Bananenrepublik Sachsen

Seite 2: Blockade gegen Klimazerstörer

Die Klimakrise klopft also allenthalben an die Tür, und die Ursachen der Veränderungen sind schon sehr lang bekannt. Doch im starken Kontrast steht dazu, der Umgang mit jungen Klimaschützern hierzulande.

Am Wochenende fand am Flughafen Leipzig-Halle eine Sitzblockade statt. Die Aktion war angemeldet und friedlich, so jedenfalls die Berichte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie richtete sich gegen den klimaschädlichen Luftverkehr im allgemeinen und gegen den von der DHL - der privatisierten einstigen Deutschen Post - betriebenen Ausbau des dortigen Frachtflughafens.

"Ein Flughafenausbau während der Klimakrise ist eine Katastrophe", heißt es in einer auf Twitter verbreiteten Stellungnahme der Demonstranten. Auch die Tatsache, dass Leipzig-Halle eine wichtige Drehscheibe für die Abschiebungen auf den afghanischen Kriegsschauplatz ist, wurde von den Protestierenden kritisiert. Ebenso, dass die osteuropäischen Arbeiter bei DHL zu "katastrophalen Arbeitsbedingungen" und schlecht bezahlt beschäftigt sind. Deshalb habe man Freitagnacht eine LKW-Zufahrt zum Flughafen blockiert.

Auch bei den Anwohnern ist der Airport unbeliebt. Unter anderem engagiert sich seit Jahren eine nach eigenen Angaben 400 Mitglieder zählende Bürgerinitiative für ein Nachtflugverbot. Auch "eine Vielzahl (anderer) Initiativen und Organisationen haben sich in der Region Leipzig/Halle aufgrund der Missstände am Flughafen in Schkeuditz gegründet", heißt es bei der IG Nachtflugverbot.

7.000 Einwendungen im Planungsverfahren um die Flughafenerweiterung und 11.000 Unterschriften unter eine entsprechende Petition hatte es gegeben. Ohne Erfolg, schreibt das Neue Deutschland (ND) am gestrigen Dienstag über den Protest.

Nun sollen aus 80.000 und 130.000 Starts und Landungen im Jahr werden. Doch trotz des offensichtlichen Rückhalts in der Bevölkerung reagierte die Polizei Freitagnacht mit aller Härte auf die friedliche Blockade. Als die Versammlung aufgelöst wird und die rund 80 Beteiligten abziehen wollen, werden sie von der Polizei eingekesselt.

Nach Angaben sowohl der Teilnehmer in verschiedenen Twitter-Beiträgen als auch des Landtagsabgeordneten der Linkspartei Marco Böhme, der Zeuge der Aktion war und vom ND zitiert wird, war die Blockade als Spontanversammlung angezeigt und von der Versammlungsbehörde ohne Auflagen genehmigt worden. Doch nun ist auf einmal von Nötigung die Rede.

DHL hatte noch in der Nacht eine Schadensersatzanzeige gestellt und macht Verluste in Höhe von 1,5 Millionen Euro geltend. Da die Demonstrierenden zunächst die Herausgabe der Personalien verweigerten, wurden sie in eine Gefangenensammelstelle gebracht und dort weit über 24 Stunden hinaus festgehalten. Schließlich wird sogar mit Untersuchungshaft gedroht. Zum Teil sei ihnen Essen, Getränke, Medikamente und auch der Toilettengang verweigert worden, heißt es in der oben erwähnten Stellungnahme auf Twitter. (Hier die Schilderung einer Betroffenen.)

Es habe massive Schikanen, sexistische Kommentare gegen Frauen und gezielte Einschüchterung gegenüber jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegeben. Viele hätten stundenlang in Unterwäsche in kalten Zellen ausharren müssen. Auch hätten zum Teil die Corona-Schutzmaßnahmen nicht eingehalten werden können. Schließlich seien auch noch 30 Aktivistinnen und Aktivisten gegen deren Willen DNA-Proben entnommen worden.

Das alles, wohlgemerkt, um etwaige zivilrechtliche Ansprüche von DHL durchsetzen zu können. Dass eine Blockade - die zumal genehmigt war - nicht als Nötigung bewertet werden kann, wie von der Polizei offenbar im Nachhinein versucht, hatten bundesdeutsche Gerichte schon in den 1980er Jahren anlässlich von Protesten der Friedensbewegung klargestellt.

Dennoch wurde von der Landespolitik angesichts der massiven Repression noch nachgekartet. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) streute die Falschmeldung, es habe seitens der Demonstranten Gewalt gegen Personen und Sachen gegeben, und sein Koalitionspartner von der SPD sah den freien Welthandel in Gefahr. Nur bei den ebenfalls mitregierenden Grünen scheint man noch nicht ganz die Maßstäbe verloren zu haben.

Wenn Polizei, Staatsanwaltschaft, SPD und CDU legitime Proteste gegen den Ausbau des Frachtflughafen Leipzig kriminalisieren, um private Interessen von Wirtschaftsunternehmen zu schützen, zeigt dies ein Demokratieverständnis, das dem einer Bananenrepublik gleicht.

Norman Volger, Landesvorstandssprecher von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen, MDR