Batman statt Marx: Ex-Banker übernimmt Linkspartei in Griechenland

Fragwürdige Perspektive, fragwürdige Bilanz: Kasselakis, Tsipras. Bild: @skasselakis

Der Zerfall der Partei Syriza steht für den Niedergang der Linken in Europa. Die Vorgänge in Athen sind in ihrer Skurrilität aber einzigartig. Das liegt vor allem am Protagonisten.

Die nach eigenen Angaben "größte europäische Linkspartei" Syriza hat mit dem Ex-Reeder und Ex-Goldman-Sachs-Banker Stefanos Kasselakis einen neuen Vorsitzenden. Die griechische Oppositionspartei steht vor einer Zerreißprobe, zumal Kasselakis nach einhelliger Meinung aller, die nicht zu seinen Anhängern zählen, noch keine fundierten politischen Aussagen über seine Pläne gemacht hat.

Bekannt ist, dass er aus Syriza eine "patriotische Linkspartei" nach dem Vorbild der US-Demokraten machen will. Beim Stichwort "patriotisch" dürfte mancher in der deutschen Linken aufhorchen. Doch Kasselakis hat mit Sahra Wagenknecht nichts gemein.

In Deutschland zögert Wagenknecht derzeit noch, eine Partei zu gründen, was auch daran liegen mag, dass dies mit erheblichem organisatorischem Aufwand verbunden wäre. Kasselakis hat es sich vereinfacht: Er hat die Syriza nach nur dreißig Tagen Mitgliedschaft im Handumdrehen übernommen.

Von den Werken von Karl Marx und der Geschichte der Linken und Kommunisten im eigenen Land hat er zum Teil nicht einmal eine oberflächliche Ahnung. Marx zu studieren sei Zeitverschwendung, hieß es aus seinem Umfeld. Am Mittwoch vergangener Woche erklärte er in einem Interview, dass die Comicfigur Batman für ihn ein linker Held sei. Einen Nachteil sieht er in seinem Sternzeichen Widder mit Aszendent Wassermann. Dabei ist Astrologie in linken Kreisen – nicht nur in Griechenland – eher verpönt.

Ebenso wie alles, was bei kritischer Betrachtung als eugenische Maßnahme interpretiert werden könnte. Kasselakis, der in einer gleichgeschlechtlichen Ehe mit dem US-Amerikaner Tyler McBeth lebt, erklärte in einem Interview, er und sein Partner planten zwei Kinder. Es sollten von Leihmüttern ausgetragene Jungen sein, damit jeder der beiden "seine Persönlichkeit weitergeben kann". Eine Adoption schloss er für sich aus.

Die Einlassungen provozierten selbst bei seinen Anhängern Kritik. "Das Ziel sollte nicht die Reproduktion unserer {überschätzten} DNA sein, sondern die Umarmung, die Zuneigung und der Schutz eines Kindes, das bereits unter uns ist. Es ist nicht schlimm, wenn unser Kind nicht so aussieht wie wir. Das ist kein Drama", sagte die Syriza-Abgeordnete und Kasselakis-Unterstützerin Elena Akrita. Sie hat selbst ein Adoptivkind.

Der smarte US-Grieche gewann die parteiinterne Wahl zum Parteichef vor allem mit professionell gedrehten Tik-Tok-Videos, eingängigen, eher populistischen Slogans und dank einer Medienberichterstattung, die die Öffentlichkeit über das Café, das Fitnessstudio und die Gassi-Gewohnheiten von Kasselakis' Hündin informierte, aber keine Antworten auf politische Fragen geben konnte.

Abstimmungsberechtigt bei den Wahlen zum Parteivorsitz waren alle rechtmäßig gemeldeten Einwohner des Landes, also auch Ausländer, die mindestens 15 Jahre alt waren. Am Wahltag musste lediglich ein Antrag auf Mitgliedschaft bei Syriza gestellt werden.

Einen Mitgliedsbeitrag von zwei Euro musste nur zahlen, wer nach eigenen Angaben über ausreichende Mittel verfügte. Es liegt auf der Hand, dass Kasselakis von diesem von Alexis Tsipras erdachten, wenig transparenten Wahlsystem profitierte.

Tsipras selbst hielt sich bei der Wahl seines Nachfolgers zurück. Das gebiete die Neutralität, ließ er verlauten.

Wie neutral es allerdings ist, dass Kasselakis' Gegner von seinen Anhängern mit gestreuten Falschaussagen über Tsipras' Abgang verunglimpft wurden, ohne dass Tsipras die Vorgänge aufklärte, mag jeder für sich selbst entscheiden.

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