Avocados: Grünes Gold mit katastrophaler Ökobilanz

Susanne Aigner
Avocado, vetrockneter Boden und Blut

In Mexiko kontrollieren Drogenkartelle den Avocado-Anbau. Menschen werden zu Opfern des Krieges der Kartelle. Was Sie alles beim Kauf beachten können.

Weltweit ist die Nachfrage nach Avocados explodiert. Kein Wunder, denn die nährstoffreichen Superfrüchte enthalten reichlich ungesättigte Fettsäuren, Folsäure, Kalium, Vitamine und wertvolle Aminosäuren. Allein in Deutschland hat sich die Nachfrage nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zwischen 2008 und 2018 verfünffacht.

Als eines der wichtigsten Anbauländer produziert Mexiko etwa 2,5 Millionen Tonnen Avocados jährlich. Im vergangenen Jahr fiel knapp die Hälfte aller weltweiten Exporte auf das Land. 70.000 Menschen sind direkt, weitere 300.000 indirekt in der Avocadoindustrie beschäftigt. Im Bundesstaat Michoacán, rund 400 Kilometer von Mexiko-Stadt entfernt, erzeugen die Bauern rund 1,8 Millionen Tonnen Avocados im Jahr.

Im Norden von Uruapan, der selbst ernannten Avocado-Welthauptstadt, steht ein riesiges umzäuntes Fabrikgelände. Es gehört Aztecavo, einem der großen mexikanischen Avocado-Exporteure.

Rund dreitausend Bauern liefern hier täglich 500.000 Kilo Avocados an. In der Trockenanlage werden innerhalb von 15 Minuten 20.000 Früchte getrocknet. Für einen Monatslohn von umgerechnet 300 Euro verpackt jede Arbeiterin hundert Früchte pro Minute: für die Schweden die kleinen, für die Briten die größten, für die Japaner die makellosen, für die Deutschen nur grüne Avocados. Die meisten Avocados gehen in die USA. Die Mexikaner nehmen, was übrig bleibt.

Modernste Avocadofabrik der Welt

Es sei die modernste Avocadofabrik der Welt, schwärmt der 82-jährige Fabrikgründer José Antonio Villasenor Bais im Interview mit der Zeitschrift GEO.

Die Schuld an Abholzungen und Brandrodungen gibt er der Holzindustrie. Allerdings werden auf den gerodeten Flächen anschließend die Plantagen gepflanzt. Zudem werden die Brandrodungen oft von der Mafia veranlasst, die am Avocado-Handel partizipieren will. Zwar werden auch andere Früchte wie Melonen, Mangos, Limetten in Michoacán kultiviert, allerdings nur unterhalb von 800 Metern, wo keine Avocados wachsen.

Monokulturen verursachen immense ökologische Schäden

Avocadobäume liefern vier Ernten im Jahr. Ein Baum bringt im Schnitt jährlich tausend Kilo ein. Das sind umgerechnet tausend Euro pro Baum und Jahr. Die Pflücker verdienen pro Kiste 50 Pesos – etwa 2,60 Euro. Das rentiert sich schon bei kleineren Plantagen mit weniger als 800 Bäumen.

Fünfzig Kilometer vor Uruapan, fressen sich rechteckige Plantagen mit tausenden Avocadobäumen in die Kiefernwälder. Weil inzwischen jeder kleine Mann Avocados anbaue, gebe es keine Kiefern mehr, klagt ein Plantagenbesitzer.

In der Folge trocknet die Erde aus, und ohne Wasser wachsen auch keine Avocados mehr. Tatsächlich benötigen die sonnenhungrigen Pflanzen im Anbau enorm viel Wasser. So sind bis zu eintausend Liter nötig, um ein Kilogramm Avocados zu erzeugen. In Mexiko holzen Bauern zudem illegal Wälder ab, um neue Anbauflächen für Avocados zu gewinnen. Außerdem werden massiv Pestizide und Kunstdünger eingesetzt, die das Grundwasser verseuchen.

Weite Teile des Landes sind in der Hand der organisierten Kriminalität

Jalisco und Michoacán sind die Bundesstaaten, die Früchte in die USA exportieren dürfen. Unglücklicherweise führen wichtige Handelsrouten für ein anderes Exportgut durch diese Region: Drogen. Sie werden von mächtigen Drogenkartellen wie dem Cártel de Jalisco Nueva Generación (CJNG) und den Cárteles Unidos kontrolliert. Sie stecken tief im Avocado-Business, aber auch im Handel mit Limetten, Beeren, Mineralien.

Innerhalb ihrer Machtkämpfe setzen sie Tretminen, Drohnen und Sprengfallen ein. Auch kleinere rivalisierende Banden erpressen Schutzgelder von Bauern und Geschäftsleuten, entführen Menschen, organisieren Raubüberfälle. Erpressung, Benzindiebstahl und Menschenhandel sind hier an der Tagesordnung.

Nicht nur Avocado-Bauern werden erpresst, sondern jeder, der etwas Geld hat. Sogar Arbeiterinnen in den Avocado-Fabriken müssen Schutzgelder zahlen. Um seiner Arbeit ungestört nachgehen zu können, finanziert Aztecavo-Chef Villasenor Bais (s. oben) daher nach eigenen Angaben nicht nur eine eigene Privatarmee, sondern auch die Polizei.

Massengräber unter Avocadobäumen

Jedes Jahr fallen tausende Menschen rivalisierenden Banden zum Opfer. Die sogenannten Narcos töten vorwiegend, um unbequeme Zeugen verschwinden zu lassen. Im August 2022 wurden mitten in einer Avocado-Plantage nahe der Stadt Uruapan zwölf mit lockerer Erde bedeckte, halb verweste Leichen entdeckt. Zwei der Toten waren Frauen.

