohem Risiko aufzunehmen".
Auf journalistische Anfrage an die Unterzeichner und Unterzeichnerinnen des Offenen Briefs, was sich seit ihrem Briefwechsel mit der EU-Finanzkommissarin in der Angelegenheit getan habe, fand sich der Großteil der MdEPs zu keiner Antwort bereit.
Eine substanzielle Antwort kam allein aus dem Parlamentsbüro der Grünen-Abgeordneten Kira Marie Peter-Hansen. In einer Antwort ihres Büros hieß es, es sei "absolut entscheidend, dass die Sanktionen gegen Russland ihre volle Wirkung entfalten".
Obwohl das internationale Bewusstsein diese Angelegenheit auch dadurch geschärft worden sei, dass das US-Finanzministerium die VAE im Sommer gewarnt habe, "brauchen wir noch viel mehr Druck, um sicherzustellen, dass die VAE nicht weiterhin ein sicherer Hafen für russische Oligarchen sind".
Die Grünen unternähmen deshalb alles, um Druck auf die EU-Kommission auszuüben, damit sie die VAE auf ihre schwarze Liste der Geldwäschebekämpfung setze: "Wir haben gehört, dass es in der Kommission derzeit interne Kämpfe darum gibt, was Anlass zu großer Sorge bietet."
Emirate sollen auf schwarze Liste der EU – aber wann?
Auf eine an EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness gerichtete journalistische Anfrage zum Verhältnis der Europäischen Union zu den Vereinigten Arabischen Emirate antwortete der Sprecher der EU-Kommission Daniel Sheridan Ferrie: "Gemäß der EU-Methode zur Ermittlung von Drittländern mit hohem Risiko und Mängeln in ihrem System zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hat yeine Aufnahme in die Liste der FATF auch eine Aufnahme in die Liste der EU zur Folge. Die EU wird ihre Liste zu gegebener Zeit aktualisieren."
Wann die "gegebene Zeit" gekommen sein könnte, ließ er offen, führte aber aus, die EU-Kommission habe im Mai 2022 eine neue Strategie für das externe Energieengagement sowie eine Mitteilung über die Golfregion verabschiedet. In beiden Dokumenten werde "die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit der EU mit den Golfstaaten im Energiebereich festgestellt".
Dazu gehörten Themen wie die Erhöhung der Flüssiggaslieferungen, Maßnahmen zur Stabilisierung der Ölmärkte, die Zusammenarbeit in den Bereichen Wasserstoff, Energieeffizienz und der schnellere Einsatz erneuerbarer Energien.
Im Namen von EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinnes ließ Ferrie damit die Frage unbeantwortet, ob es nicht ein Widerspruch sei, die VAE einerseits zum Hochrisikoland für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu erklären und andererseits die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen mit ihnen durch zusätzliche Energielieferungen zu verfolgen?
Auf die Kanzler Scholz gerichtete Frage, ob die Bundesregierung die Vereinigten Arabischen Emirate wie die Europäische Kommission als AML/CFT-Hochrisikoland betrachte oder als wichtigen Partner für die wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Energieversorgung, wollte das Bundespresseamt zunächst lediglich auf die Erklärung des Kanzlers während seines Staatsbesuches in Abu Dhabi verweisen.
Auf Nachfrage fand man sich ("wie üblich ohne Namensnennung") lediglich zu der Mitteilung bereit, grundsätzlich gelte, "die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hat für die Bundesregierung höchste Priorität. Zudem ist die Bundesregierung bestrebt, die Sanktionsdurchsetzung noch effizienter zu gestalten – insbesondere mit Blick auf die in Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine erlassenen Sanktionspakete."
Der Bezug zu den VAE ging bei dieser Antwort indes völlig verloren. Ob es unterschiedliche oder übereinstimmende Positionen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission zu den Vereinigten Arabischen Emirate gibt, bleibt damit ebenso ungeklärt, wie die Frage, ob die Emirate nun als Schutzhafen der russischen Oligarchie zu gelten haben oder als wichtiger Energielieferant für Deutschland und die EU.
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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.lawinsport.com/topics/item/a-guide-to-the-owners-and-directors-test-in-english-football
[2] https://chof360.com/premier-league-is-asked-if-it-has-investigated-manchester-city-owner-over-russia-allegations-manchester-city/
[3] https://www.legislation.gov.uk/uksi/2022/393/made
[4] https://www.middleeasteye.net/news/uae-russian-prince-helping-oligarchs-evade-sanctions
[5] https://www.fatf-gafi.org/publications/high-risk-and-other-monitored-jurisdictions/documents/increased-monitoring-march-2022.html
[6] https://finance.ec.europa.eu/financial-crime/high-risk-third-countries-and-international-context-content-anti-money-laundering-and-countering_en
[7] https://www.bta.bg/en/news/bulgaria/320397-president-radev-arrives-in-abu-dhabi-for-two-day-official-visit-to-uae
[8] https://www.businessinsider.in/finance/news/dubai-and-uae-should-be-blacklisted-and-face-sanctions-for-sheltering-oligarchs-and-dirty-money-activists-say-report/articleshow/92162901.cms
[9] https://www.occrp.org/en/investigations/dubai-uncovered-data-leak-exposes-how-criminals-officials-and-sanctioned-politicians-poured-money-into-dubai-real-estate
[10] https://www.ft.com/content/0b4d7171-f632-4901-aafe-e283a732a1a9
[11] https://twitter.com/Kira_MPH/status/1524364592511606784?s=20&t=A9b_iPxx2lDuPvRasWgrkA
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