Autonome Zone Paisley Park
Der früher und nach Jahren jetzt wieder als Prince firmierende Artist hat die nächste Internet-Homepage für seine Fans eröffnet und unterstützt Napster
In den Hitparaden taucht Prince seit einigen Jahren kaum noch auf, im Web ist der Sex Dwarf a.D. dafür um so präsenter. Mit dem NPG Music Club besitzt er jetzt insgesamt fünf offizielle Domains und versucht mit möglichst autarken Vertriebsstrukturen und absoluter künstlerischer Kontrolle die Machtverhältnisse im internationalen Musikgeschäft zu überwinden. Sein neuestes Stück gibt es seit gestern exklusiv bei der Tauschbörse Napster
Interessiert Euch Prince überhaupt noch? Ihr wisst doch, der "Zwerg, der aussieht, als wäre er in einen Eimer Schamhaare gefallen" (so einst das berufene Urteil des auch schon mal berühmter gewesenen Boy George). "Kiss" ist heute der zuverlässige Indikator für ätzende Studenten-Parties, die man alsbald geschwind verlässt, wenn man noch gehen kann. Prince-Hits von den 80er-Compilations nudelt man höchstens noch für die Oldie-Runde in der zeitgenössischen Disco. Aber vielleicht sollte man doch noch mal zurückgehen.... . Der kleine Mann war ja sowieso nur für relativ kurze Zeit (so ca. 1983/84) ein wirklicher Superstar und echter Konkurrent von Jacko. Quasi das dunkle Ebenbild des braven Negerleins Michael, der züchtige Liedchen mit Paul McCartney trällerte, während der Andere mit bürgerlichem Namen Roger Nelson Gitarrenhälse ableckte, brünstig anzügliche Texte stöhnte und auf der Bühne den Geschlechtsverkehr mit seinen Tänzerinnen andeutete.
Und mit "1999", "Little Red Corvette", "When Doves Cry", "Purple Rain", "I Would Die 4U", "Let`s Go Crazy" hatte die kleine Sexmaschine trotzdem eine Folge veritabler Hits und war auch optisch zeitweise durchaus ein Role Model, gerade für Migrantenkinder. Aber mit dem sperrigen 85er "Around the World in a Day"-Album killte er eigentlich bereits seinen Status wieder, "Raspberry Beret" war nur noch ein kleiner Hit. "Parade" von 1986 enthielt zwar das unkaputtbare Funk-Monster "Kiss" und "Sign of the Times" von 87 war eine sehr gute Doppel-LP voller Songs mit überbordenden musikalischer Ideen, aber sie elektrisierten die Hörer nicht mehr. Prince hatte sich in seiner eigenen rastlos-experimentellen Welt verlaufen und die Zeichen der Zeit übersehen. Er wurde als pop-tauglicher Avantgardist der schwarzen Musik von der HipHop-New School und der frühen House-Szene, die mit Macht ins Rampenlicht drängten, einfach beiseitegefegt.
Damit war er reif für den Kultstatus. Denn ein Superstar, der keine neuen Hits mehr zustandebringt, fängt entweder an, sich ölig-abgeschlafft im Nachtclub selbst zu kopieren oder hört ganz auf und spielt mit Amateur-Bluesrockern im Postsaal von Springfield incognito fürs Landvolk. Prince aber erhob sich einfach selbst zum Kult. Und legte den Grundstein für seine heutigen Aktivitäten. Denn der Auf- und Ausbau des Netzwerks aus den eigenen Homepages (siehe auch www.paisleyparkstudios.com oder www.love4oneanother.com )für eingeweihte Fans - an der Plattenindustrie vorbei - begann bereits um 1990, als Prince sich mit seinem Plattenlabel Warner Music wegen seines Plattenvertrags zu streiten begann. Das Kreativitätsbündel wollte sich nicht mehr in kommerzielle Output-Schemas pressen lassen und mehr als eine CD pro Jahr veröffentlichen dürfen, Warner wollte ihn aber nicht aus dem Kontrakt entlassen. Prince schmierte sich daher keck und publicitywirksam das Wort "Slave" auf die Backe, änderte seinen Künstlernamen in ein frei interpretierbares und schlecht vermarktbares "Symbol" und musizierte einfach drauflos wie er wollte. Bis die Warner-Verantwortlichen nach dem Auslaufen des Deals 1996 wohl doch froh waren, den genialischen Querkopf, der immer weniger Tonträger verkaufte, endgültig los zu sein.
