Auf zum Lichtsammeln
High Dynamic Range Imaging (HDRI) ist genau das Richtige für experimentierfreudige Fotobegeisterte im Sommer
Sommerzeit - Fotozeit. Die Sonne lacht herab vom strahlend blauen Himmel (oder sollte dies zumindest tun). Dies ist für viele das ideale Fotowetter. Zu keiner Jahreszeit sind mehr Kamera schwingende Menschen zu sehen als jetzt. Dabei ist das Wetter in Wahrheit alles andere als ideal, übersteigt an einem sommerlichen Tag der natürliche Lichtkontrast die technischen Möglichkeiten der Kameras doch leicht bei weitem. HDR-Bilder lösen dieses Problem.
Den wenigsten Fotofreunden ist bewusst, welches Urproblem der Fotografie, dem "Zeichnen mit Licht", innewohnt: Der in der Natur vorkommende, nicht selten extrem hohe Dynamikumfang einer Szenerie muss mit Aufzeichnungs- und Ausgabemedien eingefangen und wiedergegeben werden, die nur über einen Bruchteil des natürlichen Umfangs verfügen.
Unter "Dynamik-" oder "Kontrastumfang" wird der Unterschied zwischen hellster und dunkelster Stelle einer Szenerie verstanden. Es gibt unterschiedliche Arten, den Dynamikumfang auszudrücken. Anschaulich erscheint zunächst einmal das Kontrastverhältnis, also das Verhältnis zwischen dunkelster zur hellsten Stelle einer Szenerie. Fotografen verwenden jedoch lieber Angaben in "Blendenstufen". Dabei handelt es sich um ein logarithmisches Maß. Wird die Blende um eine Stufe geschlossen, also etwa von 5.6 auf 8.0, so wird die vom Objektiv durchgelassene Lichtmenge genau halbiert. Entsprechend sind die Belichtungszeit-Stufen definiert. Ein Wechsel von 1/250 s auf 1/125 s verdoppelt die Belichtungszeit und somit die vom Film oder dem Sensor während der Belichtung aufgenommene Lichtmenge. Ein Dynamikumfang von 6 Blenden entspricht somit einem Kontrastverhältnis von "1 zu 2 hoch 6", also 1:64. Dies ist der Wert für klassische Diamaterialien. Auch die meisten Digitalkameras bewältigen diesen Bereich oder nur wenig mehr. Die menschliche visuelle Wahrnehmung kommt hingegen klar mit Kontrastumfängen von etwa 15 Blenden. Dies ist ein Grund dafür, warum selbst geschossene Fotografien oft enttäuschend weniger Informationen enthalten als die eigene Erinnerung.
Zu viel des Guten
An einem herrlichen Sommertag sind Kontrastverhältnisse von mehr als 25 Blenden jedoch keine Seltenheit. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich die Sonne in Metallteilen spiegelt. Wenn allerdings die Bildbereiche, die nicht richtig wiedergegeben werden können, zum Gesamteindruck passen, so fällt das Problem nicht weiter auf.
Meistens wird ohne weitere Überlegung mit RGB-Bildern gearbeitet, von denen jede Farbe mit acht Bit codiert wird. Damit sind bekanntlich numerische Werte von 0 bis 255 möglich. Es ist leicht zu sehen, dass dies bei einer hypothetischen digitalen Kamera, die einen Kontrastumfang von 10 oder 12 Blenden verarbeiten könnte, zu Problemen führen würde, weil dieser Bereich mit den 8 Bits nur mit großen "Definitionslücken" abgebildet werden könnte (sog. "Tonwertabrisse", die auch sehr schnell bei der Bearbeitung von 8-Bit-Bildern entstehen). Obwohl die Bildcodierung und der Kontrastumfang eines Sensors zunächst einmal zwei verschiedene Paar Schuhe sind, ist somit einsichtig, dass zur Bildcodierung um so mehr Bits verwendet werden müssen, je höher der darstellbare Kontrastumfang ist. 12 Bit pro Farbkanal sind heute schon typische Werte für professionelle und semi-professionelle Sensoren (die dann von den Bildverarbeitungsprogrammen als 16-Bit-Dateien verarbeitet werden).
