Baerbock am Golf: Wir müssen über Waffenexporte sprechen

Außenministerin Annalena Baerbock, Protest gegen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien. Bilder: Alisdare Hickson / CC BY-SA 2.0 und Grüne / CC BY-SA 4.0

Wirtschaftskooperation braucht Werte, sagt die Außenministerin in Saudi-Arabien. Gleichzeitig werden an die Autokratie wieder deutsche Waffen geliefert. Scheinheiligkeit 2.0. Ein Kommentar.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist auf einer Auslandsreise in Saudi-Arabien. Morgen wird sie weiterreisen in die Monarchie Katar. Es geht natürlich um Wirtschaft und Geopolitik.

Baerbock betonte bei einem Besuch in Dschidda, dass wirtschaftliche Kooperation aber nicht "losgelöst von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Freiheitsrechten betrachtet werden" könnte. Und sie fügte nach einem Treffen mit dem saudi-arabischen Außenminister Prinz Faisal bin Farhan hinzu, dass es "zwei Seiten einer Medaille" seien. Die Beziehungen müssten aufbauen auf "verlässlichen gemeinsamen Regeln".

Nun, das sind Weisheiten, gelassen ausgesprochen. Wir hören sie immer wieder. Aber es sind Lippenbekenntnisse ohne Substanz, wenn hinter der Fassade von netten Worten Werte mit Füßen getreten werden und bedingungslos kooperiert wird.

Natürlich wissen wir, dass Saudi-Arabien ein fürchterliches Regime ist, dass sich nicht um Menschenrechte kümmert. Der gerade veröffentlichte Amnesty International Report zur weltweiten Anwendung der Todesstrafe führt die Ölmonarchie ganz oben auf der Liste an. In Saudi-Arabien verdreifachte sich die Zahl von 65 für 2021 auf 196 im Jahr 2022. An nur einem einzigen Tag wurden dort 81 Menschen exekutiert.

Der Golfstaat ist zudem das repressivste islamistische Land der Welt, inklusive wahhabitischem Staatsislam und erzkonservativen Religionsgelehrten – auch wenn im Zuge von mutigen Protesten Frauen jüngst ein paar Rechte erkämpfen konnten.

Sie dürfen jetzt ohne Erlaubnis ihres männlichen Vormunds einen Pass beantragen und ins Ausland reisen. Es gibt auch kein Fahrverbot mehr für sie. Doch weiter sitzen Frauen, die sich für ihre Rechte einsetzen, im Gefängnis, während Feminismus mit Terrorismus gleichgesetzt wird.

Und trotz des vom saudischen Regime angeführten Jemen-Kriegs und der damit ausgelösten humanitären Katastrophe, der Saudi-Connection bei den Terroranschlägen von 9/11, der Unterstützung für den IS und und der Ermordung des Washington-Post-Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Generalkonsulat in Istanbul haben die USA, aber auch Deutschland, nach einer kurzen Abkühlungsphase die Beziehung zum saudischen Königshaus wieder normalisiert.

Der bekannt gewordene Faustgruß des US-Präsidenten Joe Biden auf offener Bühne mit dem Kronprinzen Mohammed bin Salman sendete das eindeutige Signal: Die Vereinigten Staaten halten an der strategischen Beziehung zu Saudi-Arabien fest. Die Bundesregierung folgte.

Nach einer Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz im Oktober letzten Jahres an den Golf wurden die militärischen Schleusen wieder geöffnet. Die Ampelregierung genehmigt nach der Export-Pause nun wieder Waffenlieferungen an Saudi-Arabien sowie auch andere Golfmonarchien und Ägypten.

Im Gegenzug hat Deutschland ein wenig Erdgas und Diesel aus dem Golf erhalten – und eine Perspektive auf weitere fossile Brennstoffe und Wasserstoff.

Berlin kann an alte Export-Traditionen anknüpfen. In den ersten drei Jahren, in denen Saudi-Arabien und seine Verbündeten im Jemen Krieg führten, hat allein die deutsche Bundesregierung, von den USA ganz zu schweigen, Ausfuhrgenehmigungen für Waffen an die Staaten der Golfallianz (darunter neben Saudi-Arabien unter anderem Katar, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuweit und Marokko) von über 4,6 Milliarden Euro genehmigt.

Dazu kommen nicht genehmigungspflichtige militärische Joint Ventures deutscher Unternehmen im Ausland und deutsche Bankenfinanzierungen für Rüstungskonzerne, die an die kriegsführende Golfallianz Waffen liefern.