Bald mehr Öko auf deutschen Äckern?
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Französische Wissenschaftler fanden heraus, dass Ernteerträge nicht unbedingt kleiner ausfallen, wenn weniger Chemikalien gespritzt werden
Glyphosat sei nicht krebserregend, heißt es in einem Gutachten der europäischen Chemikalienagentur ECHA in Helsinki, das am 15. März 2017 veröffentlicht wurde. Es habe keinerlei mutagene, fortpflanzungsschädigende Eigenschaften. Allerdings sei es giftig für in Gewässern lebende Tiere und Pflanzen. Außerdem könne der Kontakt mit Glyphosat zu schweren Augenverletzungen führen.
Die wissenschaftlichen Argumente, die für eine Zulassung sprechen, seien erdrückend, findet Ursula Lüttmer-Ouazane, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat, in welcher etliche Chemie- und Agrarkonzerne beteiligt sind. Zum Jahresende soll auf Grundlage der Bewertung durch die ECHA erneut über die Zulassung von Glyphosat entschieden werden. Bei all der "erdrückenden Beweislast" wäre nicht auszuschließen, dass Glyphosat weiter erlaubt bleibt.
Frei nach dem Motto, es kann nicht sein, was nicht sein darf, wurden nicht einmal neue Untersuchungen durchgeführt, sondern die Wissenschaftler prüften und interpretierten umstrittene, weil von der Industrie finanzierte Studien neu (siehe dazu: Glyphosat: Datenmasseure bei der Arbeit).
Wie groß der Einfluss der Lobbyisten diesmal war, ist unklar: Während Mitarbeiter der ECHA beteuern, wie unabhängig sie arbeiten, bezweifeln Vertreter von Greenpeace eben dies. Schließlich sollten bereits frühere angeblich unabhängige Studien, die die Harmlosigkeit von Glyphosat bescheinigten, von Monsanto beeinflusst gewesen sein.
Bleibt die Frage, ob sich die Aufregung um Glyphosat lohnt. Denn, so mutmaßen Realisten, über ein Verbot würden sich die Chemiekonzerne zwar ärgern, eine Ersatz-Chemikalie wäre aber schnell gefunden. Mit oder ohne Glyphosat - das Geschäft mit den Unkrautvernichtungsmitteln ginge weiter.
Ein Kurswechsel in der Landwirtschaft ist längst überfällig
Dabei ist ein Kurswechsel in der Landwirtschaft längst überfällig. Erst im Februar 2017 stellte Agrarminister Schmidt seine "Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau" vor. Anstatt 20 Millionen will das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) künftig 30 Millionen Euro im Jahr dafür ausgeben.
Damit soll die Umstellung von Landwirtschaftsbetrieben auf Öko-Anbau in Deutschland erleichtert werden. Das ehrgeizige Ziel, 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch zu bewirtschaften, soll damit schneller erreicht werden. Aber kann man solchen Versprechungen überhaupt trauen?
Wir erinnern uns an den BSE-Skandal 2000/2001. Er markiere das "Ende der Landwirtschaftspolitik des alten Typs", tönte es aus den Reihen der Agrarpolitiker. Schon damals kündigte Renate Künast an, den Anteil des Öko-Landbaus auf 20 Prozent ausbauen zu wollen. Wenige Monate später war davon keine Rede mehr. Die Agrarwende war wohl irgendwie im Sande verlaufen.
Sicher ist es utopisch, dass alle Landwirte von heute auf morgen auf Bio umstellen. Doch es geht auch in kleineren Schritten. So fanden französische Wissenschaftler am Institut Nationale de la Recherche Agronomique (INRA) heraus, dass weniger Pestizide nicht unbedingt höhere Ernteverluste zu Folge haben.
Zwischen 2009 bis 2011 sammelten sie Daten von 1.000 Landwirtschaftsbetrieben. Im Ergebnis konnten 60 Prozent von 946 ausgewerteten Betrieben ihren Pestizidverbrauch um durchschnittlich 42 Prozent senken, ohne dass Ernteeinbußen zu verzeichnen waren. Es wurden 37 Prozent weniger Herbizide, 47 Prozent weniger Fungizide und 60 Prozent weniger Insektizide gespritzt.
Laut Jürgen Schwarz vom staatlichen Julius-Kühn-Institut könnten die Ergebnisse aber nur eingeschränkt auf Deutschland übertragen werden. Hierzulande würden sich die Betriebe in Fruchtfolgen, Sorten und Ausmaß des Schädlingsbefalls unterscheiden. Prof. Dr. Maria Finckh von der Uni Kassel sieht das anders. Auch in Deutschland könnte man weniger Pestizide ausbringen, wenn Landwirte rechtzeitig die Schadensschwellen ermitteln würden, glaubt die Expertin für Ökologischen Pflanzenschutz.
Außerdem fehle es an vernünftigen Fruchtfolgen, welche nicht nur die Böden schonen und robustere Ernten liefern, sondern auch Schädlingsbefall und Beikraut minimieren. Feldfrüchte würden je nach Marktlage angebaut, und dies meist unter massivem Pestizideinsatz. Solange Pestizide billig sind und ohne Beschränkungen ausgebracht werden dürfen, sei keine Änderung in Sicht.