BYD erwägt drittes Europawerk in Deutschland

Ein BYD in Thailand
(Bild: Thitisan/Shutterstock.com)
Der chinesische Hersteller zieht Deutschland als Produktionsstandort in Betracht. Während Europa zögert, expandiert die Firma weltweit rasant. Und rast auch technologisch an die Spitze.
Der chinesische Elektroautohersteller BYD denkt offenbar über ein drittes Montagewerk in Europa nach und zieht dabei insbesondere Deutschland in Betracht. Das erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von einem Insider. Zeitnah nimmt das Unternehmen bereits zwei Werke in Ungarn und der Türkei in Betrieb.
BYD will mehr Europa wagen
Laut der Quelle spricht für Westeuropa und besonders Deutschland als weiteren Standort, dass BYD dort über lokale Produktion seine Marke stärken und die hierzulande noch gering ausgeprägte Akzeptanz bei den Kunden verbessern könne. Darüber hinaus sollen die letztes Jahr eingeführten EU-Zölle für chinesische E-Autos vermieden werden.
Dem stünden jedoch vergleichsweise hohe Arbeits- und Energiekosten gegenüber. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, betonte der Insider.
BYD-Vizepräsidentin Stella Li hatte der Automobilwoche kürzlich gesagt, dass man neben den geplanten Fabriken in Ungarn und der Türkei über ein drittes europäisches Werk nachdenke, ließ den möglichen Standort aber offen.
In Ungarn soll die Produktion im Oktober anlaufen, in der Türkei ab März 2026. Zusammen werden die beiden Werke eine jährliche Kapazität von rund 500.000 Fahrzeugen haben.
Dem Insider zufolge hält sich BYD bei seinen Entscheidungen an eine Vorgabe der chinesischen Regierung, nicht in Ländern zu investieren, die für EU-Strafzölle auf Elektroautos aus China gestimmt hatten – was Frankreich und Italien ausschließe. Deutschland hatte gegen die Zölle votiert.
Chinesisches Interesse an deutschen Werken
Es ist nicht das erste Mal, dass chinesische Autobauer Interesse an Produktionsstandorten in Deutschland zeigen. Im Januar hieß es laut Insidern, sie prüften die Übernahme überzähliger Volkswagen-Werke. Auch für das Ford-Werk in Saarlouis hatte sich BYD interessiert, der Verkauf kam jedoch nicht zustande.
Volkswagen-Chef Oliver Blume erklärte dazu: "Es ist immer positiv zu beurteilen, wenn Unternehmen in unserer Region in Europa investieren". Gleichzeitig heißt es aus dieser Quelle, dass es bisher nur Gespräche mit chinesischen Partnern, aber keine konkreten Entscheidungen gebe. Eine baldige Übergabe eines VW-Werks an BYD steht demnach nicht bevor.
Rasantes Wachstum in Schwellenländern
Während man sich in Deutschland und Europa noch zögerlich zeigt, machen sich chinesische Autobauer in Schwellenländern breit. Von Bangkok über Johannesburg bis São Paulo: Auf den Straßen drängen sich zunehmend günstige Kompaktwagen, Crossover und SUVs chinesischer Marken, darunter ganz vorn mit dabei: BYD.
In Ländern wie Südafrika, der Türkei und Chile konnten chinesische Marken innerhalb weniger Jahre zweistellige Marktanteile erobern, berichtet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Besonders elektrische und hybride Antriebe gewinnen an Beliebtheit.
Schützenhilfe leisten dabei vielerorts staatliche Anreize und Steuervergünstigungen für E-Autos, die chinesische Hersteller geschickt für sich zu nutzen wissen. In Thailand etwa schnellte der Marktanteil chinesischer Stromer zwischen 2022 und 2024 von 22 auf 71 Prozent.
Um Importzöllen zu entgehen, bauen BYD und Great Wall mittlerweile eigene Werke in Brasilien – just dort, wo Ford und Daimler einst produzierten. "Von Brasilien aus lassen sich leicht andere südamerikanische Märkte erreichen", erklärt Ricardo Roa von KPMG die Strategie.
Laut Beratungsunternehmen AlixPartners dürfte der Marktanteil chinesischer Automarken weltweit bis 2030 von heute drei auf 13 Prozent steigen. Inklusive Chinas eigenem Markt wären es sogar 33 Prozent.
Neue Ladetechnik sorgt für Aufsehen
Für Aufsehen sorgte BYD indes zuletzt auch mit einer bahnbrechenden technologischen Entwicklung: Mit einem neuen Ladesystem soll künftig die nötige Kapazität für eine Reichweite von rund 400 Kilometern in rund fünf Minuten geladen werden – also in etwa so lang, wie ein Verbrenner zum Auftanken braucht (Telepolis berichtete).
Die Technik basiert auf einem 1000-Volt-System, das bereits ab kommendem Monat in den beiden hochpreisigen Modellen Han L und Tang L der Marke verbaut werden soll. Voraussetzung sind naturgemäß entsprechende Ladesäulen, die der Hersteller ebenfalls fertigen will. BYDs System wäre damit rund zehnmal schneller als die schnellste Ladetechnik des US-Konkurrenten Tesla.
Selbst wenn Europa und die USA den heimischen Markt vorerst durch Zölle und Regulierung schützen können: Den Wettbewerb mit China in der restlichen Welt werden die etablierten Autobauer annehmen müssen. Deutschland könnte dabei als Produktionsstandort eine Rolle spielen – sofern man gewillt ist, den Schritt zu wagen.