zurück zum Artikel

Aufrüsten bis zum Atomkrieg

Bernd Müller

Bundeskanzler Scholz wollte einen dritten Weltkrieg verhindern, seine Regierung sagt der Ukraine nun aber doch schwere Waffen zu. USA drohen mit Katastrophe für Russland und Putin persönlich

Spricht man heute vom dritten Weltkrieg, so ist das keine Science-Fiction mehr, auch keine unwahrscheinliche Dystopie – der dritte Weltkrieg ist inzwischen zu einer realen Gefahr geworden.

Am Montagabend warnte der russische Außenminister Sergej Lawrow. "Die Gefahr ist ernst, sie ist real, sie darf nicht unterschätzt werden", sagte er in einem Interview im russischen Fernsehen, das am Montagabend über den Telegram-Kanal seines Ministeriums verbreitet wurde.

Diese Einschätzung wird auch vom deutschen Bundeskanzler geteilt. In einem am Freitag im Spiegel veröffentlichten Interview sagte Olaf Scholz (SPD): Er tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führe. "Es darf keinen Atomkrieg geben", betonte er – und brachte damit auch zum Ausdruck, was die Konsequenz sein könnte, wenn die NATO-Länder die Ukraine mit schweren Waffen beliefern.

Gleichwohl berieten am Dienstag die Vertreter von rund 40 Staaten darüber, wie die Ukraine weiter aufgerüstet werden kann. Bei dem Treffen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland- pfälzischen Ramstein kündigte dann auch die deutsche Verteidigungsministerin, Christina Lambrecht (SPD), an, Panzer an die Ukraine liefern zu wollen.

Die Bundesregierung erlaubt nun dem Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW), technisch überarbeitete Gepard-Panzer aus früheren Bundeswehr-Beständen an die Regierung in Kiew zu übergeben. Das Unternehmen verfügt über eine mittlere zweistellige Zahl des Luftabwehrpanzers, der auch im Kampf gegen Bodenziele eingesetzt werden kann.

Das sind aber nicht die einzigen schweren Waffen, die deutsche Konzerne liefern wollen. Laut Welt will KMW noch 100 Panzerhaubitzen 2000 liefern. Darüber hinaus hat der Rüstungskonzern Rheinmetall der Ukraine die Lieferung von 88 gebrauchten Leopard-Kampfpanzern angeboten, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete. Das Angebot solle auch die Ausbildung der Besatzung in Deutschland, Werkzeug, Ersatzteile, einen Servicestützpunkt und Munition beinhalten. Auch 100 Schützenpanzer Marder will das Unternehmen liefern.

Diese Ankündigung lässt Olaf Scholz‘ Absicht, einen dritten Weltkrieg verhindern zu wollen, unglaubwürdig aussehen. Und ob er sich damit überhaupt innerhalb der NATO durchsetzen könnte, ist auch fraglich. Denn der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte die Ziele seines Landes in Ramstein so: "Wir sind hier, um der Ukraine zu helfen, den Kampf gegen Russlands ungerechte Invasion zu gewinnen und die Verteidigung der Ukraine für die Herausforderungen von morgen aufzubauen".

Putin soll astronomischen "Preis" zahlen

Dass den Führungszirkeln in Washington Erwägungen wie die von Scholz fremd zu sein scheinen, wurde schon zuvor immer wieder deutlich. Beredtes Beispiel ist die Außenstaatssekretärin Victoria Nuland, anti-russische Hardlinerin und bekannt für ihre abschätzige Position gegenüber der Europäischen Union. Ihr Ausspruch: "Fuck the EU!" aus dem Jahre 2014 hatte es zu einer gewissen Berühmtheit geschafft.

Victoria Nuland hat der Internetseite "Europäische Wahrheit" kürzlich ein Interview [1] gegeben, in dem sie ausführlich darüber sprach, welche Waffen die USA der Ukraine liefern. Es habe eine Zeit gegeben, in der die Ukraine vor allem Stinger- und Javelin-Raketen für eine effektive Verteidigung brauchte. Das habe man geschickt.

Nun habe die Ukraine andere Bedürfnisse, so Nuland. Langstreckenwaffen wie Haubitzen, gepanzerte Fahrzeuge und mehr Panzerabwehrwaffen. "Und jetzt stellen wir sie Ihnen zur Verfügung", betonte sie. Es würden auch Mehrfachraketenwerfer, sogenannte MLRS-Systeme, geliefert, und mit der Lieferung habe man nicht erst angefangen.

Andere NATO-Länder hätten die Ukraine auch mit Luftabwehrsystemen versorgt. Außerdem sei die ukrainische Luftwaffe mit Ersatzteilen versorgt worden, so dass jetzt mehr Flugzeuge im Einsatz seien als noch vor einer Woche. Einige Länder arbeiteten auch daran, Flugzeuge zu liefern.

In dem Interview wurde Nuland auch gefragt, ob man sich in Washington mit der Frage beschäftige, dass Russland taktische Atomwaffen einsetzen könnte. Nuland antwortete, wie schon andere Vertreter der US-Regierung vor ihr: Bei Putin sei mit allem zu rechnen.

"Alles ist also möglich, und wir müssen auf Russlands Einsatz verschiedener Arten von Waffen mit katastrophalen Folgen vorbereitet sein", sagte sie. Putin müsste deshalb klar gemacht werden, dass ein solcher Schritt auf für ihn selbst und für Russland eine Katastrophe sein würde. Man werde die Ukraine in einem solchen Katastrophenszenario nicht allein lassen.

Der Einsatz von taktischen Atomwaffen würde die Situation auf eine grundlegend neue Ebene heben, so Nuland, und das werde Folgen haben. Welche das konkret sein würden, sagte sie nicht. "Ich denke, dass es unter diesen Bedingungen besser ist, auf diese Details zu verzichten". Sie versicherte aber: Zahle Russland jetzt schon einen hohen Preis, so werde dann "der Preis für Putins Handeln einfach astronomisch sein".

Die russische Seite hatte zuvor immer wieder betont, dass ein Atomkrieg nur in den Köpfen des Westens [2] stattfinde. Und dass der Westen Provokationen vorbereite [3], um Russland dann beschuldigen zu können.

Die Zeichen stehen so oder so auf Eskalation.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7065881

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.eurointegration.com.ua/rus/interview/2022/04/22/7138250/
[2] https://www.rnd.de/politik/russlands-aussenminister-lawrow-der-atomkrieg-findet-in-den-koepfen-des-westens-statt-IAJ36UEN7VGD3J4UEWL4S7MTXY.html
[3] https://krass-und-konkret.de/politik-wirtschaft/victoria-nuland-die-usa-werden-die-ukraine-bei-einem-atomwaffenangriff-nicht-alleine-lassen/