Aufrüstung der EU: "ReArm Europe" wird Erwartungen wohl enttäuschen

Uwe Kerkow
Symbolbild Panzer bricht durch EU-Flagge

Europäische Union stellt ambitionierten Plan zur Stärkung der Verteidigung vor. Doch können die hochgesteckten Ziele erreicht werden? Experten haben Zweifel.

US-Präsident Trump hat entschieden, die Militärhilfe für die Ukraine einzufrieren. Er will nicht als Präsident eines verlorenen Krieges in die Geschichte eingehen. Diesen Job der Verlierer übernehmen ohne Not nun die Europäer.

Als Reaktion auf Trumps Entscheidung stellte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am nächsten Tag den ReArm Europe-Plan vor. Dieser sieht vor, dass die Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsausgaben in den nächsten vier Jahren um durchschnittlich 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Mitgliedsländer erhöhen.

Das soll insgesamt 650 Milliarden Euro zusätzlich in die Kassen spülen. Außerdem sollen den Ländern Kredite in Höhe von 150 Milliarden Euro für Verteidigungsinvestitionen angeboten werden. Dafür soll der EU-Haushalt genutzt und zusätzlich privates Kapital in nicht genanntem Umfang mobilisiert werden.

Wer bekommt das Geld wofür?

Doch es ist zu bezweifeln, dass die angestrebten Verteidigungsausgaben von insgesamt 800 Milliarden Euro erreicht werden können. Außerdem fehlt es an Mechanismen zur Aufteilung der Investitionen zwischen den Mitgliedstaaten. Nach welchem Schlüssel soll der warme Regen verteilt werden?

Selbst wenn man sich auf eine Aufteilung einigen könnte, bestehen große Herausforderungen sowohl bei der Ausweitung der Produktionskapazitäten als auch beim Zukauf aus dem Ausland. Ein Wettbewerb zwischen führenden Mitgliedstaaten wie Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und auch Schweden, die alle möglichst viel selbst produzieren und davon möglichst viel verkaufen wollen, wäre nicht neu.

Was alles schief gehen kann, wenn die Mitgliedstaaten ihre Ausgaben und Beschaffungspläne nicht abstimmen zeigt das jüngste Gerangel um den Eurofighter. Denn derzeit ist unklar, ob der Flieger noch gebraucht und weiter produziert wird.

Fragmentierte industrielle Basis

Schon 2021 hatte PricewaterhouseCoopers einen "Wachstumsplan für die europäische Verteidigungsindustrie" vorgelegt, dessen zentrale Forderung auf mehr und bessere Kooperation in dem Sektor abzielt.

Entscheidungen über Verteidigungsausgaben würden auf nationaler Ebene getroffen, und jedes Land hat seine eigenen nationalen Industrien. Das führe zu einer riesigen Auswahl an Produkten und Plattformen, die mit großem Aufwand entwickelt werden, obwohl es kaum Möglichkeiten gibt, die Produkte in großen Zahlen zu verkaufen. Die Branche ist von strukturellen Schwächen bei Innovation, Verwaltung, internationaler Abhängigkeit und öffentlichen Ausgaben geprägt.

Anstatt zu kooperieren steht man allzu oft gegenseitig im Weg. Die europäische Verteidigungsindustrie war in den letzten 40 Jahren von intensiver Konkurrenz und Fehden geprägt, die größtenteils auf fragmentierte nationale Prioritäten, politische Rivalitäten und industriellen Wettbewerb zurückzuführen sind.

Unterschiedliche Anforderungen an einzelne Waffen und Plattformen

So waren beispielsweise die französischen Anforderungen an Mehrzweckkampfflugzeuge, die auch für Flugzeugträgereinsätze und für den Export geeignet sind, nicht mit den schweren Langstrecken-Abfangjägern zu vereinen, die das Vereinigte Königreich und Deutschland traditionell bevorzugen. Und Schweden will wiederum will wendige Kampfflugzeuge, die für verteilte Einsätze von kurzen Straßenstützpunkten mit minimaler Unterstützung durch die Bodenbesatzung optimiert sind.

Ähnliche Unterschiede gibt es bei Kampfpanzern. Frankreich bevorzugt beispielsweise leichtere gepanzerte Fahrzeuge für Einsätze außerhalb Europas, während die deutschen Anforderungen stets auf schwer gepanzerte Panzer zur Bekämpfung einer sowjetischen und heute russischen Invasion in Mitteleuropa ausgerichtet waren. Da überrascht es wenig, dass Versuche einer europaweiten Zusammenarbeit bei Kampfpanzern immer wieder gescheitert sind.

Zwar hatten die EU-Mitgliedstaaten bereits 2007 vereinbart, dass 35 Prozent der nationalen Beschaffungsausgaben in gemeinsame Projekte fließen sollen. Dies gelang zuletzt aber nur für 18 Prozent des Budgets.

Stolperstein Warschau?

Als weiteres Hindernis für den ReArm Europe-Plan könnte sich Polen erweisen, das mittlerweile über die drittgrößte Armee der NATO verfügt. Es wäre bei Einsätze gegen Russland das wahrscheinlichste Aufmarschgebiet für europäische Truppen. Doch Polen will keine EU-Armee.

Aus Sicht Polens sind die USA der zuverlässigste Sicherheitsgarant, und umgekehrt gilt Polen als engster Verbündeter Washingtons in Europa. Doch angesichts der neuen Unsicherheiten in den transatlantischen Beziehungen, betont Warschau nun zunehmend die eigene Stärke.