Mit dem Überraschungshit "The Most Beautiful Girl in the World", dessen autarke Veröffentlichung er sich von Warner Music hatte genehmigen lassen, meldete er sich 1994 noch einmal halbwegs auf der großen Bühne zurück. Aber eigentlich hatte "The Artist Formerly Known As Prince" das, was er gegenüber seinem Label erreichen wollte, trotzdem nunmehr auch bei der Masse der Pop-Konsumenten erreicht: künstlerisch völlig unabhängig machen zu können, was er wollte und im Wortsinne "formerly known" zu sein. Denn seine Attitude war dummerweise den Leuten leider mittlerweile egal, es interessierte einfach keinen mehr, mich eingeschlossen. Abgesehen vielleicht von den Freaks, die es in jeder musikalischen Stilrichtung gibt und die von einer Person oder Gruppe wahrhaft fanatisch lebenslang alles, aber auch alles haben müssen. Und sei es ein in raunziger Laune vor Taliban-Publikum auf dem Kamm geblasenes Bootleg-Demo.
Wen könnten die Princeschen Freischwimmerversuche sonst noch interessieren? Es gibt ja in der gegenwärtigen Post-Napster-Gesellschaft durchaus Bestrebungen anderer etablierter Künstler, sich gegen ihre Lehnherren aufzulehnen und zu versuchen, den ganzen Rahm selbst abzuschöpfen, siehe etwa den Prozess um knebelnde Urheberrechtsverträge, den Courtney Love gegen Universal Music führt. Im letzten Jahr wurde auf Drängen von alarmierten Künstlern wie Don Henley und Sheryl Crow hin ein im November 1999 vom Kongress verabschiedetes Gesetz wieder kassiert, das der Musikindustrie RIAA gestattet hätte, das Recht der Künstler auf Wiedererlangung der Urheberrechte nach der Frist von 35 Jahren auf unverschämte 95 Jahre auszudehnen.
Lustigerweise steht jemand wie der Senator und nebenberufliche Songwriter Orrin Hatch (Der seltsame Senator) da voll auf Seiten der Major Artists und verlangt von den Musiklabels bei der Lizensierung von Musik mehr Copyright-Entgegenkommen gegenüber den MP3-Providern. Womit wir wieder beim heutigen Online-Guru Prince wären, der diesen Kampf um Unabhängigkeit von den Musiklabels ja bereits hinter sich hat. Geschäftlich scheint es dem 42-jährigen Tausendsassa nach wie vor gut zu gehen, wie man so hört. Er verfügt über mit Merchandising-Artikeln vollgestopfte Hallen im hauseigenen Paisley Park-Imperium in Minneapolis. Und sein letztes Werk Rave Un2 The Joy Fantastic hat auch ohne die Hilfe eines Multis (Radio-Airplay, Heavy Rotation auf MTV oder exponierte Platzierung der Tonträger in den Läden) durchaus respektable Verkaufszahlen erzielt.
Nur wirkt dieses elitistische Independent-Gehabe mit Registrierungszwang, suuuper-speziellen Songs und Videos, die kein Unbefugter hören oder sehen darf/kann und dem üblichen Limited Editions-SchnickSchnack für Briefmarkensammler-Typen irgendwie einfach faul. Online-Clubs werden nicht grundlos in erster Linie von Stars eingerichtet, die ihre größte Zeit hinter sich haben und mit künstlicher Verknappung ihres Output und Vorgaukelung von Exklusivität die Konsumenten wieder locken und binden wollen, die sich abgewendet haben. David Bowie , Todd Rundgren und Elton John haben das auch mit bisher nur mäßigem Erfolg versucht.
Zumindest was die gegenwärtige Diskussion um Internet-Musiktauschbörsen betrifft, ist Prince aber noch zeitgenössisch anschlusswillig bzw. anschlussfähig. Ab 6. April wird der erste Titel "The Work - Part 1" (ach so) aus seinem kommenden Album "The Rainbow Children" exklusiv und gratis bei Napster erhältlich sein. Durchaus ehrenwert, aber böse Zungen könnten angesichts des beschlossenen Napster-Schicksals vielleicht annehmen, dass es statt um Bekämpfung der Konzerne in erster Linie doch um Eigenwerbung für seinen eben nicht kostenlosen New-Power-Generation-Club geht. Prince erinnert heute ziemlich an den Jazz-Grantler Miles Davis in der Spätphase: unangreifbares Denkmal, unabhängig und eigensinnig, in seinem Schaffen so ziemlich außerhalb jeder relevanten Zeitströmung. Und er hat einige Songs von bleibendem Wert geschrieben. Denkt dran, falls es im April noch einmal schneien sollte. Ich wünsche Prince alles Gute.
"The evolution will be digitized"