Assange-Verfahren in London: nicht suizidal genug?

Julian Assange (2014). Bild: Cancillería del Ecuador, CC-BY-SA-2.0

USA sind im Fall des Wikileaks-Gründer um kein Argument verlegen

Noch immer muss Julian Assange seine Auslieferung in die USA befürchten, wo man ihm für die Enthüllung von Kriegsverbrechen den Prozess machen will.

Am zweiten und letzten Tag der am Mittwoch begonnenen Anhörung zur Berufung reagierten die Anwälte von Assange auf das Plädoyer des US-Anwalts, der den Journalisten am Vortag als Simulanten hinstellte und humanitäre Haftbedingungen versprach.

Die Vertreter von Assange beriefen sich auf den ähnlichen Fall des Hackers Lauri Love, der nicht an die USA ausgeliefert worden sei, weil er am Asperger-Syndrom leide und daher eine Haft in den USA das Risiko eines Suizids berge.

Der damals auch mit diesem Fall befasste oberste Richter Ihrer Majestät, Ian Burnett, erklärte allerdings, dass die Fälle nicht vergleichbar seien. Lauri Love, der mit dem Hacker-Kollektiv Lulzsec in Verbindung gebracht wird, saß diese Woche aus Solidarität zu Assange auf der Zuschauertribüne.

US-Anwalt Lewis hatte am Vortag Assanges Leiden am Asperger-Syndrom bestritten, dieser sei lediglich etwas depressiv. Lewis bezichtigte Gutachter Michael Kopelman sogar der Täuschung des Gerichts, da Kopelman bei seiner Beurteilung des Suizidrisikos unterschlagen habe, dass dieses durch die Vaterschaft zweier kleiner Kinder reduziert worden sei. Auch gäbe es in US-Gefängnissen durchschnittlich weniger Selbstmorde als in Großbritannien.

Die geringere Suizidrate bei US-Häftlingen entkräfteten Assanges Anwälte jedoch mit der Tatsache, dass in den USA etliche junge Menschen für Kleinigkeiten wie Besitz von Marihuana inhaftiert würden, die nun einmal eher nicht suizidal seien. Außerdem steigt in den US-Gefängnissen die Suizidrate.

US-Mordpläne wegen CIA-Leaks

Der um keinen Zynismus verlegene US-Anwalt Lewis bestritt, dass man von Isolationshaft sprechen könne, wenn ein Angeklagter nach Belieben seine Anwälte treffen könne – was Assange pikanterweise in Großbritannien verwehrt wurde. Soweit die USA auf einmal Zusicherungen anbieten, Assange nicht "speziell" zu behandeln, sehen dies die Assange-Anwälte als verspätet an.

Diese Zusagen sind allerdings nahezu unglaubhaft, zumal Assange auch mit Beugehaft als Zeuge zu rechnen hat, wie bei Chelsea Manning geschehen, die mehrere Suizidversuche unternahm.

Die Assange-Anwälte erinnerten zunächst an die aufgeflogene Überwachung Assanges durch eine von den USA angeheuerte spanische Sicherheitsfirma, deren Schnüffler unter anderem Windel und Schnuller von Assanges Kindern hatten sicherstellen wollen (Operation Windel).

Zudem führten sie auch die aktuellen Enthüllungen ins Feld, denen zufolge der US-Auslandsgeheimdienst CIA 2017 die Entführung und Liquidation von Assange in der Botschaft von Ecuador geplant habe.

Trumps rustikaler CIA-Chef Mike Pompeo hatte die Authentizität dieser Pläne indirekt eingeräumt, indem er sich über die Geheimnisverräter empörte.

Der Hass der CIA rührt nicht zuletzt aus dem Leak Vault 7, mit dem Assange das CIA-Instrumentarium zur Cyber-Kriegsführung und zur Durchführung von elektronischer Überwachung enthüllte.

In den USA befasst sich derzeit der Geheimdienstausschuss mit dem für die ecuadorianische Botschaft konzipierten Bubenstück. Das Vereinigte Königreich, das bislang offenbar noch keine Protestnote an den mächtigen Verbündeten gesandt hat, würde sich jedenfalls ein Glaubwürdigkeitsproblem einhandeln, wenn es das potenzielle Opfer einer solch völkerrechtswidrigen Aktion in einer ausländischen Botschaft auf britischem Boden ausgerechnet an die USA ausliefert.

Wann die Lordrichter Ihrer Majestät ihr Urteil bekannt geben, ist unklar.