Warum sich Europa bei Kernbrennstoffen schwer von Russland trennen kann
Europas Atommeilder sind zum Teil auf Brennstäbe aus Russland angewiesen. Die Franzosen wollen das ändern. Warum der Plan an Deutschland scheitern könnte.
Europa möchte sich bei der Energieversorgung von Russland emanzipieren. Bei Öl und Gas hat es in den vergangenen zwei Jahren Fortschritte gegeben, bei der Kernenergie nicht. Hier wird die Zusammenarbeit sogar noch verstärkt.
Emanzipation von Russland: Fortschritte und Herausforderungen
Auf europäischer Seite sind Deutschland und Frankreich dabei – trotz des gespaltenen Verhältnisses zu Russland. Und während immer wieder betont wird, man müsse sich von Russland abkoppeln, wächst der Einfluss Moskaus auf die nukleare Lieferkette in Europa.
Der russische Energiekonzern Rosatom kooperiert mit dem französischen Staatsunternehmen Framatome. Gemeinsam wollen sie Brennelemente für Atomkraftwerke in Osteuropa produzieren, die Strom für 100 Millionen Menschen erzeugen. Noch nutzen Bulgarien, Tschechien, Ungarn und die Slowakei russische Technik.
Bedenken gegen russische Beteiligung in der Atomenergie
Produziert werden soll in der Brennelementfabrik in Lingen, was beim niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer (Grüne) auf wenig Verständnis stößt. In der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) äußerte er seine Bedenken.
Meyer zeigte sich besorgt, dass russische Atomkonzerne wie Rosatom als Staatskonzerne enge Beziehungen zum Kreml pflegen. Er befürchtet, dass deren Mitarbeiter Zugang zur Brennstofffabrik erhalten könnten. Dies könne zu Spionage- und Sabotageakten führen und Betriebsgeheimnisse über die Sicherheit von Atomkraftwerken in falsche Hände geraten lassen, so Meyer.
Mit dieser Aussage nimmt Meyer Bezug auf eine Mitteilung von Framatome. Schon vor Jahren hatte der Standortleiter des Unternehmens laut Bloomberg erklärt, russische Ingenieure würden Arbeiten in der Fabrik beaufsichtigen. Schon im Jahr 2021 – also, noch vor dem Krieg in der Ukraine – hat das zu einer Überprüfung durch deutsche Aufsichtsbehörden geführt.
Öffentliche Meinung gegen russische Beteiligung
Die geplante Kooperation muss vom Land Niedersachsen genehmigt werden. Im Rahmen einer Öffentlichkeitsbeteiligung waren fast 11.000 Einwendungen eingegangen, in denen überwiegend Bedenken gegen die russische Beteiligung geäußert wurden.
Die Genehmigung steht noch aus – und ob sie erteilt wird, ist noch offen. Meyer hat laut Bloomberg das grüne Mantra wiederholt, dass Russlands Einfluss auf den Energiesektor zurückgedrängt werden müsse. Wird die Genehmigung nicht erteilt, könnte es allerdings sein, dass Osteuropa auch weiterhin mit Brennstäben direkt aus Russland beliefert werden muss.
Lingen: Zentrum der Brennelementproduktion in Europa
Seit mehr als vier Jahrzehnten werden in Lingen Brennelemente für Kernkraftwerke in Europa hergestellt, darunter Sizewell B in Großbritannien, Doel in Belgien und Ringhals in Schweden. Die Firma Advanced Nuclear Fuels (ANF) plant, dort künftig auch Brennelemente für osteuropäische Kernkraftwerke sowjetischer Bauart herzustellen.
Damit sollen diese Kraftwerke unabhängiger von Lieferungen aus Russland werden. Um den russischen Brennelementtyp herstellen zu können, strebt die französische Muttergesellschaft von ANF, Framatome, eine Kooperation mit einer Tochtergesellschaft des staatlichen russischen Atomkonzerns Rosatom an.
Suche nach Alternativen: Osteuropa und der Atomkraftstoff
Die osteuropäischen Länder, die noch auf Kernbrennstoff aus Russland angewiesen sind, haben sich seit dem Einmarsch in die Ukraine nach alternativen Lieferanten umgesehen. Ein vorzeitiger Abbruch der Beziehungen könnte jedoch den Betrieb von mehr als einem Dutzend WWER-Reaktoren sowjetischer Bauart gefährden.
Außerhalb Russlands gibt es nur einen weiteren Hersteller von WWER-Brennelementen: Westinghouse Electric entwickelt seit mehr als zwei Jahrzehnten mithilfe der Ukraine und mit finanzieller Unterstützung des US-Energieministeriums einen neuartigen Brennstoff.
Partnerschaft mit Russland: Beschleunigung der Brennstoffkommerzialisierung
Durch die Partnerschaft mit Russland hofft Framatome, die Kommerzialisierung des WWER-Brennstoffs zu beschleunigen, so Bloomberg. Das Produkt sei identisch mit dem Brennstoff, mit dem Rosatom seine Kunden in Osteuropa beliefert. Dies würde auch bedeuten, dass keine neuen "technischen oder rechtlichen" Genehmigungen der Sicherheitsbehörden erforderlich seien, so das Unternehmen.
Ob und wann eine Entscheidung über die geplante Kooperation fällt, konnte Meyer laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) bisher nicht sagen. Niedersachsen müsse die Bewertungen des Bundes abwarten, bevor eine Entscheidung getroffen werden könne.
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