BP-Chef: Warnungen vor Peak-Oil sind "zunehmend grundlos"
Dank unkonventioneller Fördermethoden könne die Förderung substantiell gesteigert werden, weshalb die CO2-Emission bis 2030 nicht zurückgehen, sondern um mehr als ein Viertel ansteigen werden
Bei der Präsentation des BP World Energy Outlook 2030 hatte BP-Chef Bob Dudley für all jene Klimaschützer keine guten Nachrichten, die gehofft hätten, dass sich ein wenigstens ein Teil des Emissionsproblems durch eine vom Erreichen eines globalen Rohöl-Fördermaximums ("Peak-Oil") erzwungene Abnahme des Verbrauchs von selbst erledigen werde.
Laut dem von BP-Chefökonom Christof Rühl verantworteten Bericht werde der Verbrauch flüssiger fossiler Brennstoffe bis 2030 jährlich im Schnitt um 0,8 Prozent ansteigen. Gegenüber 2011 bedeutet das eine Zunahme der täglichen Produktion um 16 Millionen Barrel, was fast den aktuellen US-Verbrauch von täglich knapp 19 Millionen Barrel erreicht. Dabei könnten neue konventionelle Ölfelder den Rückgang bei den bestehenden Feldern aber kaum ausgleichen, so dass die gesamte zusätzliche Produktion zur Gänze auf unkonventionellem Wege (Shale-Gas, Teersande, Biosprit) erfolgen werde.
Da bei deren Produktion sowie im Verbrauch zudem deutlich höhere C02-Emissionen verursacht werden als bei konventionell gefördertem Öl oder Gas, werden die CO2-Emissionen jedoch noch stärker ansteigen als der Ölverbrauch. Insgesamt sollten die CO2-Emissionen bis 2030 um 26 Prozent zunehmen, wovon dann 70 Prozent außerhalb der OECD anfallen werden, obwohl dort die Emissionen pro Kopf noch immer bei weniger als der Hälfte der OECD liegen werde.
Insgesamt wachse die globale Energienachfrage bis 2020 jährlich im Schnitt um zwei Prozent, in den darauf folgenden zehn Jahren aber nur noch um 1,3 Prozent, was insgesamt auf einen Zuwachs von 36 Prozent hinauslaufen soll, nachdem der Zuwachs in den vorangegangenen zwanzig Jahren sogar noch bei 48 Prozent gelegen hatte. Während dabei der Energiekonsum der OECD-Länder nur um sechs Prozent ansteigen soll, komme 93 Prozent dieses Wachstums von Nicht-OECD-Ländern, deren Energiekonsum um 61 Prozent zunehmen und zu mehr als der Hälfte auf China und Indien entfallen werde. Dabei werden weiter die fossilen Brennstoffe dominieren, wobei Öl, Gas und Kohle im Jahr 2030 jeweils auf rund 26-28 % Marktanteil und Atom- und Wasserkraft sowie erneuerbare Energieformen jeweils auf 6-7 Prozent Marktanteil kommen werden. Das zusätzliche Angebot an flüssigen Brennstoffen werde hauptsächlich aus Amerika und dem Mittleren Osten kommen, wobei die USA dank der "Shale Revolution" Saudi Arabien bereits 2013 als weltgrößter Erdölproduzent ablösen und 2030 von Importen unabhängig sein werden.
This report shows the degree to which what was once accepted wisdom has been turned on its head. Fears over oil running out - to which we never subscribed - appear increasingly groundless. The US will not be increasingly dependent on energy imports. Indeed energy is set to reinvigorate its economy. Meanwhile, China and India will need a lot more imports to keep growing.
Bob Dudley
Dafür sorge die steigende US-Produktion an "Tight Oil", das noch im Gestein feststeckt und durch "Hydraulic Fracturing" (kurz "Fracking", bei dem eine unter hohem Druck eingepresste Flüssigkeit öl- und gasdurchlässige Strukturen entstehen lässt) extrahiert wird. Noch energieaufwendiger ist nur die Extraktion aus Teersanden, die nicht nur gefördert und gereinigt, sondern auch noch stark erhitzt werden müssen und vor allem in Kanada und Venezuela gefunden werden.
