BaFin: Historische Risikomodelle nicht mehr ausreichend

Die BaFin warnt vor komplexen Risikolage für Banken und Versicherer. Bewährte Modelle zur Risikoeinschätzung verlieren an Bedeutung. Kunden könnten von Folgen überrascht werden.
Die Folgen des Klimawandels für die Gesundheit scheinen für die Bevölkerung bislang vernachlässigbar, nicht zuletzt, weil sie sich bislang kaum in Zahlen fassen lassen – und alles, was sich nicht in Zahlen fassen lässt, nicht wirklich existent erscheint.
Umso erstaunlicher ist es, dass die Finanzaufsicht Bafin derzeit gleich mehrere Risikofaktoren für die Finanzwelt sieht. Vom Klimawandel über Cyberangriffe feindlicher Mächte bis hin zur schwachen Konjunktur, die letztlich auf die Kaufzurückhaltung der Bevölkerung zurückzuführen ist, reichen die Risiken, die das Finanzsystem schwächen könnten.
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht stellt Risikobericht für 2025 vor
Für die von den Banken finanzierte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), die Ende Januar ihren aktuellen Risikobericht präsentiert hat, stellt sich die Risikolage für Banken und Versicherungen nicht mehr so klar dar, wie sich die Öffentlichkeit das vorstellt.
Es gebe zurzeit nicht das eine zentrale Risiko, erwähnte Bafin-Präsident Marc Branson bei der Vorstellung des Risikoberichts. Die Lage sei vielschichtig und komplex.
Durch den Klimawandel begünstigte Naturkatastrophen, internationale Spannungen, Gefahren durch Künstliche Intelligenz und die Schwäche der deutschen Wirtschaft könnten für Banken und Versicherer neue Risiken schaffen oder bestehende Risiken verschärfen.
Dies gelte hauptsächlich, weil ein Blick zurück auf historische Erfahrungswerte in dieser Gemengelage nicht mehr wirklich helfen würde.
Hinter zahlreichen Einzelrisiken verbirgt sich als Auslöser oft der Klimawandel
Branson führte als Folgen des Klimawandels etwa die verheerenden Brände in Los Angeles oder die katastrophalen Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia an.
Er erwähnte aber nicht die Überflutungen im Ahrtal, wo sich bei der Schadensregulierung eine besondere Schwachstelle der Versicherungen offenbart. So bezahlen die Versicherungen grundsätzlich nur für einen Wiederaufbau an der alten Stelle, unabhängig davon, ob das Schadensrisiko an dieser Stelle inzwischen beispielsweise aufgrund des Klimawandels gestiegen ist. Mit dem gestiegenen Risiko könnte jedoch die Neuversicherung des wieder aufgebauten Hauses durchaus abgelehnt werden.
Auf die Frage, ob es der Politik seiner Meinung nach gelingen könnte, die Klimarisiken einzudämmen, zeigte sich Branson nicht gerade zuversichtlich. Es sei inzwischen schwieriger geworden, Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen. Daher seien negative Klimaszenarien wahrscheinlicher.
Dies müssen Banken und Versicherungen in der Konsequenz bei künftigen Geschäftsabschlüssen berücksichtigen und die Übernahme derartiger Risiken ausschließen. Das trifft damit nicht nur Gebäudeversicherungen, sondern auch Finanzierungen, wie sie für Unternehmen bislang wichtig sind.
Die Bafin fordert daher, dass Banken und Versicherungen die Folgen des Klimawandels noch stärker in ihre Risikomodelle einbeziehen. Für die Kunden dürften daraus höhere Preise resultieren.
Zum Thema Klimawandel stellte die Bafin aktuell fest:
Wir bei der Bafin legen 2025 darauf einen besonderen Schwerpunkt. Denn der Klimawandel schreitet voran. Laut dem EU-Erdbeobachtungs-Programm Copernicus lag die weltweite Durchschnittstemperatur 2024 zum ersten Mal um mehr als 1,5 Grad über dem Niveau des vorindustriellen Zeitalters.
Neben den direkten Risiken durch den Klimawandel wie Extremwetterereignissen muss die Finanzwirtschaft sich auch mit den transitorischen Risiken beschäftigen, die durch die Umstellung auf eine nachhaltige, kohlenstoffarme Wirtschaft entstehen können.
Wenn Finanzdienstleister ein letztlich zu hohes Risiko eingehen, droht die Insolvenz und der Versicherte droht im Regen stehenzubleiben. Dass ein solches Risiko durchaus besteht, zeigt der aktuelle Fall der Element Insurance. Das Fatale bei derartigen Versicherungsmodellen ist die Tatsache, dass die Element Insurance nur als Risikoträger in den Versicherungsbedingungen erscheint, was für den normalen Versicherten hinsichtlich der Konsequenzen kaum zu überblicken ist.
Die Insolvenz der Element Insurance wird kein Einzelfall bleiben und trifft neben den Versicherungen auch die Altersversorgungen über die Versorgungswerke von kammerfähigen Berufen, also Ärzten, Tierärzten, Apothekern, Notaren, Wirtschaftsprüfern etc.
Neben die erhöhten physischen Risiken tritt der technische Wandel
Lassen sich schon die aus dem Klimawandel resultierenden Risiken bislang kaum seriös beziffern, gilt dies in besonderem Maße für die Situation in Bereichen, die von generativer KI oder auch von Quantencomputing tangiert werden. Bislang bewährte Verschlüsselungsmaßnahmen könnten in kürzester Zeit ausgehebelt werden.
Viele Unternehmen des Finanzsektors und ihre zentralen Dienstleister seien Teil der kritischen Infrastruktur und damit auch ein attraktives Ziel sowohl für staatlich veranlasste als auch organisierte Angriffe und Sabotage. Ferner aber auch für kriminelle Banden.
Bereits in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres verzeichnete die Finanzaufsicht mit 258 Meldungen über IT-Vorfälle bei Zahlungsdiensten eine deutliche Zunahme der Angriffe.
Zudem macht der Bafin offensichtlich die Schwäche der deutschen Wirtschaft Sorgen. Die Zahl der Unternehmenspleiten stieg 2024 um 16,8 Prozent bei steigender Tendenz. Damit sieht man ein erhöhtes Risiko, dass Firmenkredite ganz oder teilweise ausfallen.