Auf der Suche nach Planet 9

Seite 2: Sechs Himmelsobjekte von Planet Neun beeinflusst

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Man hat wiederholt darüber theoretisiert, dass es im frühen Sonnensystem eventuell nicht vier Planetenkerne gegeben hat, aus denen sich dann Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun gebildet haben, sondern fünf …

Mike Brown: Im vergangenen Jahrzehnt hat man darüber nachgedacht, dass unser Sonnensystem vielleicht einmal mehr als vier Riesenplaneten hatte und einer davon weit herausgeschleudert wurde. Auch Konstantin und ich verfassten eine wissenschaftliche Abhandlung, in der es genau um dieses Thema ging; das passt übrigens auch gut zu unserer jetzigen Entdeckung. Die wahrscheinlichste Erklärung für die Entstehung von Planet Neun: Der Planet bildete sich in einer sehr frühen Phase des Sonnensystems in der Nähe von Uranus und Neptun, kam dann vermutlich Jupiter und Saturn etwas zu nahe und wurde daher in die Peripherie des Systems geschleudert.

Was Beobachtungen und konkrete Beweise angeht - Sie vermuten, dass sechs Himmelsobjekte von Planet Neun beeinflusst werden. Welche sechs sind das?

Mike Brown: Die sechs Objekte, von denen wir ausgingen, sind die sechs am weitesten entfernten bekannten Himmelskörper mit Umlaufbahnen in unserem Sonnensystem. Sie befinden sich in dem Teil des Kuipergürtels, wo auch Pluto und Eris sind, haben aber äußerst elliptische Orbits. Am entferntesten Punkt ihrer Umlaufbahnen weichen alle von ihnen in ungefähr dieselbe Richtung ab; dieser Hinweis hat uns schlussendlich zum Suchen motiviert. Später fanden wir heraus, dass Planet Neun auch für Abweichungen bei einer Reihe von weiteren fünf Objekten verantwortlich ist, die sich allerdings ganz anders außergewöhnlich verhalten; 13 bis 14 nähere Himmelskörper stehen nur unter schwachem Einfluss. Insgesamt wirkt sich Planet Neun aber auf ganz schön viele Objekte aus.

Laut Brown und Batygin sind die sechs am weitesten entfernten bekannten Objekte im Sonnensystem in dieselbe Richtung orientiert und weichen in ihren Umlaufbahnen von der Ekliptik ab. Angeblich ist es Planet Neun, der sie so aus der Bahn bringt. Bild: NASA/Caltech/R. Hurt (IPAC)

Bis jetzt konnte man Planet Neun nicht direkt beobachten. Haben Sie ihn mittels Computer­simulation gefunden?

Mike Brown: Das ist das Schwierige daran - wir haben ihn noch nicht gesehen. Wir wissen nicht genau, wo sich Planet Neun derzeit befindet. Wir sehen zwar seine Auswirkungen und kennen seine Umlaufbahn, müssen aber seinen aktuellen Standort erst ermitteln.

Aber Sie hoffen, dass ihn jemand entdecken wird … haben Sie deshalb Ihre Resultate veröffentlicht?

Mike Brown: Genau. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die Zugang zu Teleskopen und somit einer direkten Beobachtungsmöglichkeit haben, und mit anderen, die ihre Daten im Hinblick auf Planet Neun neu auswerten wollen. Wir könnten ihn bald aufspüren - und wenn sich mehr Menschen dieser Aufgabe widmen, ist das vielleicht sogar in den nächsten fünf Jahren möglich.

Halten Sie bestimmte Teleskope für besonders geeignet dazu?

Mike Brown: Ja, das Super-Teleskop am Mauna Kea in Hawaii. Es ist das einzige große Teleskop, dessen Kamera ein extrem weites Sichtfeld hat, sodass wir riesige Himmelsregionen auf einmal aufnehmen können. Nur so wird man Planet Neun finden können - durch die Beobachtung großer Himmelsregionen, aber auch das Aufspüren sehr schwacher Signale weit draußen. Wir arbeiten seit einem Jahr damit, forschen in dieser Richtung immer weiter und hoffen, so bald zu Ergebnissen zu gelangen.

Planet Neun soll zehnmal massereicher sein als die Erde. Woher wissen Sie das?

