Ayatollah am Abzug: Hat der Iran gerade eine Atombombe getestet?
Erdbeben in Iran sorgt für Spekulationen. Atomtest oder Naturereignis? Die Ayatollahs schweigen – doch Experten warnen.
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Spekulation um Testzündung: Wie nah ist der Iran wirklich an der Atombombe?
Am Abend des 5. Oktober 2024 haben seismische Messstationen in der iranischen Provinz Semnan eine Erschütterung der Stärke 4,5 verzeichnet. Unmittelbar danach entbrannten Spekulationen in den sozialen Netzwerken, ob es sich dabei um einen unterirdischen Atomtest des Iran handeln könnte.
Besonders auf X, ehemals Twitter, diskutierten Nutzer über die Möglichkeit eines Atomtests als Reaktion auf israelische Drohungen gegen iranische Nuklear- und Ölanlagen.
Spekulationen und politische Spannungen
Die Quellenlage zu den Erschütterungen ist unklar. Das Portal The Cradle zitiert iranische Quellen, denen zufolge Spekulationen über einen möglichen Atomtest in politischen Kreisen in Teheran geäußert werden. Syrische Quellen hätten bereits im September voraussagt, dass der Iran als Antwort auf die Tötung von Hamas-Führer Ismail Haniyya in Teheran durch Israel die Bemühungen zur Entwicklung einer Atombombe beschleunigen könnte.
Nach der Ermordung des Hezbollah-Führers Hassan Nasrallah und des IRGC-Kommandanten Abbas Nilforushan durch Israel am 27. September, startete der Iran mindestens 180 ballistische Raketen auf israelische Ziele. Der Vorfall erhöht die Spannungen und lässt die Region vor einer möglichen Antwort Israels bangen.
Hinweise und Gegenargumente
Das Herzog-Institut, ein konservativer US-amerikanischer Think Tank, veröffentlichte am 1. Oktober einen Bericht, in dem es hieß, dass der Iran "viel schneller als erwartet" Atomwaffen herstellen könne.
Ein iranischer Abgeordneter hatte Ende April 2024 geäußert, bis zur ersten Atomwaffentestung sei es nur eine Frage von einer Woche.
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Im Mai hatte ein Berater von Ayatollah Ali Chamenei gesagt, dass der Iran gezwungen sein könnte, seine Nukleardoktrin zu ändern. Diese Doktrin sah bisher nur die zivile Nutzung der Nukleartechnologie vor.
US-Außenminister Antony Blinken bestätigte im Juli indirekt diese Einschätzung, indem er angab, der Iran sei möglicherweise nur noch ein bis zwei Wochen davon entfernt, ausreichend spaltbares Material für eine Atomwaffe herzustellen.
Die Stiftung zur Verteidigung der Demokratie (FDD), ein mit Israel verbundener Thinktank aus Washington behauptete bereits 2019, dass der Iran seit den 2000er-Jahren damit befasst sei, unterirdische Testanlagen für Atomwaffen im Rahmen des "Projektes Midan" zu errichten.
Naturereignis oder politisches Manöver?
Iran gehört zu den erdbebengefährdeten Regionen der Welt, sodass natürliche seismische Aktivitäten nicht ungewöhnlich sind. Bislang liegen keine Berichte über radioaktiven Niederschlag oder andere typische Anzeichen eines Atomtests vor.
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Ohne offizielle Stellungnahmen oder weiterführende wissenschaftliche Analysen bleibt die Zuschreibung der Erderschütterung zu einem Atomtest im Reich der Spekulation.
In Anbetracht der komplexen geopolitischen Lage und der fortgeschrittenen nuklearen Fähigkeiten des Iran bleiben die Erschütterungen ein Anlass zur Besorgnis. Das Schweigen Teherans könnte freilich auch politisch motiviert sein: Sollte es sich um ein gewöhnliches Erdbeben gehandelt haben, könnten die Mullahs die aus dem Zweifel entstehende Angst für sich arbeiten lassen.