Bangladesch: Kann die neue Regierung das Ruder herumreißen?

Textilfertigung in Bangladesch

Textilfertigung in Bangladesch, Foto: hanifphoto1, shutterstock

Die Interimsregierung in Bangladesch kam zügig zustande. Doch die Probleme sind überwältigend. Wie kann sie den Anforderungen gerecht werden?

Mit ihrer Flucht am 5. August hinterließ die Premierministerin, Sheikh Hasina, ein Machtvakuum in Bangladesch. Zunächst übernahm die Armee die Macht und setzte eine Übergangsregierung ein. Diese soll das südasiatische Land mit seinen 170 Millionen Einwohnern – laut Verfassung – innerhalb von drei Monaten zu freien und fairen Wahlen führen.

Inmitten der Hoffnungen auf gesellschaftliche Reformen sind die Menschen jedoch immer noch skeptisch. Reicht dieser Zeitrahmen aus, um aus dem politisch zerrissenen Land demokratische Anstöße zu geben, damit es nicht in eine Autokratie zurückfällt?

Zwar bringt der nun zum Chef der Übergangsregierung ernannte, 84-jährige Nobelpreisträger und Unternehmer Muhammad Yunus als ausgewiesener Gegner Hasinas die dringend benötigte Glaubwürdigkeit für die fragile Situation mit.

Übergangsregierung mit Studentenführern

Und zur Übergangsregierung gehören auch Rechtsaktivisten, Professoren, Rechtsanwälte, ehemalige Regierungsbeamte und prominente Mitglieder der Zivilgesellschaft Bangladeschs. Vielversprechend ist zudem, dass ihr zwei 26-jährige Studentenführer – Nahid Islam und Asif Mahmud – angehören. Das bringt junge Stimmen in die politische Entscheidungsfindung ein.

In den vergangenen 15 Jahren hat die schwerfällige Einparteienherrschaft in Bangladesch die Oppositionsparteien aus dem politischen System verdrängt und den Bürgern eine echte Demokratie vorenthalten.

Doch die zuvor ausgegrenzte Parteien wie die Bangladesh Nationalist Party (BNP) und die islamistische Jamaat-e-Islami-Partei kehren jetzt ins Spiel zurück. Beide Parteien neigen übrigens weder den USA noch Indien zu, sondern China (BNP) und Pakistan (Jamaat).

Kann die Übergangsregierung das Land zusammenhalten?

Zudem hat Hasina angekündigt, nach Bangladesch zurückzukehren, sobald ein Termin für die kommenden Wahlen festgelegt worden ist. Ob sie diese Ankündigung wahr macht, dürfte angesichts eines Mordprozesses, der inzwischen gegen sie angestrengt wird, mindestens fraglich sein.

Es erhebt sich also die Frage: Kann der 84-jährige Yunus deren Begehrlichkeit in Schach halten und gleichzeitig die Wirtschaft des Landes wieder auf Kurs bringen?

Denn ein hoher Inflationsdruck, endemische Korruption und die Aushöhlung der demokratischen Institutionen haben Bangladesch in wirtschaftliche Turbulenzen gestürzt. Zudem hat der Umsturz eine Welle der Gewalt nach sich gezogen, mit Angriffen auf die hinduistische Minderheit in Bangladesch sowie Plünderungen und Brandanschlägen im ganzen Land.

Das Verfassungsparadoxon

Laut Asia Times wird die Übergangsregierung nun wahrscheinlich versuchen, das Land in Richtung einer umfassenden Verfassungsreform zu lenken. Dazu kann sie entweder eine neue Verfassung ausarbeiten (lassen) oder die bestehende ändern.

Allerdings ist schon die Existenz der Übergangsregierung – ganz zu schweigen von der Befugnis, die Verfassung zu ändern – an und für sich verfassungswidrig.

Denn nach der Verfassungsänderung im Jahr 2011 sieht die derzeitige Verfassung keine geschäftsführenden Regierungen mehr vor. Dies führt zu einem rechtlichen Paradoxon, auch wenn die Rolle der Übergangsregierung bei der Bewältigung der aktuellen Krise weithin als notwendig angesehen wird.

Wahlen verschieben?

Eine weitere kritische Entscheidung, ist die Frage, wann Wahlen abgehalten werden sollten. Die Verfassung schreibt eine dreimonatige Frist vor. Doch sollte die Übergangsregierung die Wahlen überstürzt durchführen, wird sie wahrscheinlich keine der aktuellen Probleme des Landes erfolgreich bearbeiten können.

Einige Experten haben daher empfohlen, die Wahlen zu verschieben, um mehr Zeit für politische Reformen zu haben. Eine der wichtigsten Aufgaben wird die Wiederherstellung der Unabhängigkeit zentraler Institutionen, einschließlich der Wahlkommission sein.

Andere befürchten dagegen, dass die Gefahr einer politischen Einmischung der Militärs zunimmt, je länger die Interimsregierung unter Yunus im Amt bleibt.

Der wachsenden Ungleichheit begegnen

Bangladesch hat diesen Zyklus politischer Unruhen schon einmal erlebt – Autokraten oder Regierungen, die durch Volksaufstände gestürzt wurden, um dann von Regimen abgelöst zu werden, die letztlich die Erwartungen der Bevölkerung nicht erfüllten.

Die Herausforderungen, vor denen das Land steht, sind jedoch immens. Die Übergangsregierung und jede künftige Führung muss sich mit der wachsenden Ungleichheit in der Gesellschaft und dem Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen auseinandersetzen. Fast 40 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 18 Jahre.

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