Mike Brown: Aus unseren Computersimulationen. Seine Auswirkungen auf das äußere Sonnensystem bedeuten, dass der Planet mindestens zehn Erdmassen haben muss. Vielleicht sind es sogar mehr, wenn man nach den Simulationen geht. Ich glaube aber eher, dass Planet Neun dem Neptun sehr ähnlich ist - also ein Gasriese, der einen großen Bereich des äußeren Sonnensystems dominiert.

Und wie sind die Verhältnisse auf diesem Planeten?

Mike Brown: Sehr kalt. Ansonsten kann ich nur auf den Neptun verweisen, weil wir derzeit nicht mehr wissen. Ob er Monde oder Ringe hat? Keine Ahnung.

Aber er beherbergt kein Leben, oder?

Mike Brown: Man könnte natürlich darüber spekulieren, dass er einen Mond wie Europa und einen Ozean oder so hat, aber das scheint mir alles ziemlich weit hergeholt.

Wie lange würde die Reise dorthin dauern?

Mike Brown: Es gibt Vorschläge, wie man Raumschiffe sehr schnell ins äußere Sonnensystem entsenden könnte, also würde man je nach Distanz 10 bis 15 Jahre benötigen. Dazu müsste das Schiff direkt auf die Sonne zufliegen und ihr so nahe kommen, dass ein gewaltiges Swing-by-Manöver möglich ist. Gleichzeitig dreht man sämtliche Raketentriebwerke voll auf und verbraucht den gesamten Treibstoff, damit das Schiff superschnell zu Planet Neun gelangt. Sobald der Planet erst einmal direkt beobachtet werden konnte, werden sich viele Leute Gedanken darüber machen, wie man hinkommt.

Was verraten die Hinweise auf Planet Neun über das Sonnensystem?

Mike Brown: Unser Sonnensystem wirkte seit jeher irgendwie seltsam; bis jetzt haben wir nichts Ähnliches gefunden. Das Interessante an unserer Vorhersage ist die Tatsache, dass wir seit Langem behaupten, dass in der Galaxis Planeten zwischen Erd- und Neptunmasse am häufigsten vorkommen müssen - aber warum gibt es dann keinen solchen Planeten im Sonnensystem? Jetzt gibt es ihn anscheinend doch. Dazu kommt, dass die meisten Planeten der Galaxis exzentrische Umlaufbahnen haben, während unsere durchwegs kreisförmige Bahnen aufweisen. Planet Neun lässt uns im Vergleich zum Rest der Galaxis plötzlich relativ normal wirken. Das ist auch eine der wichtigsten Schlussfolgerungen für mich: Dieser seltsame Planet da draußen zeigt uns, dass unser Sonnensystem gar nicht so anders ist …

Alan Stern, der Hauptuntersuchungsleiter der New-Horizons-Mission zum Pluto, soll gesagt haben, dass er sich mit einer Aussage zu Ihrer Vorhersage noch zurückhalten will, weil so etwas alle paar Jahre behauptet wird und noch nie zu echten Entdeckungen geführt hat. Was haben Sie also Neues zu bieten?

Mike Brown: Er hat absolut recht. Seit 100 Jahren sagen Forscher die Existenz eines anderen Planeten vorher, und seit 100 Jahren sind all diese Vorhersagen falsch. Das liegt in den meisten Fällen an schlechtem Datenmaterial - aber wir sind sicher, dass unsere Daten in Ordnung sind. Diese Himmelsobjekte gibt es wirklich und sie verhalten sich wirklich so, wie wir das beobachten können. Die Frage ist also: Interpretieren wir die Daten falsch? Wir glauben nicht. Durch die Veröffentlichung unserer Resultate haben jetzt andere Astronomen Gelegenheit, ihre eigenen Interpretationen anzustellen. Das Beste daran ist, dass unsere Vorhersage eines Planeten Neun auch sehr klare Prognosen darüber trifft, was sonst noch im Sonnensystem zu finden sein wird.

Selbst wenn wir Planet Neun nicht gleich finden, sollten wir doch mehr Objekte entdecken, die sich nach diesen eigenartigen Mustern bewegen und nur an den von uns vorhergesagten Orten sein können. Wenn Astronomen also andere Objekte finden, die sich nicht in den von uns vorhergesagten Bahnen bewegen, wäre das ein guter Beweis dafür, dass wir uns geirrt und die Daten falsch interpretiert haben. Entdecken wir aber Objekte an den vorhergesagten Orten, dann weist das auf eine haltbare wissenschaftliche Theorie hin, die klare Aussagen über die Realität trifft.

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