Auschwitz-Befreiung: Wenn die Befreier aus der Geschichte verschwinden

Nahaufnahme eines alten, rostigen Stacheldrahtzaun in Ausschwitz

Detail des Stacheldrahtzaunes von Auschwitz. Bild: Federico Proietti/ Shutterstock.com

Das KZ Auschwitz wurde am 27. Januar 1945 befreit. In Medienberichten zum Gedenktag 2025 fehlt jedoch etwas Entscheidendes. Wer waren eigentlich die Befreier?

Von staatssozialistischen Politikern wie Josef Stalin oder auch Walter Ulbricht ist bekannt, dass sie historische Fotos retuschieren ließen, um ihre je eigene Sicht auf die Geschichte machtvoll durchzusetzen. In Ungnade gefallene einstige Weggefährten z. B. Stalins wie Leo Trotzki oder Leo Kamenew wurden zunächst buchstäblich unsichtbar gemacht und oftmals früher oder später getötet.

Und nun zu etwas völlig Anderem: Wird dieser Tage öffentlich der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz durch sowjetische Truppen der Roten Armee gedacht, erinnert man in vielen etablierten Medien hierzulande kaum oder gar nicht (mehr) an den Akteur dieser Befreiung.

Zwei aktuelle Beispiele dafür:

1. In der Tagesschau-Hauptausgabe vom 26. Januar erschien ein relativ langer Bericht zum Themenfeld "Befreiung von Auschwitz" (im Video ab Minute 10:40).

Weder im vergleichsweise ausführlichen Beitrag noch in der Anmoderation von Nachrichtensprecher Constantin Schreiber fiel auch nur ein Wort zur Roten Armee. Dabei wurde die Tatsache der Befreiung des Vernichtungslagers ausdrücklich angesprochen. Jedoch keinerlei Nennung des Hauptakteurs.

Als ob der Name "Rote Armee" abgeschnitten wäre – oder abzuschneiden sei. Allerdings ist nicht jeder Bezug auf "Russland" tabu – in der Meldung unmittelbar zuvor ging es um mutmaßliche Schäden an Kabeln in der Ostsee.

Und daher lautete der letzte Satz des Nachrichtensprechers direkt vor dem Wechsel zum Thema "Auschwitz": "Experten vermuten Russland hinter den Beschädigungen".

2. Im RBB-Inforadio lautete die Meldung am 27. Januar vormittags wie folgt:

Screenshot RBB

Das ist doppelt bemerkenswert: einerseits auch hier nicht der kleinste Hinweis auf die Befreier.

Aber schlimmer geht anscheinend immer: Sowohl die Staatsmacht als auch viele Leitmedien verweisen darauf, dass doch bitte die "Erinnerungskultur" hierzulande wieder besser werden möge, vor allem "bei der jüngeren Generation".

Der geschichtsvergessene "Erinnerungsweltmeister"

Klar, den Titel eines "Erinnerungsweltmeisters" lassen sich die nunmehr guten Deutschen nicht mehr nehmen. Und wahrscheinlich fällt der so veröffentlichten Meinung auch gar nicht (mehr) auf, dass und wie krass hier deutlich deutsche Doppelmoral gepredigt wird.

Es erscheint machtpolitisch opportun oder sogar geboten, "den Russen" auch hier nunmehr aber so richtig wegtreten zu lassen. Zugleich moniert man, natürlich bei anderen (Lands-)Leuten, mantrahaft mangelndes Geschichtsbewusstsein. Heucheln ist tatsächlich kein Fremdwort im Deutschen.

Dabei ist es kein Geheimnis und bedarf auch keiner extra Erinnerungskultur: In den Reihen der Roten Armee, also den Truppen der Sowjetunion, kämpften im Januar 1945 gegen Nazi-Deutschland Soldatinnen und Soldaten aus allen möglichen Teilen des Riesenlandes – unter anderem aus Russland und der Ukraine, aus Kasachstan und Belarus, aus Armenien und Aserbaidschan.

Auch daher erscheint der erinnerungspolitische Furor gegen "die Russen" so geschichtsvergessenen. Das ist aber offenbar im Dienste von "Kriegstüchtigkeit" zentraler Teil des Sturmgepäcks hiesiger Propagandakompanien.

"Agent Deletion"

Medienwissenschaftlich kann das Problem beschrieben werden als "Agent Deletion", also als ein (mehr oder weniger bewusste) Verschwindenlassen von (unliebsamen) Akteuren aus öffentlichen (Kon-)Texten. Das heißt nicht, dass dies Verdrängen immer bewusst oder gar auf persönlichen Befehl hin geschehen würde.

Womit wir dann doch wieder beim Retuschieren wie bei Stalin und Ulbricht landeten. Ist Geschichte jeweils nichts als das, was diejenigen aufschreiben (lassen), die sich als Sieger sehen – oder wähnen?

Solange es zumindest verschiedene Versionen von Ereignissen gibt, lässt sich immerhin sagen: "So viele Berichte. So viele Fragen."