US-Ölimporte sollen bis 2030 um 70 Prozent zurückgehen
In der Folge sollten die US-Ölimporte bis 2030 um 70 Prozent zurückgehen, was auch von offiziellen US-Angaben bestätigt wird. Demnach soll die US-Rohölproduktion bis 2014 von im Vorjahr täglich 6,4 Millionen Fass auf 7,9 Mio. Fass ansteigen, wofür unter anderem "Tight Oil" aus der Williston Formation in North Dakota und Montana sowie aus der Eagle Ford Formation in Texas verantwortlich sein werde. Dadurch sollten die US-Ölimporte, die 2005 mit pro Tag 12,5 Mio. Barrel ein Maximum erreicht hatten und im Vorjahr auf 7,5 Mio. zurückgegangen waren, nur noch bei sechs Millionen Fass liegen, was die BP-Prognose durchaus plausibel macht.
Im Schnitt jährlich um zwei Prozent anwachsen werde bis 2030 die Gas-Nachfrage, wobei die LNG-Produktion sogar um 4,3 % zunehmen und 27 Prozent des Angebotszuwachses bis 2030 ausmachen werde. 37 % des Nachfragewachstums soll hingegen von durch Fracking gewonnenes "Shale Gas" gedeckt werden, das dann 16 Prozent der Weltproduktion und 53 Prozent der US-Gasproduktion ausmachen soll. Die Nachfrage nach Kohle werde bis 2030 hingegen um jährlich 1,2 Prozent zunehmen, wobei der Zuwachs ab 2020 deutlich abflachen werde.
Trotz Fukushima werde die Kernenergieproduktion um jährlich 2,6 Prozent ansteigen, wobei der Produktionszuwachs zu 88 % in Russland, China und Indien erfolge und China 2026 die USA als größter Produzent ablösen werde. Während die Nutzung von Wasserkraft bis 2030 alljährlich um zwei Prozent steigen werde, sollen die sonstigen erneuerbaren Energiequellen laut BP jährlich um 7,6 Prozent zulegen und so bis 2030 ihren Anteil an der globalen Stromproduktion von vier auf elf Prozent erhöhen und die Atomkraft überholen.
Für den BP-Chef ist das alles ein Zeichen für die Macht des Wettbewerbs, Innovationen und Effizienz voranzutreiben. Das habe neue Vorräte erschlossen, das Wachstum von Erdgas als Ersatz für Kohle vorangetrieben und den Treibstoffverbrauch von Fahrzeugen reduziert. Gerade für die USA, deren Handelsbilanzdefizit zur Hälfte durch Energieimporte verursacht ist, werde das in einer Zeit, in der der "Conventional Wisdom" davon ausgehe, dass die Welt der OECD inklusive der USA an Einfluss verliere, einen "realen Boost" verschaffen.
So würden allgemein akzeptierte Wahrheiten auf den Kopf gestellt, und die Ängste vor einem Ende der Ölvorräte, die BP nie geteilt habe, erscheinen Dudley zunehmend unbegründet. So würden die USA nicht stärker abhängig von Ölimporten, sondern die Energie belebe die US-Wirtschaft, während China und Indien erheblich steigende Energieimporte benötigen werden, um weiter zu wachsen. Weil zudem Gas bei der Stromerzeugung zunehmend Kohle ersetzt und die Emissionen in Europa und den USA fallen, glaubt Dudley, dass die Marktkräfte noch stärker eingesetzt werden sollten, indem Emissionen für so große Teile der Wirtschaft wie möglich zum Kostenfaktor werden. Das alles macht ihn optimistisch, dass "die Welt die Energie bekommen kann, die sie für anhaltendes Wachstum benötigt, und zwar zu erschwinglichen Preisen".
War die Peak-Oil-These eine Intrige der Ölkonzerne?
