Bankenrettungen 2.0: Dominostein Credit Suisse gefallen
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In den USA ist mit der First Republic Bank ein Dominostein umgefallen und in Europa übernimmt in einer Elefantenhochzeit die UBS die Credit Suisse. Aus too big to fail wird ein much bigger to fail.
Die Realität hat die Simulation, die auch die Europäische Zentralbank (EZB) vergangene Woche mit ihrer Zinspolitik versucht hatte, wieder einmal in nur kurzer Zeit eingeholt.
Dass die EZB gleich am Tag darauf weitere Sondersitzung des Aufsichtsrates einberufen musste, weil zwischenzeitlich in den USA mit der First Republic eine weitere Regionalbank abgestürzt ist, zeigte schon deutlich, wie kurz die Betäubungsmittel wirken.
Der First Republic waren zum Wochenende, koordiniert von den US-Aufsichtsbehörden unter Federführung von US-Finanzministerin Janet Yellen, die Bank of America, Citigroup, JPMorgan Chase, Wells Fargo, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Bank of New York Mellon, PNC Bank, State Street, Truist und die U.S. Bank mit 30 Milliarden US-Dollar (28 Milliarden Euro) beigesprungen.
Auch hier war das Ziel, vor allem die Lage zu beruhigen. "Diese Unterstützung durch Amerikas größte Banken spiegelt das Vertrauen in First Republic und seine Fähigkeit wider, seinen Kunden und Gemeinden weiterhin einen außergewöhnlichen Service zu bieten", erklärte die Bank.
Gewaltiges Beben in der Bankenszene
Klar war natürlich, dass auf der EZB-Krisensitzung vor allem über die anstehende Pleite der Schweizer Großbank Credit Suisse (CS) gesprochen wurde, die für ein gewaltiges Beben in der Bankenszene gesorgt hat. Denn anders als die First Republic gehört die CS zu den Banken, die als "systemrelevante" Banken gelten, die als "too big to fail" angesehen werden.
Über das gesamte Wochenende war gerungen worden, um ein Rettungspaket für die Bank zu schnüren, bevor an diesem Montag der Börsenhandel startete. Mit den Turbulenzen um die CS zeigt sich die neue (alte) Bankenkrise erneut sehr deutlich auch in Europa. Offengelegt wurden damit die Probleme, dass aus der Finanzkrise ab 2008 eben keine realen Konsequenzen gezogen wurden.
In einer Elefantenhochzeit übernimmt nun die Schweizer Großbank UBS für drei Milliarden Franken (3,04 Milliarden Euro) die CS. Beide Banken gehören zu den 30 größten Banken weltweit, die als systemrelevant eingestuft werden. Gestützt wird der Deal massiv durch den Schweizer Staat.
Denn die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat mitgeteilt, dass der Deal über eine "umfangreiche Liquiditätshilfe" im Umfang von 100 Milliarden Franken (101,2 Milliarden Euro) gestützt werde. Dazu kommt aber auch noch eine Verlustgarantie durch den Staat im Umfang von neun Milliarden Franken (9,1 Milliarden Euro), um potenzielle Verluste auszugleichen.
Mit den getroffenen Maßnahmen werde sichergestellt, dass die SNB der Credit Suisse im Bedarfsfall umfassend Liquidität zur Verfügung stellen kann, wird in der Schweiz berichtet. Die SNB schreibt in ihrer Presseerklärung zur Elefantenhochzeit von gleich zwei Banken, die als "too big to fail" gelten:
Mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS konnte in dieser außerordentlichen Situation eine Lösung zur Sicherung der Finanzstabilität und zum Schutz der Schweizer Volkswirtschaft gefunden werden.
Schweizerische Nationalbank (SNB)
Das sehr fragwürdige Vorgehen, bei dem alle Erkenntnisse aus der Finanzkrise über Bord geworfen werden, lobt auch der Schweizer Bundespräsident Alain Berset: "Der Bundesrat ist überzeugt, dass die Übernahme die beste Lösung ist, um das Vertrauen wiederherzustellen", sagte er am späten Sonntag.
Er sprach von einer "sehr starken Lösung". In der Not scheint nun also wieder alles möglich, was man eigentlich seit 15 Jahren vermeiden wollte, nämlich immer größere und noch größere Finanzinstitute zu schaffen. Wie in der Finanzkrise wird wieder mit der sogenannten Alternativlosigkeit argumentiert.
"Jede andere Lösung hätte eine Finanzkrise ausgelöst."
So erklärte auch die Schweizer Finanzministerin Finanzministerin Karin Keller-Sutter betonte, die Übernahme sei die einzige mögliche Lösung.
