Bauern-Blockaden und Bauernfänger: Wie Parteien abstimmten und wie sie sich jetzt äußern
CSU und AfD versuchen die Bauernproteste für sich zu nutzen. Dabei stimmten auch sie für ein Ende von Steuervergünstigungen. Was sonst noch auffällt.
Polizeidienststellen in mehreren Bundesländern warnten an diesem Montagmorgen wegen der hohen Zahl angemeldeter Bauernproteste mit Traktoren vor Verkehrsbehinderungen, die den ganzen Tag andauern und sowohl den Berufsverkehr als auch schulpflichtige Kinder und Jugendliche betreffen könnten.
Sperrung im Zentrum der Hauptstadt
Bereits seit Sonntagabend ist in Berlin die Straße zwischen dem Großen Stern und dem Brandenburger Tor gesperrt – und voraussichtlich bleibt sie es bis heute Abend um 22 Uhr. Grund ist eine angemeldete Demonstration mit Traktoren, wie die Verkehrsinformationszentrale auf der Plattform X mitteilte.
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Nach Polizeiangaben wurde eine Demonstration mit rund 300 Teilnehmern angemeldet. Wie viele Traktoren in die Hauptstadt kommen, war zunächst unklar. Der Landesbauernverband hat zudem Aktionen an Autobahnen, Supermärkten und Tankstellen angekündigt. Auch Spediteure und Handwerker haben sich dem Protest angeschlossen.
Am Montag, 15. Januar, soll es eine zentrale Großdemonstration in der Hauptstadt geben, zu der bundesweit mobilisiert wird. Der Bauernverband appellierte am Wochenende an die Teilnehmer der Proteste, auf Aktionen vor Wohnhäusern von Politikern oder persönliche Anfeindungen zu verzichten.
Unterstützt wird die Demonstration von der Interessenvertretung der Freien Bauern, die nicht zum Deutschen Bauernverband gehört.
"Sie haben sich verrannt"
Als unverhältnismäßig kritisierte die Blockadepläne Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) der maßgeblich für die inzwischen teilweise zurückgenommenen Sparpläne im Agrarsektor verantwortlich ist, aber bisher weniger im Fokus des Unmuts stand als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Die Ampel-Koalition hat angekündigt, die Befreiung bei der Kfz-Steuer beizubehalten. Die Agrardiesel-Vergünstigung soll nun aber nicht sofort abgeschafft, sondern bis 2026 schrittweise reduziert werden. Den Protestierenden reicht das allerdings nicht.
"Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um", hatte Lindner laut einem Bericht des Spiegel beim Dreikönigstreffen der FDP am Samstag in Stuttgart den Zuhörern zugerufen. Eine Situation, wie sie Habeck habe erleben müssen, als er am Donnerstag in Schlüttsiel eine Fähre nicht verlassen konnte, sei "völlig inakzeptabel", so Lindner. Landfriedensbruch und Sachbeschädigung könnten nur "Fälle für den Staatsanwalt" sein.
Bayerische Staatsregierung gibt sich rebellisch
Auch in Bayern soll es heute zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen kommen – anders als im Fall der Klima-Initiative "Letzte Generation" zeigt die Landesregierung aus CSU und Freien Wählern aber hierfür Verständnis: Ein ganz großer Teil der Bevölkerung habe überhaupt keine Hoffnung, auf normalem Weg eine Veränderung erreichen zu können, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
Bayerns Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sprach sogar von "Notwehr" – und Söder befand, eine andere Politik sei nötig, um der AfD und anderen radikalen Gruppen den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Im Fall der Autobahnblockaden der "Letzten Generation" war Bayern Vorreiter in Sachen Präventivhaft gewesen: Mehr als zwei Dutzend Klimabewegte waren beispielsweise während der Automesse IAA in München vorsorglich weggesperrt worden.
Der bayerische SPD-Fraktionschef Florian von Brunn wirft den Unionsparteien und der AfD vor, in Bezug auf die Bauernproteste ein falsches Spiel zu spielen – und verwies auf deren tatsächliches Abstimmungsverhalten im Bundestag, als es um die inzwischen wieder zurückgenommen Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte ging.
Beschluss war einstimmig
Zwischen den Ampel-Parteien und der Union hatte es darüber zunächst keinen Dissens gegeben."Alle Fraktionen – auch die CSU und sogar die AfD – haben auf Vorschlag des Bundesrechnungshofs erst vor Kurzem im zuständigen Ausschuss des Bundestags für das Ende der Kfz-Steuerbefreiung gestimmt. Und dann sind CDU und CSU auf die Straße gegangen und haben dagegen Stimmung gemacht", erklärte Brunn am Sonntag. Das zeige, "wie verantwortungslos die Union inzwischen zündelt".
CDU-Chef Friedrich Merz rief unterdessen die Landwirte auf, bei ihren Protesten friedlich zu bleiben und sich nicht instrumentalisieren zu lassen. Laut Medienbereichten schrieb er am Samstag in einer E-Mail an seine Anhänger, alle, die protestieren wollten, sollten dies mit "Augenmaß und vor allem ohne Gewalt" tun.
"Landwirte, Spediteure oder wer auch immer dürfen sich nicht instrumentalisieren lassen von Leuten und Gruppierungen, die den legitimen Protest missbrauchen, um das ganze System unseres Landes infrage zu stellen", so Merz.
Auch Linke kritisieren Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte
Tatsächlich besteht in der Bauernschaft nicht erst seit dem Regierungswechsel 2021 Unzufriedenheit mit der Agrarpolitik in Deutschland und der EU.
Auch die Partei Die Linke (die mangels Fraktionsstatus in Bundestags-Ausschüssen kein Stimmrecht mehr hat) und die Klimabewegung sehen hier reale Probleme, die alle Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte mitzuverantworten hätten – gerade kleineren Betrieben, die ökologisch nachhaltig wirtschaften wollen, werde es schwer gemacht, so die Kritik.
Hintergrund ist, dass EU-Subventionen in der Regel nach Nutzfläche vergeben werden und Nachhaltigkeitskriterien weniger ins Gewicht fallen. Unterdessen hängt aber die Umwelt- und Klimabilanz von hierzulande verzehrten Lebensmitteln nicht nur davon ab, wie die Felder bewirtschaftet wurden, sondern auch von der Länge der Transportwege.
Heimische Nahrungsmittelproduktion unverzichtbar
Insofern sind heimische Lebensmittelproduktion, Nahrungsmittelsouveränität und somit auch Wertschätzung für die Landwirtschaft aus der Umwelt- und Klima-Perspektive unverzichtbar.
"Linke Akteure sollten den Bauern zuhören", meint daher die Naturschutz-Ökologin und Aktivistin Carola Rackete, die bei der Europawahl als Kandidatin der Linkspartei ins Rennen geht. Die Landwirte könnten ohne Subventionen schlicht nicht leben.
So gesehen sind die Lebensmittelpreise in Deutschland zu niedrig, im Verhältnis zu Mindestlöhnen und Großtstadtmieten kann aber schnell die Schmerzgrenze erreicht sein. Insofern geht es ökonomisch tatsächlich um eine Systemfrage; aber das ist nicht, was rechte Gruppen mit "Systemkritik" meinen, wenn sie den Zorn vor allem in Richtung der Grünen zu kanalisieren versuchen.