Baidu/Alibaba/Tencent vs. Google/Amazon/Facebook/Apple
Olaf Rotax von der dgroup zum Einstieg von Google beim zweitgrößten chinesischen Onlinehändler
Olaf Rotax ist Managing Director bei der von ihm gegründeten dgroup in Hamburg, die zum Accenture-Netzwerk gehört und Unternehmen bei der digitalen Transformation berät. Vorher baute er die digitalen Plattformen von Tchibo und OTTO auf, war Geschäftsführer von Karstadt.de und Mitglied der Geschäftsleitung von Shopping24.de. Deutschen Gründern empfiehlt der China-Experte in einem lesenswerten Aufsatz, sich nicht nur am kalifornischen Silicon Valley, sondern auch an China zu orientieren. Telepolis hat ihn gefragt, was es mit dem gestern bekannt gewordenen Einstieg von Google beim zweitgrößten chinesischen Onlinehändler JD auf sich hat.
Herr Rotax, warum hat Google Ihrer Ansicht nach 550 Millionen Dollar in JD.com investiert?
Olaf Rotax: Am Ende, weil dieses Investment Sinn ergeben wird. Es wird Google helfen, den Zugang zum chinesischen Markt zu verbessern, beziehungsweise diesen zu bekommen. Und es wird Google ermöglichen, an der Bewertung des eigenen Unternehmens zu partizipieren. In der letzten Zeit haben wir gesehen, dass die Börse eCommerce-Geschäftsmodelle wie das von Amazon besser getragen und bewertet hat als nicht so stark mit eCommerce verknüpfte Geschäftsmodelle.
Wir haben hier also ein "Triple-Win": Ein gutes finanzielles Investment, das Google durch seine eigene Stärke noch wertvoller machen kann, ein Investment, das Google in seiner eigenen Bewertung hilft, und eines, das Google bei der Verbreiterung des internationalen Geschäftsmodells von Suche in Richtung Commerce hilft. Es wird darüberhinaus auch JD helfen. Für das Unternehmen ist es eine Wertsteigerung, weil es von der guten Positionierung Googles in Europa sowie den westlichen Märkten hinsichtlich seiner eigenen Internationalisierung profitieren wird.
Reicht Google ein Anteil von weniger als einem Prozent an JD aus, um das zu verwirklichen?
Olaf Rotax: Ich würde das erst einmal als Signal begreifen, als den Startschuss einer Kooperation. Für weitergehende Aussagen fehlen mir die Datenpunkte - das, was in dem Geschäft konkret zwischen den beiden Parteien vereinbart ist. Aber alleine das Investment wird ein lohnendes sein. Weil Google für den Anteil bei einem Verkauf mehr bekommen würde, als sie bezahlt haben. Insofern sind die beiden anderen Punkte im Triple-Win-Modell weitere Synergiechancen. Sprich zusätzliche Chancen, die das Investment noch lohnenswerter machen, wenn sie sich kapitalisieren.
"Das chinesische Datenschutzgesetz ist sehr klar"
Was meinen Sie - bekommt Google von JD Kundendaten?
Olaf Rotax: Das chinesische Datenschutzgesetz ist sehr klar und schreibt eindeutig vor, dass chinesische Kundendaten das Land nicht verlassen dürfen. Und ich würde vermuten, dass sowohl Google als auch JD sich daran halten. Ich habe aber - über Dritte - gehört, dass JD Partner von Google Shopping werden will.
In anderen Meldungen konnte man lesen, dass Google die Lieferketten von JD mit seiner Technologie verknüpfen will. Wie könnte das konkret geschehen?
Olaf Rotax: Während Amazon mit seinem Geschäftsmodell schon sehr stark in die physische Welt expandiert und investiert, hat Google dort noch relativ wenig Investment und Infrastruktur aufgebaut. Wenn man einmal von den Servern absieht, auf denen die Produkte laufen. Und JD hat - ähnlich wie Amazon - bereits entsprechende Investments in physische Infrastruktur. Wenn Google jetzt anfängt, sich tiefer mit JD zu vernetzen, dann profitiert Google natürlich auch von diesen bereits geleisteten Investments in physische Infrastruktur.
Könnte das, was dabei entsteht, auch das Online-Geschäft in Deutschland verändern?
Olaf Rotax: In der Verknüpfung der Online- und der Offline-Welt sind die Chinesen zum Teil schon deutlich weiter als die westlichen Anbieter. In China gibt es - sehr stark getrieben von Alibaba - unter dem Stichwort "New Retail" gar keine Unterscheidung mehr zwischen Online- und Offline-Retail. Stattdessen spricht man von einem integrierten Retail, der digital gestützt, digital getrieben und digital erweitert ist.
Es ist davon auszugehen, dass das New-Retail-Konzept auch uns in Europa erreichen wird. Die Kombination von Social Media und Shopping ist in China ebenfalls schon deutlich weiter als in vielen westlichen Märkten. Das könnte JD durch den guten Marktzugang von Google schneller nach Europa bringen und den ohnehin laufenden Prozess beschleunigen.
In China haben sich unter den drei Playern Baidu, Alibaba und Tencent, die wir BAT nennen, bereits integrierte Eco-Systeme um Social Media, Suche und Shopping gebildet. Während in Amerika unter GAFA - also Google, Amazon, Facebook und Apple - die Player eher noch in eigenen Domains und nicht integriert agieren. Für mich ist das Investment von Google in JD auch ein Signal dafür, dass diese Integration und Konsolidierung der Geschäftsmodelle, wie sie in China schon vollzogen wurde, jetzt auch an Dynamik in Westen gewinnt. Die Geschäftsmodelle fangen an, sich miteinander zu verknüpfen. Das ist der Schritt von einer Plattformökonomie in ein Eco-System.
"Es wird sehr spannend, zu sehen, wer global das führende System wird"
Mit Tencent, dem WeChat-Betreiber, hatte Google ja schon ein Abkommen geschlossen.
Olaf Rotax: Tencent ist einer der großen Investoren bei JD. Wenn wir die drei großen Lager - Baidu, Alibaba, Tencent - als Eco-System-Kerne betrachten, wird JD zum Eco-System von Tencent gezählt. Mit dem Investment hat Google die Verbindung mit Tencent intensiviert.
Wie wird Alibaba auf die Kooperation reagieren?
Olaf Rotax: Dazu fehlen mir substanzielle Datenpunkte. Was ich weiß, ist, dass Alibaba bereits einen stärkeren Internationalisierungsfokus fährt als es JD gemacht hat. Das sehen Sie schon an der Aktivität in Europa, wo Alibaba substanzielle lokale Vertriebsmannschaften aufgebaut hat, während JD hier noch nicht so stark aktiv ist. Mein persönlicher Eindruck ist, dass eher JD auf die Internationalisierung von Alibaba reagiert.
Die spannendste Geschichte, die ich in der Verbindung von Google und JD sehe, ist, dass der BAT-Raum und der GAFA-Raum, die bisher unabhängig voneinander wuchsen und sich ein bisschen "aus dem Weg gegangen sind", jetzt anfangen, den globalen Markt ins Visier zu nehmen. Es wird sehr spannend, zu sehen, wer global das führende System wird.
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