"Jede andere Lösung hätte eine Finanzkrise ausgelöst."
In diese Kerbe schlägt auch der Bundespräsident: "Ein unkontrollierter Absturz der Credit Suisse hätte unkalkulierbare Folgen für das Land und die internationale Finanzwelt." Deshalb kommt er zu dem Schluss: "Wir müssen alles tun, um eine weitreichende Finanzkrise zu vermeiden."
Dabei ist die wirkliche Frage eine ganz andere, von der auch die EZB-Chefin Christine Lagarde ablenkt, wenn sie davon redet, dass Schweiz rasch gehandelt und die richtigen Entscheidungen getroffen habe. "Sie sind entscheidend für die Wiederherstellung geordneter Marktbedingungen und die Gewährleistung der Finanzstabilität."
Es sind also für diese EZB-Präsidentin geordnete Bedingungen, wenn man einer Großbank 100 Milliarden zur Verfügung stellt und der Staat eine Verlustgarantie übernimmt.
Wenn Lagarde anfügt, dass der Bankensektor des Euroraums widerstandsfähig sei und über eine starke Kapital- und Liquiditätsausstattung verfüge, sollte man sich eher warm anziehen. Ohnehin fügt sie sofort an, dass man das Finanzsystem des Euroraums "bei Bedarf mit Liquidität versorgen" und die reibungslose "Übertragung der Geldpolitik" gewährleisten könne.
Die wichtigen Fragen, um die sich vor allem Lagarde herumdrückt, sind: Warum wurde in den vergangenen 15 Jahren nicht alles dafür getan, um zu verhindern, dass der Absturz einer einzelnen Bank unkalkulierbare Folgen haben kann? Wurden nicht die Notmaßnahmen, wie man sie jetzt wieder ergreift, einst damit begründet, dass man Zeit gewinnen wolle, um die notwendigen Reformen einzuleiten?
Dazu wurden unter anderem von den Notenbanken bis ins vergangene Jahr die Geldmärkte geflutet, was zu einer überbordenden Inflation führte. Da auch die Geldschwemme zu spät zurückgenommen wurde, angesichts einer überschießenden Inflation dann schnell und aggressiv zugelangt werden musste, wurden neue Problemfelder aufgerissen. Die lassen nun wieder Banken umkippen lassen, wie wir hier schon erklärt hatten.
Es ist auffällig, dass nun auch das Handelsblatt schreibt:
Eine Großfusion ist die schlechteste Lösung."
Bei Risiko: Rufe nach dem Staat
In der Zeitung ist üblicherweise nur wenig Kritik daran zu finden ist, dass die Maßnahmen und Regulierungen nach der Finanzkrise bestenfalls auf halbem Weg stecken geblieben sind und in den USA sogar das Wenige, was erreicht worden war, von Präsident Trump zu einem guten Teil wieder abgeräumt wurde.
Damit wurde die neue (alte) Bankenkrise befördert. Doch statt einer Zerschlagung und möglicher Abwicklung rufen, wofür man die Aktionäre zur Verantwortung ziehen und rasieren sollte, rufen Neoliberale wieder einmal nach dem Staat.
Für die CS sei "eine volle Verstaatlichung die beste Option", da "das Risiko sehr groß" sei, dass "ein fragiles Monster übrig bleibt", wenn ein stabiles und ein fragiles Geldhaus zusammengehen.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) meint sogar sagen zu können, dass man es nicht einem Déjà-vu zu tun habe.
Die Credit Suisse hat – anders als ihre große Rivalin damals – kein Solvenz-Problem, bis vor Kurzem war sie vergleichsweise gesund.
SZ
Zum Verhängnis für die Bank seien deren raffgierigen Manager geworden, die über Jahre das Geldinstitut ausgehöhlt hätten. Die Frage, warum die Aufseher zugeschaut haben, wird natürlich nicht gestellt. Für die SZ leuchtet der Deal schon "auf den ersten Blick" ein:
"Die Credit Suisse ist siebenmal weniger wert als der Platzhirsch."
Etwas mulmig wird es dann aber auch der SZ, wenn sie daran erinnert, dass nun ein "Finanzkoloss mit einer Bilanzsumme" entstehen wird, die mehr als doppelt so groß ist wie die jährliche Wirtschaftsleistung der Schweiz ist.
Auf den zweiten Blick fragt man sich deshalb: War Größe nicht eben noch ein Problem?
Etwas klarer sieht die Lage die Schweizer Handelszeitung: "Die erzwungene Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ist ein unfassbares Desaster".