Wird die Peak-Oil-These nun also bereits wieder begraben, die auch zuvor schon lange als Glaube esoterischer Weltverbesserer missachtet und von den großen Universitätsinstituten und internationalen Agenturen ignoriert oder verächtlich gemacht wurde (Warum Peak-Oil offiziell ignoriert wird)? Dass müsste sich dann wohl auch im World Energy Outlook (WEO) der Internationalen Energie Agentur (IEA) manifestieren, an dem sich seit jeher die meisten Regierungen, Kolumnisten und Wall Street-Analysten orientieren und der lange die durchaus rosige Prognose verbreitet hatte, dass sich die Energiezukunft kaum von der Vergangenheit unterscheiden werde.
Wer nun eine Intrige der Erdölindustrie sehen will, der dürfte dadurch in seiner Meinung bestärkt werden, dass die Peak-Oil-These etwa ab 2007 plötzlich in den Mainstream-Medien auftauchte, als die Ölindustrie ernsthaft zu versuchen begann, unkonventionelles Öl in größerem Maßstab zu fördern. So war der Begriff erstmals groß in den Medien diskutiert worden nachdem Christophe de Margerie, CEO des französischen Ölmultis Total SA, im britischen Guardian die kommenden Förderproblemen thematisiert hatte. Mainstream-Medien wie Time, CNN oder die Financial Times nahmen die These auf und ConocoPhillips-CEO Jim Mulva und John Hess von der Hess Corporation bestätigten die Befürchtungen, die nun bald auch kaum noch von jemandem in Abrede gestellt wurde, nicht einmal mehr von der IEA. So hatte deren Chefökonom Fatih Birol Ende 2009 dem britischen Economist das Maximum der "konventionellen Erdölproduktion" mit 2020 angegeben, was offenbar den Vollzug eines Paradigmenwechsels darstellt, der zudem ausgerechnet während des gerade laufenden internationalen Klimagipfels erfolgte (IEA-Chefökonom: "Peak Oil" kommt 2020).
Zufall oder nicht, genau zu dem Zeitpunkt, als die oberste Instanz der Energiewirtschaft von einem bald kommendem Fördermaximum zu sprechen begann, hatte sich die Interessenlage der Ölwirtschaft massiv gewandelt. Denn zuvor hatte sie angesichts der Peak-Oil-Debatte fürchten müssen, dass eine politisch erzwungene radikale Abkehr von der Ölwirtschaft ihre Absatzmärkte ruinieren würde. Nun konnte sie plötzlich mit Tiefseeexploration, Fracking und der Extraktion aus Ölsanden Ersatz für konventionelles Rohöl anbieten, wobei sie allerdings auf massiven Widerstand der Bevölkerung stieß, den es nun offenbar zu brechen galt.
Dazu kam die Angst vor einem Versiegen der Ölvorräte nur zu gelegen, wobei der Ölindustrie freilich zugute kommt, dass sich der Widerstand gegen die offensichtliche Zerstörung der Natur und die weiteren Gefahren für die Umwelt vor allem aber in mehr oder weniger wirksamen Protesten ausdrückte, nicht aber im Konsumverhalten der Massen. Darauf deutet jedenfalls die jüngste "Detroit Motor Show", wo wieder die stärksten Luxus-Karossen und Sportwagen gezeigt wurden und Sparsamkeit und Elektromobilität keine Rolle mehr spielten.
Während die Einsparungsanstrengungen in den führenden Industriestaaten anscheinend bei Weitem nicht ausreichen, den steigenden Energieverbrauch auszugleichen, der aus dem Aufholprozess großer "Emerging Markets" wie China, Indien und Brasilien resultiert, ist kaum zu sehen, wie sich die Ölindustrie von der Ausbeutung der unkonventionellen Ölquellen wird abhalten lassen. Indes ist absehbar, dass die hohen Kosten der neuen Quellen den Preisen ein unteres Limit setzen werden, dass dann spätestens ab dem Erreichen des Peak bei konventionellem Öl wohl auch in Krisenphasen kaum mehr unter real 100 Dollar liegen dürfte. So problematisch die unkonventionelle Ölgewinnung aber auch immer sein mag, anscheinend werden die abbaubaren Vorräte noch für etliche Jahrzehnte ausreichen, den individuellen Massenverkehr mit Öl zu betreiben. Stellt sich also nur noch die Frage, ob und welche "Masse" dann noch über genügend Einkommen verfügen wird, um sich dies auch leisten zu können.