Zu helle Bildbereiche sind für einen ernsthaften Fotografen ein Graus, weil dort die Bildinformationen vollständig vernichtet sind. Ein Wert von 255 kann bedeuten, dass dieser Wert gerade eben erreicht wurde. Es könnte aber auch sein, dass die Stelle in der Natur um ein Vielfaches heller gewesen ist. Daher belichten Profis digitale Bilder lieber etwas knapper, damit nicht zu viele Bildteile "ausfressen". Dies ist ein Vorgehen, das alten Hasen noch gut von der Fotografie mit Diafilmen bekannt ist.
Selbstverständlich lösen leichte Unterbelichtungen das Problem nicht grundsätzlich. Sie können die gröbsten Informationsverluste nur mildern, mehr nicht. Glücklicher Weise ist die digitale Fotografie jedoch keine neue, unausgereifte Erscheinung. Und so gibt es längst in der Praxis bewährte Lösungen, die sich vor über zwanzig Jahren in der Computergrafik zu entwickeln begannen, und die inzwischen unter der Überschrift "High Dynamic Range Imaging (HRDI)" firmieren.
Ursprünge in der Computergrafik
Um eine computergenerierte Figur realistisch zu beleuchten, muss nicht nur die (virtuelle) Figur im Rechner dargestellt werden, sondern auch die sie (virtuell) beleuchtenden Lichtquellen. Um natürlich zu wirken, muss der Lichtkontrast zwischen Lichtquelle und Figur so sein, wie in der Natur - also extrem groß. Es ist demnach nicht verwunderlich, dass eines der verbreitetsten HDR-Dateiformate, OpenEXR, von Industrial Light & Magic entwickelt wurde, einer Firma des "Star Wars"-Erfinders George Lucas.
Wie die Koffer der Schildbürger speichern HDR-Bilder die gesamte Lichtinformation einer Szenerie und nicht bloß einen Ausschnitt des natürlichen Kontrastumfangs. Da ist nichts Geheimnisvolles dabei, solange die Bilder im Rechner von Programmen wie Maya generiert werden. Aber wie fängt man komplette Lichtinformationen auf, wenn Filme und digitale Sensoren doch nur Bruchteile des natürlichen Kontrastumfangs einsammeln können? Ganz einfach, man verwendet eine Technik, die schon im 19ten Jahrhundert angewendet wurde und kombiniere mehrere Bilder einer Belichtungsreihe. Seitdem es Photoshop CS2 von Adobe gibt, ist diese Technik auch für digital arbeitende Fotografen allgemein zugänglich.
HDR-Bilder speichern nicht 8, sondern 32 Bit pro Farbkanal, d.h. sie sind numerisch wirklich dafür ausgelegt, einen hohen Belichtungsumfang verarbeiten zu können. Bei der Kombination mehrerer Bilder zu einem HDR-Gesamtbild ist das Folgende zu beachten:
- Schnappschüsse sind nicht möglich. Die Kamera muss auf einem Stativ montiert sein.
- Die Belichtungs-Bracketing-Funktion, die viele Kameras aufweisen, arbeitet zu feinnervig und meist sind nur drei Serienbilder möglich. Ein Abstand von 2 Blendenstufen von Bild-zu-Bild ist praxisnah.
- Selbst kleine Bewegungen - Blätter im Wind - können störende Artefakte hervorrufen.
Photoshop kann die Bilder in verschiedenen HDR-Formaten abspeichern. Es ist wichtig, sich beim Arbeiten daran zu erinnern, dass HDR-Bilder viel mehr Informationen enthalten, als auf dem Bildschirm dargestellt werden können. Die Regler, die beim Zusammensetzen der Bilder von Photoshop angezeigt werden, dienen nur als eine Art "Preview". Erst wenn aus dem HDR-Bild ein 8- oder 16-Bit-Bild erzeugt wird, muss man sich endgültig für die Art der Umwandlung entscheiden.
Schon heute erfreuen sich HDR-Bilder auch in Amateurkreisen wachsender Beliebtheit. Dies kann man beispielsweise in der VIEW-Fotocommunity ausmachen, in der schon über 100 Fotos unter dem Begriff HDRI verschlagwortet sind. Mit etwas Geduld, einem soliden Stativ und dem richtigen Gespür für HDR-taugliche Motive sollte einem kreativen Sommerurlaub also nichts mehr im Wege stehen. Wer will schon den ganzen Tag faul am Strand liegen?