Australien erklärt der Aga-Kröte den biologischen Krieg
Eine als biologische Waffe eingeführte Art zur Insektenbekämpfung muss nun selbst bekämpft werden
1935 importierte die Regierung Ihrer Majestät eine Kolonie von Bufo marinus aus Venezuela nach Australien, damit die Kröten einer Maikäfer-Plage Herr werden sollten. Stattdessen vermehrten sie sich aufs Mächtigste und sind nun selbst eine Plage.
Die Aga-Kröte, im Englischen cane toad und deshalb auch in Deutsch manchmal Zuckerrohr-Kröte genannt, ist also kein eingeschleppter oder zugewanderter Gast in Australien. Diese invasive Art (Evolution in Hochgeschwindigkeit) wurde bewusst importiert, in der irrigen Vorstellung, hier eine biologische Geheimwaffe gegen Insektenschädlinge einsetzen zu können. Stattdessen flogen die Maikäfer davon (ihre Population wurde durch die Kröten nicht dezimiert) und das giftige Tierchen Bufo marinus vermehrte sich mächtig und begann Australien systematisch zu besetzen. 100 Stück wurden damals ins Land gebracht, inzwischen bevölkern sie praktisch ganz Queensland, große Teile der nördlichen Territorien und New South Wales. Sie bewegen sich in der Ausbreitung ihrer Population mit geschätzten 30 Kilometern pro Jahr Richtung Süden und Westen.
Die Bevölkerung hat durchaus Zuneigung zu den riesigen Kröten gefasst und hält sie sogar als Haustiere. Unter dem Titel "Zuckerkröten" hat Mark Lewis 1987 einen Dokumentarfilm über die schräge Liebe der Aussis zu den quakenden Invasoren gedreht. Die Farmer hatten allerdings schon immer ein äußerst getrübtes Verhältnis zu ihnen und nun hat auch die australische Umweltbehörde genug von den Kröten, denn sie bedrohen akut den Kakadu National Park, wo sie kürzlich das erste Mal gesichtet wurden. Dieser Nationalpark beinhaltet auch einmalige archäologische Fundorte mit Felsbildern, das Gebiet wird seit über 40.000 Jahren kontinuierlich von Aborigines bewohnt. Die UNESCO hat den Park sowohl als Weltkulturerbe wie auch als einmaliges Ökosystem auf ihrer Liste der zu erhaltenden Schätze der Menschheit. Es gibt hier auf fast 20.000 Quadratkilometern weltweit einzigartige oder vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Tiere.
Die Bedrohung des Parks und seines ökologischen Gleichgewichts bringt jetzt die Regierung auf den Plan. Sie wollen Bufo marinus an den Kragen, die Population soll biologisch bekämpft und kontrolliert werden. Die Kröte, die bis zu 25cm groß wird, ist giftig, aber dass Krokodile sterben, wenn sie diese verspeisen, gehört wohl zum Outback-Jägerlatein. Bei Berührung mit menschlicher Haut wird es extrem schmerzhaft, an die Augen gebracht, kann es sogar zu vorübergehender Blindheit führen. Allerdings enthalten ihre Drüsen auch ein Halluzinogen, weswegen eine Aga-Kröte in der Hexensalbe beim Fliegen hilft.
Die Aga-Kröte gehört zur Gattung Bufo sowie zur Familie der Bufonidae. Eigentlich sollte sie nur in Mittel- und Südamerika vorkommen. Berühmt ist sie als Allesfresserin, von kleinen Mäusen, Fröschen, kleinen Eidechsen, Insekten, Pflanzen bis zu ihren eigenen Jungen, wahrlich eine Allesverschlingerin, deren Rachen immens ist. Angeblich wurde sie auch schon dabei beobachtet wie sie in menschlichen Behausungen erst mal den Katzen- oder Hundenapf leer schlabberte. Sie hat eine typische warzige, oliv bis braunrote gefärbte Haut, die bei den Weibchen etwas weicher ist, und sie verfügt über Giftdrüsen, die ihr praktisch alle Feinde vom Leibe hält. Sie kann auch in Salz- und Brackwasser leben, das Weibchen legt bis zu 30.000 Eiern monatlich.
Australien scheint für sie die optimalste Umgebung zu bieten, ein Krötenparadies. Forscher haben festgestellt, dass ihre Bevölkerungsdichte hier zehnmal höher ist als in ihrem Heimatland Venezuela. Als die Bufo marinus importiert wurde, haben Zoologen gewarnt, dass diese biologische Kriegsführung gegen Schädlinge im Zuckerrohr nicht nur wirkungslos, sondern die Folgen unabsehbar sein könnten. Sie haben recht behalten, der Import der faunafremden Art entwickelte sich zur Plage. Jetzt will die Regierung zu drastischen Methoden greifen, um die Invasion zu stoppen, durch biologische Kontrolle soll der Vormarsch der Kröten aufgehalten werden.
Umweltminister Robert Hill stellte fest, dass bereits Millionen von Dollar für Forschung ausgegeben sind, aber Bufo marinus trotzdem den Kakadu National Park erreicht hat. "Researchers have spent countless hours trying to find a way to stop the cane toads but the CSIRO hit a brick wall a few years ago," sagte er, "the Federal Government believes biological controls are the answer and vital research must continue. The CSIRO was subsequently allocated more than $1 million from the Natural Heritage Trust for a new project searching for a gene critical to toad development which can effectively be 'switched off'." Das Commonwealth Scientific Industrial Research Organization (CSIRO) ist Australiens größte wissenschaftliche Forschungsorganisation. Das "Animal Ethics Committee" hat zugestimmt, die vorgeschlagenen Experimente fort zu setzen.
Die Forschergruppe soll nun versuchen, das richtige Gen zu finden, um die weitere Ausbreitung der Population zu stoppen: "Finding the right gene will lead to the CSIRO being able to arrest the toad's development - which could prevent it from reaching adulthood and to the reproductive stage. Dr Alex Hyatt from the CSIRO's Australian Animal Health Laboratory is also studying the possible distribution of the gene through a suite of naturally occurring viruses."
Viren sind in der Tat höchst bedrohlich für Amphibien weltweit, neben Umweltfaktoren und anthropogenen Einflüssen sind sie am globalen Amphibiensterben beteiligt, wie Befunde zeigen. CSIRO Wissenschaftler haben bereits nachgewiesen, dass Viren aus Venezuela, der Heimat der Aga-Kröte, die Tiere töten können, allerdings sterben die in Australien einheimischen Frösche auch daran. Viren allein werden möglicherweise auch nicht genügen, die Kaninchenplage Australiens wurde ebenfalls mit einem Virus bekämpft, der aber inzwischen wirkungslos ist, da die Tiere immun geworden sind.
Der größte Feind der Kröte ist in jedem Fall der Mensch, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass er es über Umweltverschmutzung, Ozonloch und verstärkte UV-B-Strahlung auch ohne Viren schaffen kann, Bufo marinus auszurotten.