Als Hintergrund vermuteten die Beamten Schutzgelderpressung. Zwischen den dicht belaubten Avocadobäumen legen die Banden ihre "Drogenlabore" an. Wegen des grausigen Fundes galten die Avocados auf der Plantage als kontaminiert und durften nicht mehr verkauft werden.

Allein 2018 wurden in Mexiko 36.000 Morde registriert. Zehntausende wurden allein in der Region Michoacán ermordet. In Uruapan mit 365.000 Einwohnern wurden 2022 nahezu 300 Menschen ermordet. In den vergangenen 18 Jahren starben in Mexiko rund 250.000 Menschen. Bis heute werden Zehntausende Frauen, Männer und Kinder vermisst.

Polizei und Mafia stecken unter einer Decke

Von jeder verkauften Avocado gehen 10 bis 20 Prozent an die Mafia aus Politiker und Kriminellen – in Form von Schweigegeld oder Schutzgelderpressung, schätzt der lokale Mafia-Experte Miguel Garcia Tinoco. Nicht selten investiert der Narco-Boss, der seinen Profit aus der Erpressung der Avocadobarone macht, dieses Geld in neue Avocado-Plantagen. Staat und Kriminelle bilden innerhalb der letzten zwanzig Jahre ein immer engeres Geflecht.

Die Mörder lassen ihre Opfer verschwinden und verwischen Spuren, um Ermittlungen zu erschweren, berichtet etwa eine mexikanische Reporterin im Interview mit Reportern der Zeitschrift GEO. Und: Die Polizei weiß vorher, wo ein Mord geschieht. In diesem System wird ein Politiker entweder vom Drogenkartell selbst ins Amt gesetzt oder er muss sich nach der Wahl dem Druck der Kartelle beugen. Ansonsten drohe ihm der Tod, falls er nicht vorher flieht.

Alternative Sicherheitsindustrie

In Michoacán schließen sich inzwischen immer mehr Avocadobauern zu den "Pueblos Unidos" zusammen, um sich gegen die Mafia zu wehren. Allerdings: Zu ihnen gehören nicht nur Dorfbewohner, sondern dubiose Gestalten, die einst zum Tempelritter-Kartell gehörten.

So schützen ehemalige Verbrecher das Volk gegen aktuelle Verbrecher, erklärt der Journalist Garcia Tinoco. Ein lukratives Modell für beide Seiten. Es gebe keinen scharfen Trennlinien mehr zwischen den "Autodefensas" und den Kriminellen, bestätigt der Mexiko-Analyst Falko Ernst. Für das einfache Volk gebe es keine optimale, sondern nur eine weniger schlechte Lösung.

Superfood mit ökologischem Rucksack

Von den 400 verschiedenen Sorten kommen vor allem zwei Sorten nach Deutschland: Die birnenförmige Fuerte-Avocado mit der gleichbleibend grünen, fast glatten Schale und die ovale Hass-Avocado mit der grünen bis schwarzen knorpeligen Schale.

Mit dem Schiff aus Übersee kommend, aber auch per Lkw, werden, wie bei allen Importfrüchten klimarelevante Schadstoffe emittiert. Konventionelle Avocados werden für gewöhnlich in Reifereien zum Nachreifen gelagert. Von hier werden die Früchte verzehrbereit in die Supermarktregale geliefert.

Ein großes Problem ist, dass wegen des gigantischen Wasserverbrauchs viele Anbauregionen austrocknen, so zum Beispiel in Chile.

Früchte aus saisonalem Bio-Anbau

In der Regel produzieren nur große Unternehmen für den internationalen Export. Die Akteure der Agrarindustrie orientieren sich an der Nachfrage der internationalen Märkte, die sie beliefern, während Kleinbauern ihre Produkte vornehmlich regional vertreiben.

In Südafrika und Südamerika bauen große Unternehmen nicht nur konventionelle Avocados in riesigen Monokulturen an, sondern auch Bio-Früchte – meist zu günstigeren Preisen, als die Kleinbauern. Doch je weniger Kleinbauern es gibt, umso weniger kann sich die lokale Bevölkerung versorgen.

Manche Bio-Läden beziehen die Früchte von relevanten Avocado-Importeuren, die mit bäuerlichen Erzeugern zusammenarbeiten. Sie verdienen etwas mehr Geld, das sie zum Beispiel in die Ausbildung ihrer Kinder investieren. Ihre Avocado-Bäume wachsen in Mischkultur mit anderen Früchten oder in kleinen Parzellen.

Alternative: Bio-Avocados von Crowdfarming

Seit 2017 bietet Crowdfarming Landwirten in Südeuropa eine Plattform, auf der sie ihr Obst und Gemüse anbieten und verkaufen können – ganz ohne Zwischenhändler: Von spanischen Bauern kann man sich unter anderem auch Avocados in Vier-Kilo-Kisten direkt vom Erzeuger nach Hause liefern lassen.

Die Bio-Avocados stammen überwiegend aus kleinen Familienunternehmen und sind mit diversen Gütesiegeln wie dem EU-Bio-Siegel ausgezeichnet. Weil die Früchte direkt nach der Ernte verschickt werden, können sie bei den Kunden zu Hause weiter reifen. Das nützt auch der lokalen Landwirtschaft: Die Erzeuger verdienen mehr Geld, zudem werden mehr Arbeitsplätze geschaffen.


Die Bio-Varianten aus Spanien weisen zwar eine deutlich bessere Klimabilanz auf als die Früchte aus Südamerika. Doch grundsätzlich gilt: Avocados sind Genussfrüchte – man sollte sie in Maßen genießen, nicht in Massen.