Arzneimittel-Rabattverträge der Gesetzlichen Krankenkassen mit unerwünschten Nebenwirkungen
Kostenoptimierung bei der Arzneimittelversorgung sorgt für niedrigere Preise und eine Verlagerung der Produktion nach Fernost
Dank der Rabattverträge muss der Pharmavertreter nicht mehr jeden einzelnen Arzt überzeugen sondern überzeugt die jeweilige Krankenkasse und hat deren Versicherte für zwei Jahre als Kunden gesichert. In der Konsequenz haben viele Arzneimittelhersteller ihren Außendienst deutlich verkleinert.
War in der Vergangenheit so mancher Arzt der Versuchung ausgesetzt, sich eine mehr oder minder große Belohnung durch die Verschreibung eines bestimmten Medikamentes zu verdienen, so hat sich diese Möglichkeit seit dem Jahre 2003 in zunehmendem Maße erledigt. Seit diesem Jahr können die Gesetzlichen Krankenkassen individuelle Rabattvereinbarungen über Arzneimittel mit pharmazeutischen Unternehmen abschließen.
Verstärkt wurde die Auswirkung der Rabattverträge im April 2007. Damals wurden die Apotheken zur vorrangigen Abgabe eines rabattierten Arzneimittels verzichtet. Verkauft wurde die Rabattierung als wichtiges Instrument zur Kostendämpfung bei den Arzneimittelausgaben. Heute sind ungefähr Dreiviertel aller Generikapackungen im Markt rabattvertragsgeregelt.
Welche Rabatte im Einzelnen eingeräumt werden, zählt zu den bestgehüteten Geheimnissen des Marktes. Veröffentlicht werden nur die Namen der Unternehmen, mit welchen die einzelnen Gesetzlichen Krankenkassen ihre Rabattverträge für bestimmte Medikamente abgeschlossen haben, nicht jedoch die Konditionen. Die genauen Einsparungen der Krankenkassen bei der Abgabe von Rabattarzneimitteln sind nicht bekannt. Es wird jedoch allgemein angenommen, dass die Abgabe der rabattierten Arzneimittel immer wirtschaftlicher sind als nicht rabattierte Präparate.
Für das Jahr 2016 werden die von allen gesetzlichen Kassen durch den Abschluss von Rabattverträgen erzielten Einsparungen mit 3,89 Mrd. Euro beziffert, wobei die Summe in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Nicht bewertet sind im Zusammenhang mit den Einsparungen durch Rabatte die möglichen Zusatzkosten, die entstehen, weil eine bestimmte rabattierte Darreichungsform des Medikaments vom Patienten schlechter vertragen wird und daher zusätzliche Medikamente verabreicht werden müssen.
Unterschiedliche Größen können von unterschiedlichen Anbietern kommen
In der Anwendung der Medikamente kann es gerade bei älteren Patienten, die über viele Jahre an die Einnahme eines bestimmten Medikamentes gewohnt sind, zu Irritationen kommen. Wenn beispielsweise ein Patient 100 mg von einem Medikament verordnet bekommt, es dieses jedoch in der rabattierten Ausführung nur in Größen von 75 mg und 25 mg gibt, kann es durchaus sein, dass die beiden Größen von unterschiedlichen Anbietern kommen und sich in Form, Farbe und hinsichtlich der Zusatzstoffe unterscheiden. Hierdurch vergrößert sich das Risiko der Nebenwirkungen aufgrund unverträglicher Zusatzstoffe.
Ob ein Arzneimittel zuzahlungsfrei abgegeben wird, entscheidet die jeweilige Krankenkasse. Offensichtlich waren viele Produkte in der Anfangszeit von den Zuzahlungen befreit, um die Versicherten an die Rabattregeln und die damit verbundenen Medikamentenumstellungen zu gewöhnen. Auch nach Umstellungen bei den Rabattverträgen wurde für einen begrenzten Zeitraum auf eine Zuzahlung verpflichtet.
Die Kassen schließen ihre Rabattverträge mit mindestens einem, vielfach jedoch mit drei Herstellern ab. Ein Hersteller, der bei einer Vergaberunde nicht ausgewählt wurde, hat für die folgenden zwei Jahre keinen Marktzugang zu den Versicherten dieser Kasse. Was auf der einen Seite zu einer Senkung der Arzneimittelkosten für die Kassen geführt hat, sorgte auf der anderen Seite für eine deutliche Konsolidierung des Marktes, weil gerade kleinere und mittlere Hersteller, die nicht genügend Rabattverträge abschließen konnten, in der Praxis aus dem Markt gedrängt werden.
Erreicht ein Hersteller keinen Abschluss über einen Rabattvertrag, ist er innerhalb kürzester Zeit für mindestens zwei Jahre von diesem Markt ausgeschlossen. Somit sorgen die Rabattverträge dafür, dass es in der Folge der Konsolidierung zu einer deutlichen Reduzierung der Zahl der Player im Markt kommt, wodurch sich auf lange Sicht der Wettbewerb deutlich einschränken dürfte. Auf der anderen Seite sorgt die Konzentration auf der Herstellerseite dafür, dass sich das Angebot an Arzneimitteln auf wenige Anbieter konzentriert.
Heute decken die Top 10 Produzenten 53 Prozent des Generika-Umsatzes in den Apotheken und 65 Prozent der verkauften Packungen ab. Im Falle eines Produktionsausfalles bei einem der Hersteller oder in dessen Lieferkette kann die Liefersicherheit möglicherweise nicht mehr gegeben sein.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Der durch die Rabattierung hervorgerufene Kostendruck hat zwar in den letzten Jahren zu erheblichen Einsparungen bei den GKVs gesorgt, hat aber auch zu einer deutlichen Reduzierung der Zahl der Anbieter am Markt geführt. Und dies gilt nicht nur für die Anbieter in Deutschland, sondern auch für die gesamte Lieferkette. So werden die heute eingesetzten Antibiotika-Grundstoffe praktisch nur noch aus Indien und China bezogen.
Eine letzte Fertigung in Frankfurt-Höchst war im Jahre 2016 eingestellt worden. Kommt es bei einem der wenigen verbliebenen Lieferanten zu einem Problem in der Fertigung, so wirkt sich der Ausfall zügig auf das gesamte Marktangebot der von einem dieser Schlüsselunternehmen hergestellten Produkte aus.
Als beispielsweise am 10. Oktober 2016 die Explosion eines Ethanolkessels die Fabrik der Qilu Pharmaceutical Company im chinesischen Jinan erschütterte, fand dieser Vorfall keinen Eingang in die Meldungen westlicher Medien. Erst Mitte Dezember 2016 wurde auch in Deutschland klar, dass im Osten Chinas eine der weltweit bedeutendsten Piperacillin-Produktionsanlagen ausgefallen war. Und im Laufe der kommenden Monate zeichnete sich ab, dass es praktisch unmöglich war, kurzfristig Ersatz für diese Fertigung aufzutreiben.
In der Folge musste auf weniger geeignete alternative Wirkstoffe zurückgegriffen werden. Es kam in der Folge die politische Forderung auf, dass es für alle relevanten Arzneimittelgrundstoffe eine Fertigungsbasis in Deutschland oder zumindest der EU geben sollte. Wie deren Finanzierung geregelt werden könnte, ist bislang nicht geklärt.
Ob diese Entwicklung der Produktionsverlagerungen jetzt in erster Linie auf den Preisdruck durch die Rabattverträge zurückzuführen ist oder dies dem allgemeinen Druck zur Steigerung der Rentabilität geschuldet ist, lässt sich nicht wirklich beurteilen.